Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Th. 1. H. Vom Unterschied menschl. Handl.
hen (culpam). Wenn es aber am Willen
fehlet, Boßheit, oder auch unterweilen Vor-
setzlichkeit
(dolum). Ueberhaupt pflegt
man auch den Mangel der Richtigkeit einer
Handlung im Lateinischen culpam zu nen-
nen. Ueberwindlich ist (vincibile),
was durch den Gebrauch seiner Kräfte ver-
mieden werden konte. Daher ist klar, daß
so wohl die Handlungen, die aus
Versehen, als mit Vorsatz geschehen,
einem zugerechnet werden können

(§. 3.). Jm Gegentheil aber nennt man
das unvermeidlich (invincibile), was
durch den Gebrauch unserer Kräste gar nicht
vermieden werden kan. Derowegen weil
wir diejenigen Dinge, die durch einen
blossen Zufall geschehen,
daran wir gar
keine Schuld haben, unmöglich vermeiden
können; so können sie uns auch nicht zu-
gerechnet werden
(§. cit.); als z. E.
wenn der Hagel das Getreyde niederschlägt,
oder eine Ueberschwemmung ein Haus ein-
reisset.

§. 18.
Was mit
Vorsatz
und aus
Versehen
geschie-
het.

Weil es unmöglich ist, daß wir etwas
unbekanntes wollen, oder nicht wollen kön-
ten; und also der Wille und das Nichtwol-
len von dem Verstande, oder der Erkentniß-
kraft abhängen; so thut derjenige, der
vorsetzlich eine böse Handlung voll-
bringet, solches mit Wissen und Wil-

len;

I. Th. 1. H. Vom Unterſchied menſchl. Handl.
hen (culpam). Wenn es aber am Willen
fehlet, Boßheit, oder auch unterweilen Vor-
ſetzlichkeit
(dolum). Ueberhaupt pflegt
man auch den Mangel der Richtigkeit einer
Handlung im Lateiniſchen culpam zu nen-
nen. Ueberwindlich iſt (vincibile),
was durch den Gebrauch ſeiner Kraͤfte ver-
mieden werden konte. Daher iſt klar, daß
ſo wohl die Handlungen, die aus
Verſehen, als mit Vorſatz geſchehen,
einem zugerechnet werden koͤnnen

(§. 3.). Jm Gegentheil aber nennt man
das unvermeidlich (invincibile), was
durch den Gebrauch unſerer Kraͤſte gar nicht
vermieden werden kan. Derowegen weil
wir diejenigen Dinge, die durch einen
bloſſen Zufall geſchehen,
daran wir gar
keine Schuld haben, unmoͤglich vermeiden
koͤnnen; ſo koͤnnen ſie uns auch nicht zu-
gerechnet werden
(§. cit.); als z. E.
wenn der Hagel das Getreyde niederſchlaͤgt,
oder eine Ueberſchwemmung ein Haus ein-
reiſſet.

§. 18.
Was mit
Vorſatz
und aus
Verſehen
geſchie-
het.

Weil es unmoͤglich iſt, daß wir etwas
unbekanntes wollen, oder nicht wollen koͤn-
ten; und alſo der Wille und das Nichtwol-
len von dem Verſtande, oder der Erkentniß-
kraft abhaͤngen; ſo thut derjenige, der
vorſetzlich eine boͤſe Handlung voll-
bringet, ſolches mit Wiſſen und Wil-

