Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wrangel, Carl Gustav: Das Luxus-Fuhrwerk. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
in jeder Grossstadt wahrzunehmenden Equipagenmisere, halten
wir es daher für eine dankbare Aufgabe nach Kräften dazu
beizutragen, dass ein sicherer Blick für das Schöne und für das
Hässliche auf dem hier in Rede stehenden Gebiete Gemeingut
aller Freunde des Fahrsports werde. Gerade die Besprechung
des zweispännigen Luxusfuhrwerks bietet uns hierzu eine beson-
ders günstige Gelegenheit. Muss doch diesem in dem gewaltigen
Verkehr, den uns das tägliche Leben vor Augen führt, nicht nur
eine dekorative, sondern auch -- und zwar in erster Reihe --
eine eminent praktische Bedeutung zuerkannt werden.

Gewissermassen noch zur Galaabteilung gehören unter den
zweispännig zu verwendenden Wagen die Kalesche (Barouche),
das Chariot, die Victoria a huit ressorts, das Coupe a
huit ressorts
und der Landauer.

Die Kalesche (s. Fig. 15) wird nur bei solchen Gelegen-
heiten benützt, die eine Entfaltung von aussergewöhnlichem
Luxus gerechtfertigt erscheinen lassen. Grelle Farben sind für
einen solchen hochvornehmen Wagen selbstverständlich nicht
geeignet. Der moderne Geschmack bevorzugt dunkelblau und
dunkelbraun mit um eine Schattierung hellere Atlasgarnierung.
Die Pferde müssen 165--168 cm messen, sehr egal sein, viel
Adel zeigen und sich durch eine glänzende Aktion auszeichnen.
Die Schweife dürfen nicht koupiert sein, sondern werden so
geschnitten, dass sie in einem elegantem Bogen bis zum Unter-
schenkelbein herabhängen. Den Typus eines solchen "Grand
Carrossier
" findet der Leser in Fig. 34 getreu dargestellt.

Das Geschirr wird natürlich mit Bezug auf Schnitt und
Ausstattung dem Charakter des ganzen Fuhrwerkes entsprechen
müssen. Trotzdem empfehlen wir dringend allen unnötigen
Tand zu vermeiden. Der Beschlag sei solid und von vornehmer
Einfachheit. Stirnbänder aus Metall oder Seide mit ebensolchen
Kokarden, die Stirnstücke, Scheuleder, Kammdeckel und unteren
Enden der Rückenriemen mit Wappen oder Kronen verziert --
weiterer Schmuck ist nicht erforderlich. Hinterzeug darf nicht

Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
in jeder Grossstadt wahrzunehmenden Equipagenmisère, halten
wir es daher für eine dankbare Aufgabe nach Kräften dazu
beizutragen, dass ein sicherer Blick für das Schöne und für das
Hässliche auf dem hier in Rede stehenden Gebiete Gemeingut
aller Freunde des Fahrsports werde. Gerade die Besprechung
des zweispännigen Luxusfuhrwerks bietet uns hierzu eine beson-
ders günstige Gelegenheit. Muss doch diesem in dem gewaltigen
Verkehr, den uns das tägliche Leben vor Augen führt, nicht nur
eine dekorative, sondern auch — und zwar in erster Reihe —
eine eminent praktische Bedeutung zuerkannt werden.

Gewissermassen noch zur Galaabteilung gehören unter den
zweispännig zu verwendenden Wagen die Kalesche (Barouche),
das Chariot, die Victoria à huit ressorts, das Coupé à
huit ressorts
und der Landauer.

Die Kalesche (s. Fig. 15) wird nur bei solchen Gelegen-
heiten benützt, die eine Entfaltung von aussergewöhnlichem
Luxus gerechtfertigt erscheinen lassen. Grelle Farben sind für
einen solchen hochvornehmen Wagen selbstverständlich nicht
geeignet. Der moderne Geschmack bevorzugt dunkelblau und
dunkelbraun mit um eine Schattierung hellere Atlasgarnierung.
Die Pferde müssen 165—168 cm messen, sehr egal sein, viel
Adel zeigen und sich durch eine glänzende Aktion auszeichnen.
Die Schweife dürfen nicht koupiert sein, sondern werden so
geschnitten, dass sie in einem elegantem Bogen bis zum Unter-
schenkelbein herabhängen. Den Typus eines solchen „Grand
Carrossier
“ findet der Leser in Fig. 34 getreu dargestellt.

