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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von der Wellenbewegung der Flüssigkeiten.
[Abbildung] Fig. 51.
selben auf seiner kreisförmigen Bahn in gleichen Zeitmomenten gleiche
Wegstrecken zurücklegen. Indem das Theilchen 1 in a nach 2 ge-
langte, sind auch 1 b, 1 c, 1 d u. s. w. nach 2 vorgeschritten. Ver-
binden wir also sämmtliche Orte 2 durch eine Linie, so erhalten wir
die durch die punktirte Linie B bezeichnete Lage der Welle A im
nächsten Zeitmomente. Die Welle B hat aber vollkommen dieselbe
Gestalt wie die Welle A, sie ist nur um eine kleine Strecke nach
vorwärts bewegt. Ebenso befindet sich die Welle in ein einem dritten
Moment in C, wir haben sie in dieser Lage wieder durch eine ausge-
zogene Linie dargestellt. Hat sich das Theilchen 1 bis nach 4 be-
wegt, hat es also eine halbe Schwingung zurückgelegt, so wird da
wo sich im Moment 1 der Wellenberg A befindet ein Wellenthal
sein. Dagegen befindet sich wieder ein Wellenberg bei A, wenn
das Theilchen nach 1 zurückgekehrt ist, also eine ganze Schwingung
vollendet hat. Solche durch eine Gleichgewichtsstörung erzeugte Flüs-
sigkeitswellen, bei denen jedes einzelne Theilchen fortwährend in sich
zurückkehrende Bahnen beschreibt, entsprechen offenbar vollständig
den in §. 40 betrachteten stehenden Schwingungen; sie sind nur
die besondere Form, in welcher die stehenden Schwingungen der
Flüssigkeitswellen auftreten.

Die Bahnen, welche die einzelnen Flüssigkeitstheilchen bei der
Wellenbewegung beschreiben, sind im Allgemeinen nicht, wie hier an-
genommen wurde, von kreisförmiger, sondern von elliptischer Form,
wobei die grössere Axe der Ellipse parallel ist der Oberfläche der
ruhenden Flüssigkeit. Unmittelbar an der Oberfläche nähern sich die
Ellipsen am meisten der Kreisform, tiefer unten wird die verticale Axe
der Ellipsen immer kleiner, und zuletzt gehen die Theilchen nur noch
in horizontaler Richtung hin und her. Diese Bewegungen lassen sich
unmittelbar wahrnehmen, wenn man kleine feste Körper, die ein glei-
ches specifisches Gewicht mit dem Wasser besitzen, in diesem ver-
theilt hat und dann Wellen erregt. Die festen Körperchen beschreiben
in diesem Fall die nämlichen Bahnen wie die Wassertheilchen.

Wir haben bisher vorausgesetzt, der Wellenberg sei an Länge87
Verschiedenheit
von Wellen-
berg und Wel-
lenthal. Vor-
und rückwärts
schreitende
Wellen.

ebenso gross als das Wellenthal. Ist dies nicht der Fall, so entsteht
eine wesentliche Veränderung in der Bewegung der Flüssigkeitstheil-
chen. Nehmen wir znnächst an, der Wellenberg sei länger als das

Von der Wellenbewegung der Flüssigkeiten.
[Abbildung] Fig. 51.
selben auf seiner kreisförmigen Bahn in gleichen Zeitmomenten gleiche
Wegstrecken zurücklegen. Indem das Theilchen 1 in a nach 2 ge-
langte, sind auch 1 b, 1 c, 1 d u. s. w. nach 2 vorgeschritten. Ver-
binden wir also sämmtliche Orte 2 durch eine Linie, so erhalten wir
die durch die punktirte Linie B bezeichnete Lage der Welle A im
nächsten Zeitmomente. Die Welle B hat aber vollkommen dieselbe
Gestalt wie die Welle A, sie ist nur um eine kleine Strecke nach
vorwärts bewegt. Ebenso befindet sich die Welle in ein einem dritten
Moment in C, wir haben sie in dieser Lage wieder durch eine ausge-
zogene Linie dargestellt. Hat sich das Theilchen 1 bis nach 4 be-
wegt, hat es also eine halbe Schwingung zurückgelegt, so wird da
wo sich im Moment 1 der Wellenberg A befindet ein Wellenthal
sein. Dagegen befindet sich wieder ein Wellenberg bei A, wenn
das Theilchen nach 1 zurückgekehrt ist, also eine ganze Schwingung
vollendet hat. Solche durch eine Gleichgewichtsstörung erzeugte Flüs-
sigkeitswellen, bei denen jedes einzelne Theilchen fortwährend in sich
zurückkehrende Bahnen beschreibt, entsprechen offenbar vollständig
den in §. 40 betrachteten stehenden Schwingungen; sie sind nur
die besondere Form, in welcher die stehenden Schwingungen der
Flüssigkeitswellen auftreten.

