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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Absorption und Diffusion der Gase.
überströmt. Diese Bewegung hat dann erst ein Ende, wenn beide
Gase sich völlig gleichmässig in den zwei Räumen verbreitet haben
und also gleichförmig gemischt sind. Die Erscheinung des Ineinan-
derströmens der Gase bezeichnet man als Diffusion der Gase.
Dieselbe ist wesentlich verschieden von der Diffusion der Flüssigkei-
ten. Letztere beruht, wie wir gesehen haben, auf einer Anziehung,
welche die Flüssigkeiten gegen einander ausüben, ihre Geschwindig-
keit ist daher von der Grösse dieser Anziehung abhängig, und sie fin-
det überhaupt nur zwischen bestimmten Flüssigkeiten statt, nämlich
zwischen solchen, die mit einander mischbar sind. Nicht mischbare
Flüssigkeiten dagegen lagern sich nach ihrer specifischen Schwere
übereinander. Dagegen sind die Gase sämmtlich mischbar mit
einander
und zeigen daher auch alle, mit einander in Berührung
gebracht, die Erscheinung der Diffusion. Aber es beruht bei ihnen
die Mischung und Diffusion nicht auf einer Anziehung, die ihre Theil-
chen auf einander ausüben, sondern auf dem Bestreben eines jeden
Gases, den ihm dargebotenen Raum vollständig auszufüllen. Ein Gas
strömt also in ein anderes ähnlich wie in den luftleeren Raum ein,
nur die Geschwindigkeit, mit welcher das Ausströmen stattfindet, ist
eine geringere.

Die Gase bewegen sich bei der Diffusion ihrer specifischen
Schwere entgegen. Wenn man z. B. zwei Gefässe über einander
setzt, von denen das untere mit Kohlensäure, das obere mit Wasser-
stoffgas gefüllt ist, so verbreitet sich die Kohlensäure in dem Wasser-
stoff und der Wasserstoff in der Kohlensäure. Zugleich bleibt fort-
während der Druck in den beiden Gas enthaltenden Räumen der näm-
liche. War also vor der Communication derselben ein Druckunter-
schied vorhanden, so gleicht derselbe alsbald nach der Herstellung der
Verbindung sich aus, während die gleichmässige Mischung selbst viel
langsamer zu Stande kommt. Man kann dies nachweisen, indem man
mit jedem der Gasräume ein Manometer in Verbindung bringt. Wur-
den die Räume unter verschiedenem Druck gefüllt, so stellen sich nach
der Herstellung der Verbindung die Manometer gleich, indem zugleich
ein rascher Gasstrom aus dem unter dem grösseren Druck stehenden
Raum stattfindet. Ist dann Gleichheit des Drucks eingetreten, so
schreitet die schliesslich zur gleichmässigen Mischung der Gase füh-
rende Diffusion viel langsamer vorwärts.

Wie das Ausströmen der Flüssigkeiten wesentlich andern Ge-104
Gasdiffusion
durch Capillar-
räume.

setzen folgt, wenn dasselbe durch eine Capillarröhre stattfindet,
so auch das Ausströmen der Gase. Es verhalten sich nämlich hier
die Ausflussgeschwindigkeiten verschiedener Gase in den leeren Raum
bei gleichem Druck nicht umgekehrt wie die Quadratwurzeln aus den
Dichtigkeiten derselben, sondern die Unterschiede sind viel geringer.

Absorption und Diffusion der Gase.
überströmt. Diese Bewegung hat dann erst ein Ende, wenn beide
Gase sich völlig gleichmässig in den zwei Räumen verbreitet haben
und also gleichförmig gemischt sind. Die Erscheinung des Ineinan-
derströmens der Gase bezeichnet man als Diffusion der Gase.
Dieselbe ist wesentlich verschieden von der Diffusion der Flüssigkei-
ten. Letztere beruht, wie wir gesehen haben, auf einer Anziehung,
welche die Flüssigkeiten gegen einander ausüben, ihre Geschwindig-
keit ist daher von der Grösse dieser Anziehung abhängig, und sie fin-
det überhaupt nur zwischen bestimmten Flüssigkeiten statt, nämlich
zwischen solchen, die mit einander mischbar sind. Nicht mischbare
Flüssigkeiten dagegen lagern sich nach ihrer specifischen Schwere
übereinander. Dagegen sind die Gase sämmtlich mischbar mit
einander
und zeigen daher auch alle, mit einander in Berührung
gebracht, die Erscheinung der Diffusion. Aber es beruht bei ihnen
die Mischung und Diffusion nicht auf einer Anziehung, die ihre Theil-
chen auf einander ausüben, sondern auf dem Bestreben eines jeden
Gases, den ihm dargebotenen Raum vollständig auszufüllen. Ein Gas
strömt also in ein anderes ähnlich wie in den luftleeren Raum ein,
nur die Geschwindigkeit, mit welcher das Ausströmen stattfindet, ist
eine geringere.