Das Geschirr wird natürlich mit Bezug auf Schnitt und
Ausstattung dem Charakter des ganzen Fuhrwerkes entsprechen
müssen. Trotzdem empfehlen wir dringend allen unnötigen
Tand zu vermeiden. Der Beschlag sei solid und von vornehmer
Einfachheit. Stirnbänder aus Metall oder Seide mit ebensolchen
Kokarden, die Stirnstücke, Scheuleder, Kammdeckel und unteren
Enden der Rückenriemen mit Wappen oder Kronen verziert —
weiterer Schmuck ist nicht erforderlich. Hinterzeug darf nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0078" n="64"/><fw place="top" type="header">Die zweispännigen Luxus-Equipagen.</fw><lb/>
in jeder Grossstadt wahrzunehmenden Equipagenmisère, halten<lb/>
wir es daher für eine dankbare Aufgabe nach Kräften dazu<lb/>
beizutragen, dass ein sicherer Blick für das Schöne und für das<lb/>
Hässliche auf dem hier in Rede stehenden Gebiete Gemeingut<lb/>
aller Freunde des Fahrsports werde. Gerade die Besprechung<lb/>
des zweispännigen Luxusfuhrwerks bietet uns hierzu eine beson-<lb/>
ders günstige Gelegenheit. Muss doch diesem in dem gewaltigen<lb/>
Verkehr, den uns das tägliche Leben vor Augen führt, nicht nur<lb/>
eine dekorative, sondern auch &#x2014; und zwar in erster Reihe &#x2014;<lb/>
eine eminent praktische Bedeutung zuerkannt werden.</p><lb/>
        <p>Gewissermassen noch zur Galaabteilung gehören unter den<lb/>
zweispännig zu verwendenden Wagen die Kalesche (<hi rendition="#g">Barouche</hi>),<lb/>
das <hi rendition="#g">Chariot</hi>, die <hi rendition="#g">Victoria à huit ressorts, das Coupé à<lb/>
huit ressorts</hi> und der <hi rendition="#g">Landauer</hi>.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Die Kalesche</hi> (s. Fig. 15) wird nur bei solchen Gelegen-<lb/>
heiten benützt, die eine Entfaltung von aussergewöhnlichem<lb/>
Luxus gerechtfertigt erscheinen lassen. Grelle Farben sind für<lb/>
einen solchen hochvornehmen Wagen selbstverständlich nicht<lb/>
geeignet. Der moderne Geschmack bevorzugt dunkelblau und<lb/>
dunkelbraun mit um eine Schattierung hellere Atlasgarnierung.<lb/>
Die Pferde müssen 165&#x2014;168 cm messen, sehr egal sein, viel<lb/>
Adel zeigen und sich durch eine glänzende Aktion auszeichnen.<lb/>
Die Schweife dürfen nicht koupiert sein, sondern werden so<lb/>
geschnitten, dass sie in einem elegantem Bogen bis zum Unter-<lb/>
schenkelbein herabhängen. Den Typus eines solchen &#x201E;<hi rendition="#g">Grand<lb/>
Carrossier</hi>&#x201C; findet der Leser in Fig. 34 getreu dargestellt.</p><lb/>
        <p>Das Geschirr wird natürlich mit Bezug auf Schnitt und<lb/>
Ausstattung dem Charakter des ganzen Fuhrwerkes entsprechen<lb/>
müssen. Trotzdem empfehlen wir dringend allen unnötigen<lb/>
Tand zu vermeiden. Der Beschlag sei solid und von vornehmer<lb/>
Einfachheit. Stirnbänder aus Metall oder Seide mit ebensolchen<lb/>
Kokarden, die Stirnstücke, Scheuleder, Kammdeckel und unteren<lb/>
Enden der Rückenriemen mit Wappen oder Kronen verziert &#x2014;<lb/>
weiterer Schmuck ist nicht erforderlich. Hinterzeug darf nicht<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0078] Die zweispännigen Luxus-Equipagen. in jeder Grossstadt wahrzunehmenden Equipagenmisère, halten wir es daher für eine dankbare Aufgabe nach Kräften dazu beizutragen, dass ein sicherer Blick für das Schöne und für das Hässliche auf dem hier in Rede stehenden Gebiete Gemeingut aller Freunde des Fahrsports werde. Gerade die Besprechung des zweispännigen Luxusfuhrwerks bietet uns hierzu eine beson- ders günstige Gelegenheit. Muss doch diesem in dem gewaltigen Verkehr, den uns das tägliche Leben vor Augen führt, nicht nur eine dekorative, sondern auch — und zwar in erster Reihe — eine eminent praktische Bedeutung zuerkannt werden. Gewissermassen noch zur Galaabteilung gehören unter den zweispännig zu verwendenden Wagen die Kalesche (Barouche), das Chariot, die Victoria à huit ressorts, das Coupé à huit ressorts und der Landauer. Die Kalesche (s. Fig. 15) wird nur bei solchen Gelegen- heiten benützt, die eine Entfaltung von aussergewöhnlichem Luxus gerechtfertigt erscheinen lassen. Grelle Farben sind für einen solchen hochvornehmen Wagen selbstverständlich nicht geeignet. Der moderne Geschmack bevorzugt dunkelblau und dunkelbraun mit um eine Schattierung hellere Atlasgarnierung. Die Pferde müssen 165—168 cm messen, sehr egal sein, viel Adel zeigen und sich durch eine glänzende Aktion auszeichnen. Die Schweife dürfen nicht koupiert sein, sondern werden so geschnitten, dass sie in einem elegantem Bogen bis zum Unter- schenkelbein herabhängen. Den Typus eines solchen „Grand Carrossier“ findet der Leser in Fig. 34 getreu dargestellt. Das Geschirr wird natürlich mit Bezug auf Schnitt und Ausstattung dem Charakter des ganzen Fuhrwerkes entsprechen müssen. Trotzdem empfehlen wir dringend allen unnötigen Tand zu vermeiden. Der Beschlag sei solid und von vornehmer Einfachheit. Stirnbänder aus Metall oder Seide mit ebensolchen Kokarden, die Stirnstücke, Scheuleder, Kammdeckel und unteren Enden der Rückenriemen mit Wappen oder Kronen verziert — weiterer Schmuck ist nicht erforderlich. Hinterzeug darf nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wrangel_luxusfuhrwerk_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wrangel_luxusfuhrwerk_1898/78
Zitationshilfe: Wrangel, Carl Gustav: Das Luxus-Fuhrwerk. Stuttgart, 1898, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wrangel_luxusfuhrwerk_1898/78>, abgerufen am 24.04.2024.