len;
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0048" n="12"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Th. 1. H. Vom Unter&#x017F;chied men&#x017F;chl. Handl.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">hen</hi><hi rendition="#aq">(culpam)</hi>. Wenn es aber am Willen<lb/>
fehlet, <hi rendition="#fr">Boßheit,</hi> oder auch unterweilen <hi rendition="#fr">Vor-<lb/>
&#x017F;etzlichkeit</hi> <hi rendition="#aq">(dolum)</hi>. Ueberhaupt pflegt<lb/>
man auch den Mangel der Richtigkeit einer<lb/>
Handlung im Lateini&#x017F;chen <hi rendition="#aq">culpam</hi> zu nen-<lb/>
nen. <hi rendition="#fr">Ueberwindlich</hi> i&#x017F;t <hi rendition="#aq">(vincibile),</hi><lb/>
was durch den Gebrauch &#x017F;einer Kra&#x0364;fte ver-<lb/>
mieden werden konte. Daher i&#x017F;t klar, <hi rendition="#fr">daß<lb/>
&#x017F;o wohl die Handlungen, die aus<lb/>
Ver&#x017F;ehen, als mit Vor&#x017F;atz ge&#x017F;chehen,<lb/>
einem zugerechnet werden ko&#x0364;nnen</hi><lb/>
(§. 3.). Jm Gegentheil aber nennt man<lb/>
das <hi rendition="#fr">unvermeidlich</hi> <hi rendition="#aq">(invincibile),</hi> was<lb/>
durch den Gebrauch un&#x017F;erer Kra&#x0364;&#x017F;te gar nicht<lb/>
vermieden werden kan. Derowegen weil<lb/>
wir <hi rendition="#fr">diejenigen Dinge, die durch einen<lb/>
blo&#x017F;&#x017F;en Zufall ge&#x017F;chehen,</hi> daran wir gar<lb/>
keine Schuld haben, unmo&#x0364;glich vermeiden<lb/>
ko&#x0364;nnen; &#x017F;o <hi rendition="#fr">ko&#x0364;nnen &#x017F;ie uns</hi> auch <hi rendition="#fr">nicht zu-<lb/>
gerechnet werden</hi> (§. <hi rendition="#aq">cit.</hi>); als z. E.<lb/>
wenn der Hagel das Getreyde nieder&#x017F;chla&#x0364;gt,<lb/>
oder eine Ueber&#x017F;chwemmung ein Haus ein-<lb/>
rei&#x017F;&#x017F;et.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 18.</head><lb/>
              <note place="left">Was mit<lb/>
Vor&#x017F;atz<lb/>
und aus<lb/>
Ver&#x017F;ehen<lb/>
ge&#x017F;chie-<lb/>
het.</note>
              <p>Weil es unmo&#x0364;glich i&#x017F;t, daß wir etwas<lb/>
unbekanntes wollen, oder nicht wollen ko&#x0364;n-<lb/>
ten; und al&#x017F;o der Wille und das Nichtwol-<lb/>
len von dem Ver&#x017F;tande, oder der Erkentniß-<lb/>
kraft abha&#x0364;ngen; &#x017F;o <hi rendition="#fr">thut derjenige, der<lb/>
vor&#x017F;etzlich eine bo&#x0364;&#x017F;e Handlung voll-<lb/>
bringet, &#x017F;olches mit Wi&#x017F;&#x017F;en und Wil-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">len;</hi></fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0048] I. Th. 1. H. Vom Unterſchied menſchl. Handl. hen (culpam). Wenn es aber am Willen fehlet, Boßheit, oder auch unterweilen Vor- ſetzlichkeit (dolum). Ueberhaupt pflegt man auch den Mangel der Richtigkeit einer Handlung im Lateiniſchen culpam zu nen- nen. Ueberwindlich iſt (vincibile), was durch den Gebrauch ſeiner Kraͤfte ver- mieden werden konte. Daher iſt klar, daß ſo wohl die Handlungen, die aus Verſehen, als mit Vorſatz geſchehen, einem zugerechnet werden koͤnnen (§. 3.). Jm Gegentheil aber nennt man das unvermeidlich (invincibile), was durch den Gebrauch unſerer Kraͤſte gar nicht vermieden werden kan. Derowegen weil wir diejenigen Dinge, die durch einen bloſſen Zufall geſchehen, daran wir gar keine Schuld haben, unmoͤglich vermeiden koͤnnen; ſo koͤnnen ſie uns auch nicht zu- gerechnet werden (§. cit.); als z. E. wenn der Hagel das Getreyde niederſchlaͤgt, oder eine Ueberſchwemmung ein Haus ein- reiſſet. §. 18. Weil es unmoͤglich iſt, daß wir etwas unbekanntes wollen, oder nicht wollen koͤn- ten; und alſo der Wille und das Nichtwol- len von dem Verſtande, oder der Erkentniß- kraft abhaͤngen; ſo thut derjenige, der vorſetzlich eine boͤſe Handlung voll- bringet, ſolches mit Wiſſen und Wil- len;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/48
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/48>, abgerufen am 23.04.2024.