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Wrangel, Carl Gustav: Das Luxus-Fuhrwerk. Stuttgart, 1898.

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Historisches.
master" gemietete Fuhrwerk soll also auch mit Bezug auf die
äussere Erscheinung und Ausstattung vollständigen Ersatz für
die eigene Equipage bieten, wohingegen dem Wiener Fiaker
nichts ferner liegt als seine von ihm selbst und seinen Patronen
hoch geschätzte Eigenart zu verleugnen. In ihrer Einwirkung
auf das private Fuhrwerk aber gleichen sich der "Jobmaster"
und der Fiaker vollständig: sie gehen beide darauf aus, die im
herrschaftlichen Besitz stehende Equigage gänzlich zu verdrängen.

Das deutsche Luxusfuhrwerk steht leider noch auf einer so
niedrigen Stufe, dass wir es am liebsten ganz mit Stillschweigen
übergehen möchten. In neuester Zeit sind allerdings in Berlin
Versuche gemacht worden durch "Concours hippiques",
Korsofahrten u. dgl. belebend und reformierend auf das arg
zurückgebliebene Equipagenwesen einzuwirken, doch sind diese
viel zu jungen Datums als dass sie schon greifbare Resultate
hätten zu Tage fördern können. In der Millionenstadt -- oder
sagen wir in der Stadt der Millionäre -- lassen sich die in jeder
Beziehung tadellos zusammengestellten Equipagen an den Fingern
abzählen. Wenn wir annehmen, dass deren Zahl das Dutzend
erreicht, so übertreiben wir sicher nach der günstigen Seite hin.
An guten und leistungsfähigen Wagenfabriken herrscht ja in
Deutschland durchaus kein Mangel. Was hilft aber der schönste
und modernste Wagen, wenn bei der Zusammenstellung der Ge-
samt-Equipage die gröbsten Schnitzer begangen werden? Und das
ist bei uns, Gott sei's geklagt, die Regel, nicht wie es sein sollte
die sofort erkannte, scharf und sachgemäss kritisierte Ausnahme.

Von dem deutschen Mietfuhrwerk wollen wir gar nicht reden.
Das Schönste was dieses zu leisten vermag, ist der himmelblaue
Brautwagen, bei dessen Anblick man nicht weiss, was man mehr
be--wundern soll: die überall angebrachten versilberten Tauben,
den bärtigen, ebenfalls himmelblauen Kutscher, die wunderbaren
Geschirre oder die der Feier zu Ehren thunlichst herausgeputzten
Ex-Carrossiers, denen die erhebende Aufgabe zu teil geworden
"Cäsar und sein Glück" zum Standesamt zu befördern.


Historisches.
master“ gemietete Fuhrwerk soll also auch mit Bezug auf die
äussere Erscheinung und Ausstattung vollständigen Ersatz für
die eigene Equipage bieten, wohingegen dem Wiener Fiaker
nichts ferner liegt als seine von ihm selbst und seinen Patronen
hoch geschätzte Eigenart zu verleugnen. In ihrer Einwirkung
auf das private Fuhrwerk aber gleichen sich der „Jobmaster
und der Fiaker vollständig: sie gehen beide darauf aus, die im
herrschaftlichen Besitz stehende Equigage gänzlich zu verdrängen.

Das deutsche Luxusfuhrwerk steht leider noch auf einer so
niedrigen Stufe, dass wir es am liebsten ganz mit Stillschweigen
übergehen möchten. In neuester Zeit sind allerdings in Berlin
Versuche gemacht worden durch „Concours hippiques“,
Korsofahrten u. dgl. belebend und reformierend auf das arg
zurückgebliebene Equipagenwesen einzuwirken, doch sind diese
viel zu jungen Datums als dass sie schon greifbare Resultate
hätten zu Tage fördern können. In der Millionenstadt — oder
sagen wir in der Stadt der Millionäre — lassen sich die in jeder
Beziehung tadellos zusammengestellten Equipagen an den Fingern
abzählen. Wenn wir annehmen, dass deren Zahl das Dutzend
erreicht, so übertreiben wir sicher nach der günstigen Seite hin.
An guten und leistungsfähigen Wagenfabriken herrscht ja in
Deutschland durchaus kein Mangel. Was hilft aber der schönste
und modernste Wagen, wenn bei der Zusammenstellung der Ge-
samt-Equipage die gröbsten Schnitzer begangen werden? Und das
ist bei uns, Gott sei’s geklagt, die Regel, nicht wie es sein sollte
die sofort erkannte, scharf und sachgemäss kritisierte Ausnahme.

