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Wrangel, Carl Gustav: Das Luxus-Fuhrwerk. Stuttgart, 1898.

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Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
schwert. In grösseren Städten, wo scharfe und plötzliche Pa-
raden jeden Augenblick notwendig werden können, ist es deshalb
immer anzuraten, sich einer Vorrichtung zu bedienen, die der
Gehlust eines stark gefütterten, wenig beschäftigten Tieres einen
heilsamen Dämpfer aufsetzt. Schliesslich ist es denn doch
besser, dass der Gaul auf den Aufsatzzügel als auf die Hand
des Kutschers bohrt.

Dieser viel verlästerte Hilfszügel hat aber noch eine andere
äusserst wohlthätige Wirkung. Er erleichtert dem ermüdenden
Pferde die Zugarbeit. Dass dies keine leere Behauptung, er-
giebt sich aus folgenden Thatsachen.

Das Bewegungszentrum liegt, ob sich das Tier nun bewegt
oder im Zustande der Ruhe befindet, im Mittelpunkt des Rückens,
ungefähr dort, wo eine perpendikuläre Linie den 14. Rücken-
wirbel treffen würde. Der Schwerpunkt dagegen liegt etwas
weiter vorwärts und zwar je nach der Bauart verschiedener
Pferde zwischen dem 10. und 13. Rückenwirbel.

Für das Pferd ist es selbstverständlich am vorteilhaftesten,
wenn diese beiden Punkte einander möglichst nahe gebracht
werden.

Die Lage des Schwerpunkts vor dem Bewegungszentrum
wird durch die langgestreckte, geradlinige Form des Pferdehalses
bedingt. Diese hat nämlich zur Folge, dass der Kopf seinen
Platz weit ausserhalb der Basis des Körpers erhält. Hierdurch
gestaltet sich der an einem Ende mit dem Schädel belastete
Hals zu einem kräftigen Hebel, der den Schwerpunkt nach vor-
wärts, vor den Mittelpunkt des Pferdekörpers schiebt.

Wenn wir nun ein Pferd zum Gebrauch abrichten, so werden
diese beiden Punkte, dem hierbei aufgewendeten grösseren oder
geringeren Verständnis entsprechend, mehr oder weniger zu-
sammengeschoben. Denn dadurch, dass wir den vom Pferde-
halse gebildeten Bogen verkürzen und den Kopf näher an den
Rumpf heranbringen, verlegen wir auch den Schwerpunkt weiter
nach rückwärts. Durch das Zusammenfallen jener beiden Punkte

Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
schwert. In grösseren Städten, wo scharfe und plötzliche Pa-
raden jeden Augenblick notwendig werden können, ist es deshalb
immer anzuraten, sich einer Vorrichtung zu bedienen, die der
Gehlust eines stark gefütterten, wenig beschäftigten Tieres einen
heilsamen Dämpfer aufsetzt. Schliesslich ist es denn doch
besser, dass der Gaul auf den Aufsatzzügel als auf die Hand
des Kutschers bohrt.

Dieser viel verlästerte Hilfszügel hat aber noch eine andere
äusserst wohlthätige Wirkung. Er erleichtert dem ermüdenden
Pferde die Zugarbeit. Dass dies keine leere Behauptung, er-
giebt sich aus folgenden Thatsachen.

Das Bewegungszentrum liegt, ob sich das Tier nun bewegt
oder im Zustande der Ruhe befindet, im Mittelpunkt des Rückens,
ungefähr dort, wo eine perpendikuläre Linie den 14. Rücken-
wirbel treffen würde. Der Schwerpunkt dagegen liegt etwas
weiter vorwärts und zwar je nach der Bauart verschiedener
Pferde zwischen dem 10. und 13. Rückenwirbel.

Für das Pferd ist es selbstverständlich am vorteilhaftesten,
wenn diese beiden Punkte einander möglichst nahe gebracht
werden.

Die Lage des Schwerpunkts vor dem Bewegungszentrum
wird durch die langgestreckte, geradlinige Form des Pferdehalses
bedingt. Diese hat nämlich zur Folge, dass der Kopf seinen
Platz weit ausserhalb der Basis des Körpers erhält. Hierdurch
gestaltet sich der an einem Ende mit dem Schädel belastete
Hals zu einem kräftigen Hebel, der den Schwerpunkt nach vor-
wärts, vor den Mittelpunkt des Pferdekörpers schiebt.

Wenn wir nun ein Pferd zum Gebrauch abrichten, so werden
diese beiden Punkte, dem hierbei aufgewendeten grösseren oder
geringeren Verständnis entsprechend, mehr oder weniger zu-
sammengeschoben. Denn dadurch, dass wir den vom Pferde-
halse gebildeten Bogen verkürzen und den Kopf näher an den
Rumpf heranbringen, verlegen wir auch den Schwerpunkt weiter
nach rückwärts. Durch das Zusammenfallen jener beiden Punkte

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[86/0100] Die zweispännigen Luxus-Equipagen. schwert. In grösseren Städten, wo scharfe und plötzliche Pa- raden jeden Augenblick notwendig werden können, ist es deshalb immer anzuraten, sich einer Vorrichtung zu bedienen, die der Gehlust eines stark gefütterten, wenig beschäftigten Tieres einen heilsamen Dämpfer aufsetzt. Schliesslich ist es denn doch besser, dass der Gaul auf den Aufsatzzügel als auf die Hand des Kutschers bohrt. Dieser viel verlästerte Hilfszügel hat aber noch eine andere äusserst wohlthätige Wirkung. Er erleichtert dem ermüdenden Pferde die Zugarbeit. Dass dies keine leere Behauptung, er- giebt sich aus folgenden Thatsachen. Das Bewegungszentrum liegt, ob sich das Tier nun bewegt oder im Zustande der Ruhe befindet, im Mittelpunkt des Rückens, ungefähr dort, wo eine perpendikuläre Linie den 14. Rücken- wirbel treffen würde. Der Schwerpunkt dagegen liegt etwas weiter vorwärts und zwar je nach der Bauart verschiedener Pferde zwischen dem 10. und 13. Rückenwirbel. Für das Pferd ist es selbstverständlich am vorteilhaftesten, wenn diese beiden Punkte einander möglichst nahe gebracht werden. Die Lage des Schwerpunkts vor dem Bewegungszentrum wird durch die langgestreckte, geradlinige Form des Pferdehalses bedingt. Diese hat nämlich zur Folge, dass der Kopf seinen Platz weit ausserhalb der Basis des Körpers erhält. Hierdurch gestaltet sich der an einem Ende mit dem Schädel belastete Hals zu einem kräftigen Hebel, der den Schwerpunkt nach vor- wärts, vor den Mittelpunkt des Pferdekörpers schiebt. Wenn wir nun ein Pferd zum Gebrauch abrichten, so werden diese beiden Punkte, dem hierbei aufgewendeten grösseren oder geringeren Verständnis entsprechend, mehr oder weniger zu- sammengeschoben. Denn dadurch, dass wir den vom Pferde- halse gebildeten Bogen verkürzen und den Kopf näher an den Rumpf heranbringen, verlegen wir auch den Schwerpunkt weiter nach rückwärts. Durch das Zusammenfallen jener beiden Punkte

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Zitationshilfe: Wrangel, Carl Gustav: Das Luxus-Fuhrwerk. Stuttgart, 1898, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wrangel_luxusfuhrwerk_1898/100>, abgerufen am 23.04.2024.