Die Bahnen, welche die einzelnen Flüssigkeitstheilchen bei der
Wellenbewegung beschreiben, sind im Allgemeinen nicht, wie hier an-
genommen wurde, von kreisförmiger, sondern von elliptischer Form,
wobei die grössere Axe der Ellipse parallel ist der Oberfläche der
ruhenden Flüssigkeit. Unmittelbar an der Oberfläche nähern sich die
Ellipsen am meisten der Kreisform, tiefer unten wird die verticale Axe
der Ellipsen immer kleiner, und zuletzt gehen die Theilchen nur noch
in horizontaler Richtung hin und her. Diese Bewegungen lassen sich
unmittelbar wahrnehmen, wenn man kleine feste Körper, die ein glei-
ches specifisches Gewicht mit dem Wasser besitzen, in diesem ver-
theilt hat und dann Wellen erregt. Die festen Körperchen beschreiben
in diesem Fall die nämlichen Bahnen wie die Wassertheilchen.

Wir haben bisher vorausgesetzt, der Wellenberg sei an Länge87
Verschiedenheit
von Wellen-
berg und Wel-
lenthal. Vor-
und rückwärts
schreitende
Wellen.

ebenso gross als das Wellenthal. Ist dies nicht der Fall, so entsteht
eine wesentliche Veränderung in der Bewegung der Flüssigkeitstheil-
chen. Nehmen wir znnächst an, der Wellenberg sei länger als das

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[123/0145] Von der Wellenbewegung der Flüssigkeiten. [Abbildung Fig. 51.] selben auf seiner kreisförmigen Bahn in gleichen Zeitmomenten gleiche Wegstrecken zurücklegen. Indem das Theilchen 1 in a nach 2 ge- langte, sind auch 1 b, 1 c, 1 d u. s. w. nach 2 vorgeschritten. Ver- binden wir also sämmtliche Orte 2 durch eine Linie, so erhalten wir die durch die punktirte Linie B bezeichnete Lage der Welle A im nächsten Zeitmomente. Die Welle B hat aber vollkommen dieselbe Gestalt wie die Welle A, sie ist nur um eine kleine Strecke nach vorwärts bewegt. Ebenso befindet sich die Welle in ein einem dritten Moment in C, wir haben sie in dieser Lage wieder durch eine ausge- zogene Linie dargestellt. Hat sich das Theilchen 1 bis nach 4 be- wegt, hat es also eine halbe Schwingung zurückgelegt, so wird da wo sich im Moment 1 der Wellenberg A befindet ein Wellenthal sein. Dagegen befindet sich wieder ein Wellenberg bei A, wenn das Theilchen nach 1 zurückgekehrt ist, also eine ganze Schwingung vollendet hat. Solche durch eine Gleichgewichtsstörung erzeugte Flüs- sigkeitswellen, bei denen jedes einzelne Theilchen fortwährend in sich zurückkehrende Bahnen beschreibt, entsprechen offenbar vollständig den in §. 40 betrachteten stehenden Schwingungen; sie sind nur die besondere Form, in welcher die stehenden Schwingungen der Flüssigkeitswellen auftreten. Die Bahnen, welche die einzelnen Flüssigkeitstheilchen bei der Wellenbewegung beschreiben, sind im Allgemeinen nicht, wie hier an- genommen wurde, von kreisförmiger, sondern von elliptischer Form, wobei die grössere Axe der Ellipse parallel ist der Oberfläche der ruhenden Flüssigkeit. Unmittelbar an der Oberfläche nähern sich die Ellipsen am meisten der Kreisform, tiefer unten wird die verticale Axe der Ellipsen immer kleiner, und zuletzt gehen die Theilchen nur noch in horizontaler Richtung hin und her. Diese Bewegungen lassen sich unmittelbar wahrnehmen, wenn man kleine feste Körper, die ein glei- ches specifisches Gewicht mit dem Wasser besitzen, in diesem ver- theilt hat und dann Wellen erregt. Die festen Körperchen beschreiben in diesem Fall die nämlichen Bahnen wie die Wassertheilchen. Wir haben bisher vorausgesetzt, der Wellenberg sei an Länge ebenso gross als das Wellenthal. Ist dies nicht der Fall, so entsteht eine wesentliche Veränderung in der Bewegung der Flüssigkeitstheil- chen. Nehmen wir znnächst an, der Wellenberg sei länger als das 87 Verschiedenheit von Wellen- berg und Wel- lenthal. Vor- und rückwärts schreitende Wellen.

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/145>, abgerufen am 23.04.2024.