Von dem deutschen Mietfuhrwerk wollen wir gar nicht reden.
Das Schönste was dieses zu leisten vermag, ist der himmelblaue
Brautwagen, bei dessen Anblick man nicht weiss, was man mehr
be—wundern soll: die überall angebrachten versilberten Tauben,
den bärtigen, ebenfalls himmelblauen Kutscher, die wunderbaren
Geschirre oder die der Feier zu Ehren thunlichst herausgeputzten
Ex-Carrossiers, denen die erhebende Aufgabe zu teil geworden
„Cäsar und sein Glück“ zum Standesamt zu befördern.


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[16/0030] Historisches. master“ gemietete Fuhrwerk soll also auch mit Bezug auf die äussere Erscheinung und Ausstattung vollständigen Ersatz für die eigene Equipage bieten, wohingegen dem Wiener Fiaker nichts ferner liegt als seine von ihm selbst und seinen Patronen hoch geschätzte Eigenart zu verleugnen. In ihrer Einwirkung auf das private Fuhrwerk aber gleichen sich der „Jobmaster“ und der Fiaker vollständig: sie gehen beide darauf aus, die im herrschaftlichen Besitz stehende Equigage gänzlich zu verdrängen. Das deutsche Luxusfuhrwerk steht leider noch auf einer so niedrigen Stufe, dass wir es am liebsten ganz mit Stillschweigen übergehen möchten. In neuester Zeit sind allerdings in Berlin Versuche gemacht worden durch „Concours hippiques“, Korsofahrten u. dgl. belebend und reformierend auf das arg zurückgebliebene Equipagenwesen einzuwirken, doch sind diese viel zu jungen Datums als dass sie schon greifbare Resultate hätten zu Tage fördern können. In der Millionenstadt — oder sagen wir in der Stadt der Millionäre — lassen sich die in jeder Beziehung tadellos zusammengestellten Equipagen an den Fingern abzählen. Wenn wir annehmen, dass deren Zahl das Dutzend erreicht, so übertreiben wir sicher nach der günstigen Seite hin. An guten und leistungsfähigen Wagenfabriken herrscht ja in Deutschland durchaus kein Mangel. Was hilft aber der schönste und modernste Wagen, wenn bei der Zusammenstellung der Ge- samt-Equipage die gröbsten Schnitzer begangen werden? Und das ist bei uns, Gott sei’s geklagt, die Regel, nicht wie es sein sollte die sofort erkannte, scharf und sachgemäss kritisierte Ausnahme. Von dem deutschen Mietfuhrwerk wollen wir gar nicht reden. Das Schönste was dieses zu leisten vermag, ist der himmelblaue Brautwagen, bei dessen Anblick man nicht weiss, was man mehr be—wundern soll: die überall angebrachten versilberten Tauben, den bärtigen, ebenfalls himmelblauen Kutscher, die wunderbaren Geschirre oder die der Feier zu Ehren thunlichst herausgeputzten Ex-Carrossiers, denen die erhebende Aufgabe zu teil geworden „Cäsar und sein Glück“ zum Standesamt zu befördern.

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Zitationshilfe: Wrangel, Carl Gustav: Das Luxus-Fuhrwerk. Stuttgart, 1898, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wrangel_luxusfuhrwerk_1898/30>, abgerufen am 24.04.2024.