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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Stromlauf in elastischen Röhren.
Kommt in dem Moment wo der Berg in das Thal übergehen sollte
schon eine neue Welle an, so verschwinden die Wellenthäler gänzlich,
und die Bahnen, welche die einzelnen Flüssigkeitstheilchen beschrei-
[Abbildung] Fig. 54.
ben, werden dann durch die Fig. 54 A
dargestellt. Mit Strömung verbundene
negative Wellen, wie in Fig. 53, las-
sen sich erzeugen, wenn man z. B.
eine in einem Reservoir befindliche
Flüssigkeit auspumpt. Bei jedem Pum-
penstoss entsteht eine negative Welle,
die sich ausbreitet, während zugleich die Flüssigkeitstheilchen gegen
die Pumpe hin, also der Fortpflanzung der Welle entgegengesetzt,
bewegt werden. Hier werden natürlich die Wellenthäler relativer
immer grösser, je schneller die Pumpenstösse sich folgen, bis endlich
eine der Fig. 54 B entsprechende Form entsteht.

Zehntes Capitel.
Stromlauf in elastischen Röhren.

Die Gesetze der Wellenbewegung von Flüssigkeiten finden eine88
Einfluss der
Elasticät des
Rohrs auf den
Stromlauf.

physiologisch wichtige Anwendung auf die Bewegung der Flüssigkei-
ten in ausdehnsamen elastischen Röhren. Wir haben uns
früher auf die Untersuchung der Flüssigkeitsbewegung in einem Röh-
rensystem mit starren unausdehnsamen Wänden beschränkt, in wel-
chem im Allgemeinen immer die Bewegung als eine geradlinige Strö-
mungsbewegung angesehen werden muss. Die Ausdehnbarkeit der
Wandungen gestattet nun den Flüssigkeitstheilchen eine Abweichung
von der geradlinigen Bahn. Innerhalb einer elastischen Röhre kann
daher eine Flüssigkeit nicht nur in Strömungsbewegung sondern auch
in Wellenbewegung befindlich sein. Es ist übrigens leicht einzusehen,
dass auch in der elastischen Röhre nur dann eine Wellenbewegung
der Flüssigkeit möglich ist, wenn die Kraft, welche die Bewegung er-
zeugt, stossweise einwirkt. Bei einem continuirlichen Druck von
constanter Grösse würde das dehnbare Rohr sehr bald in seiner gan-
zen Länge die dem Druck entsprechende Ausdehnung annehmen,
worauf sich die Flüssigkeit in ihm gerade so wie in einer starren
Röhre bewegen müsste.

Wir beziehen unsere Betrachtung sogleich auf ein mit Flüssig-
keit gefülltes Röhrensystem, in welchem die einzelnen Stösse in regel-
mässigen Perioden auf einander folgen, und in welchem die Flüssigkeits-
menge dadurch constant bleibt, dass bei jedem Stoss ein dem einge-
drungenen gleiches Quantum von Flüssigkeit das System verlässt.
Dies sind die Bedingungen, die beim Kreislauf des Blutes in der That

Stromlauf in elastischen Röhren.
Kommt in dem Moment wo der Berg in das Thal übergehen sollte
schon eine neue Welle an, so verschwinden die Wellenthäler gänzlich,
und die Bahnen, welche die einzelnen Flüssigkeitstheilchen beschrei-
[Abbildung] Fig. 54.
ben, werden dann durch die Fig. 54 A
dargestellt. Mit Strömung verbundene
negative Wellen, wie in Fig. 53, las-
sen sich erzeugen, wenn man z. B.
eine in einem Reservoir befindliche
Flüssigkeit auspumpt. Bei jedem Pum-
penstoss entsteht eine negative Welle,
die sich ausbreitet, während zugleich die Flüssigkeitstheilchen gegen
die Pumpe hin, also der Fortpflanzung der Welle entgegengesetzt,
bewegt werden. Hier werden natürlich die Wellenthäler relativer
immer grösser, je schneller die Pumpenstösse sich folgen, bis endlich
eine der Fig. 54 B entsprechende Form entsteht.

Zehntes Capitel.
Stromlauf in elastischen Röhren.

