uns mit den Pflichten gegen andere durch ein freundschaftliches Liebesband ver- knüpfet, daß zu beyden einerley noth- wendige und an sich unveränderliche Ver- bindlichkeit ist. Unterdessen da die Kräf- te des Menschen nicht unerschöpflich sind, und deswegen nicht ohne Grund verschwen- det werden müßen; so ist man andern keine Pflichten mit der Hintansetzung sei- ner selbst, und überdem nicht mehr als in unserer Gewalt stehet, endlich auch nicht denen, welche selbst in ihrer Ge- walt haben, was sie von andern verlan- gen, schuldig. Weil aber keinem Men- schen von Natur ein Recht über die Hand- lungen eines andern zukommt; so muß man, wie dem um seines Mangels wil- len bittenden, also auch dem, der es lei- sten soll, über die Verabsäumung seiner selbst, und von dem, was in seiner Ge- walt ist, das Urtheil laßen. Es ist aber nicht selten einem fremder Hülfe Bedürf- tigen daran gelegen, daß er von dem, was er von einem andern bittet, gewiß sey. Derowegen kommt ihm selbst von Natur ein Recht zu, sich andere zu gewis- sen Gewährungen verbindlich zu machen,
so
)( )( 3
Vorrede.
uns mit den Pflichten gegen andere durch ein freundſchaftliches Liebesband ver- knuͤpfet, daß zu beyden einerley noth- wendige und an ſich unveraͤnderliche Ver- bindlichkeit iſt. Unterdeſſen da die Kraͤf- te des Menſchen nicht unerſchoͤpflich ſind, und deswegen nicht ohne Grund verſchwen- det werden muͤßen; ſo iſt man andern keine Pflichten mit der Hintanſetzung ſei- ner ſelbſt, und uͤberdem nicht mehr als in unſerer Gewalt ſtehet, endlich auch nicht denen, welche ſelbſt in ihrer Ge- walt haben, was ſie von andern verlan- gen, ſchuldig. Weil aber keinem Men- ſchen von Natur ein Recht uͤber die Hand- lungen eines andern zukommt; ſo muß man, wie dem um ſeines Mangels wil- len bittenden, alſo auch dem, der es lei- ſten ſoll, uͤber die Verabſaͤumung ſeiner ſelbſt, und von dem, was in ſeiner Ge- walt iſt, das Urtheil laßen. Es iſt aber nicht ſelten einem fremder Huͤlfe Beduͤrf- tigen daran gelegen, daß er von dem, was er von einem andern bittet, gewiß ſey. Derowegen kommt ihm ſelbſt von Natur ein Recht zu, ſich andere zu gewiſ- ſen Gewaͤhrungen verbindlich zu machen,
ſo
)( )( 3
<TEI><text><front><divtype="preface"><p><pbfacs="#f0025"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/>
uns mit den Pflichten gegen andere durch<lb/>
ein freundſchaftliches Liebesband ver-<lb/>
knuͤpfet, daß zu beyden einerley noth-<lb/>
wendige und an ſich unveraͤnderliche Ver-<lb/>
bindlichkeit iſt. Unterdeſſen da die Kraͤf-<lb/>
te des Menſchen nicht unerſchoͤpflich ſind,<lb/>
und deswegen nicht ohne Grund verſchwen-<lb/>
det werden muͤßen; ſo iſt man andern<lb/>
keine Pflichten mit der Hintanſetzung ſei-<lb/>
ner ſelbſt, und uͤberdem nicht mehr als<lb/>
in unſerer Gewalt ſtehet, endlich auch<lb/>
nicht denen, welche ſelbſt in ihrer Ge-<lb/>
walt haben, was ſie von andern verlan-<lb/>
gen, ſchuldig. Weil aber keinem Men-<lb/>ſchen von Natur ein Recht uͤber die Hand-<lb/>
lungen eines andern zukommt; ſo muß<lb/>
man, wie dem um ſeines Mangels wil-<lb/>
len bittenden, alſo auch dem, der es lei-<lb/>ſten ſoll, uͤber die Verabſaͤumung ſeiner<lb/>ſelbſt, und von dem, was in ſeiner Ge-<lb/>
walt iſt, das Urtheil laßen. Es iſt aber<lb/>
nicht ſelten einem fremder Huͤlfe Beduͤrf-<lb/>
tigen daran gelegen, daß er von dem,<lb/>
was er von einem andern bittet, gewiß<lb/>ſey. Derowegen kommt ihm ſelbſt von<lb/>
Natur ein Recht zu, ſich andere zu gewiſ-<lb/>ſen Gewaͤhrungen verbindlich zu machen,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">)( )( 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">ſo</fw><lb/></p></div></front></text></TEI>
[0025]
Vorrede.
uns mit den Pflichten gegen andere durch
ein freundſchaftliches Liebesband ver-
knuͤpfet, daß zu beyden einerley noth-
wendige und an ſich unveraͤnderliche Ver-
bindlichkeit iſt. Unterdeſſen da die Kraͤf-
te des Menſchen nicht unerſchoͤpflich ſind,
und deswegen nicht ohne Grund verſchwen-
det werden muͤßen; ſo iſt man andern
keine Pflichten mit der Hintanſetzung ſei-
ner ſelbſt, und uͤberdem nicht mehr als
in unſerer Gewalt ſtehet, endlich auch
nicht denen, welche ſelbſt in ihrer Ge-
walt haben, was ſie von andern verlan-
gen, ſchuldig. Weil aber keinem Men-
ſchen von Natur ein Recht uͤber die Hand-
lungen eines andern zukommt; ſo muß
man, wie dem um ſeines Mangels wil-
len bittenden, alſo auch dem, der es lei-
ſten ſoll, uͤber die Verabſaͤumung ſeiner
ſelbſt, und von dem, was in ſeiner Ge-
walt iſt, das Urtheil laßen. Es iſt aber
nicht ſelten einem fremder Huͤlfe Beduͤrf-
tigen daran gelegen, daß er von dem,
was er von einem andern bittet, gewiß
ſey. Derowegen kommt ihm ſelbſt von
Natur ein Recht zu, ſich andere zu gewiſ-
ſen Gewaͤhrungen verbindlich zu machen,
ſo
)( )( 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/25>, abgerufen am 17.04.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.