Die Gase bewegen sich bei der Diffusion ihrer specifischen
Schwere entgegen. Wenn man z. B. zwei Gefässe über einander
setzt, von denen das untere mit Kohlensäure, das obere mit Wasser-
stoffgas gefüllt ist, so verbreitet sich die Kohlensäure in dem Wasser-
stoff und der Wasserstoff in der Kohlensäure. Zugleich bleibt fort-
während der Druck in den beiden Gas enthaltenden Räumen der näm-
liche. War also vor der Communication derselben ein Druckunter-
schied vorhanden, so gleicht derselbe alsbald nach der Herstellung der
Verbindung sich aus, während die gleichmässige Mischung selbst viel
langsamer zu Stande kommt. Man kann dies nachweisen, indem man
mit jedem der Gasräume ein Manometer in Verbindung bringt. Wur-
den die Räume unter verschiedenem Druck gefüllt, so stellen sich nach
der Herstellung der Verbindung die Manometer gleich, indem zugleich
ein rascher Gasstrom aus dem unter dem grösseren Druck stehenden
Raum stattfindet. Ist dann Gleichheit des Drucks eingetreten, so
schreitet die schliesslich zur gleichmässigen Mischung der Gase füh-
rende Diffusion viel langsamer vorwärts.

Wie das Ausströmen der Flüssigkeiten wesentlich andern Ge-104
Gasdiffusion
durch Capillar-
räume.

setzen folgt, wenn dasselbe durch eine Capillarröhre stattfindet,
so auch das Ausströmen der Gase. Es verhalten sich nämlich hier
die Ausflussgeschwindigkeiten verschiedener Gase in den leeren Raum
bei gleichem Druck nicht umgekehrt wie die Quadratwurzeln aus den
Dichtigkeiten derselben, sondern die Unterschiede sind viel geringer.

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[149/0171] Absorption und Diffusion der Gase. überströmt. Diese Bewegung hat dann erst ein Ende, wenn beide Gase sich völlig gleichmässig in den zwei Räumen verbreitet haben und also gleichförmig gemischt sind. Die Erscheinung des Ineinan- derströmens der Gase bezeichnet man als Diffusion der Gase. Dieselbe ist wesentlich verschieden von der Diffusion der Flüssigkei- ten. Letztere beruht, wie wir gesehen haben, auf einer Anziehung, welche die Flüssigkeiten gegen einander ausüben, ihre Geschwindig- keit ist daher von der Grösse dieser Anziehung abhängig, und sie fin- det überhaupt nur zwischen bestimmten Flüssigkeiten statt, nämlich zwischen solchen, die mit einander mischbar sind. Nicht mischbare Flüssigkeiten dagegen lagern sich nach ihrer specifischen Schwere übereinander. Dagegen sind die Gase sämmtlich mischbar mit einander und zeigen daher auch alle, mit einander in Berührung gebracht, die Erscheinung der Diffusion. Aber es beruht bei ihnen die Mischung und Diffusion nicht auf einer Anziehung, die ihre Theil- chen auf einander ausüben, sondern auf dem Bestreben eines jeden Gases, den ihm dargebotenen Raum vollständig auszufüllen. Ein Gas strömt also in ein anderes ähnlich wie in den luftleeren Raum ein, nur die Geschwindigkeit, mit welcher das Ausströmen stattfindet, ist eine geringere. Die Gase bewegen sich bei der Diffusion ihrer specifischen Schwere entgegen. Wenn man z. B. zwei Gefässe über einander setzt, von denen das untere mit Kohlensäure, das obere mit Wasser- stoffgas gefüllt ist, so verbreitet sich die Kohlensäure in dem Wasser- stoff und der Wasserstoff in der Kohlensäure. Zugleich bleibt fort- während der Druck in den beiden Gas enthaltenden Räumen der näm- liche. War also vor der Communication derselben ein Druckunter- schied vorhanden, so gleicht derselbe alsbald nach der Herstellung der Verbindung sich aus, während die gleichmässige Mischung selbst viel langsamer zu Stande kommt. Man kann dies nachweisen, indem man mit jedem der Gasräume ein Manometer in Verbindung bringt. Wur- den die Räume unter verschiedenem Druck gefüllt, so stellen sich nach der Herstellung der Verbindung die Manometer gleich, indem zugleich ein rascher Gasstrom aus dem unter dem grösseren Druck stehenden Raum stattfindet. Ist dann Gleichheit des Drucks eingetreten, so schreitet die schliesslich zur gleichmässigen Mischung der Gase füh- rende Diffusion viel langsamer vorwärts. Wie das Ausströmen der Flüssigkeiten wesentlich andern Ge- setzen folgt, wenn dasselbe durch eine Capillarröhre stattfindet, so auch das Ausströmen der Gase. Es verhalten sich nämlich hier die Ausflussgeschwindigkeiten verschiedener Gase in den leeren Raum bei gleichem Druck nicht umgekehrt wie die Quadratwurzeln aus den Dichtigkeiten derselben, sondern die Unterschiede sind viel geringer. 104 Gasdiffusion durch Capillar- räume.

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/171>, abgerufen am 24.04.2024.