Die Gesetze der Wellenbewegung von Flüssigkeiten finden eine88
Einfluss der
Elasticät des
Rohrs auf den
Stromlauf.

physiologisch wichtige Anwendung auf die Bewegung der Flüssigkei-
ten in ausdehnsamen elastischen Röhren. Wir haben uns
früher auf die Untersuchung der Flüssigkeitsbewegung in einem Röh-
rensystem mit starren unausdehnsamen Wänden beschränkt, in wel-
chem im Allgemeinen immer die Bewegung als eine geradlinige Strö-
mungsbewegung angesehen werden muss. Die Ausdehnbarkeit der
Wandungen gestattet nun den Flüssigkeitstheilchen eine Abweichung
von der geradlinigen Bahn. Innerhalb einer elastischen Röhre kann
daher eine Flüssigkeit nicht nur in Strömungsbewegung sondern auch
in Wellenbewegung befindlich sein. Es ist übrigens leicht einzusehen,
dass auch in der elastischen Röhre nur dann eine Wellenbewegung
der Flüssigkeit möglich ist, wenn die Kraft, welche die Bewegung er-
zeugt, stossweise einwirkt. Bei einem continuirlichen Druck von
constanter Grösse würde das dehnbare Rohr sehr bald in seiner gan-
zen Länge die dem Druck entsprechende Ausdehnung annehmen,
worauf sich die Flüssigkeit in ihm gerade so wie in einer starren
Röhre bewegen müsste.

Wir beziehen unsere Betrachtung sogleich auf ein mit Flüssig-
keit gefülltes Röhrensystem, in welchem die einzelnen Stösse in regel-
mässigen Perioden auf einander folgen, und in welchem die Flüssigkeits-
menge dadurch constant bleibt, dass bei jedem Stoss ein dem einge-
drungenen gleiches Quantum von Flüssigkeit das System verlässt.
Dies sind die Bedingungen, die beim Kreislauf des Blutes in der That

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[125/0147] Stromlauf in elastischen Röhren. Kommt in dem Moment wo der Berg in das Thal übergehen sollte schon eine neue Welle an, so verschwinden die Wellenthäler gänzlich, und die Bahnen, welche die einzelnen Flüssigkeitstheilchen beschrei- [Abbildung Fig. 54.] ben, werden dann durch die Fig. 54 A dargestellt. Mit Strömung verbundene negative Wellen, wie in Fig. 53, las- sen sich erzeugen, wenn man z. B. eine in einem Reservoir befindliche Flüssigkeit auspumpt. Bei jedem Pum- penstoss entsteht eine negative Welle, die sich ausbreitet, während zugleich die Flüssigkeitstheilchen gegen die Pumpe hin, also der Fortpflanzung der Welle entgegengesetzt, bewegt werden. Hier werden natürlich die Wellenthäler relativer immer grösser, je schneller die Pumpenstösse sich folgen, bis endlich eine der Fig. 54 B entsprechende Form entsteht. Zehntes Capitel. Stromlauf in elastischen Röhren. Die Gesetze der Wellenbewegung von Flüssigkeiten finden eine physiologisch wichtige Anwendung auf die Bewegung der Flüssigkei- ten in ausdehnsamen elastischen Röhren. Wir haben uns früher auf die Untersuchung der Flüssigkeitsbewegung in einem Röh- rensystem mit starren unausdehnsamen Wänden beschränkt, in wel- chem im Allgemeinen immer die Bewegung als eine geradlinige Strö- mungsbewegung angesehen werden muss. Die Ausdehnbarkeit der Wandungen gestattet nun den Flüssigkeitstheilchen eine Abweichung von der geradlinigen Bahn. Innerhalb einer elastischen Röhre kann daher eine Flüssigkeit nicht nur in Strömungsbewegung sondern auch in Wellenbewegung befindlich sein. Es ist übrigens leicht einzusehen, dass auch in der elastischen Röhre nur dann eine Wellenbewegung der Flüssigkeit möglich ist, wenn die Kraft, welche die Bewegung er- zeugt, stossweise einwirkt. Bei einem continuirlichen Druck von constanter Grösse würde das dehnbare Rohr sehr bald in seiner gan- zen Länge die dem Druck entsprechende Ausdehnung annehmen, worauf sich die Flüssigkeit in ihm gerade so wie in einer starren Röhre bewegen müsste. 88 Einfluss der Elasticät des Rohrs auf den Stromlauf. Wir beziehen unsere Betrachtung sogleich auf ein mit Flüssig- keit gefülltes Röhrensystem, in welchem die einzelnen Stösse in regel- mässigen Perioden auf einander folgen, und in welchem die Flüssigkeits- menge dadurch constant bleibt, dass bei jedem Stoss ein dem einge- drungenen gleiches Quantum von Flüssigkeit das System verlässt. Dies sind die Bedingungen, die beim Kreislauf des Blutes in der That

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/147>, abgerufen am 18.04.2024.