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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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Vorrede.
möge der Natur überhaupt bestimmet ist
das Gute zu begehren und das Böse zu
verabscheuen; so ist die innere Güte ein
Bewegungsgrund gewisse Handlungen
auszuüben, und die innerliche Häßlichkeit
ein Bewegungsgrund gewisse Handlun-
gen zu unterlaßen. Daraus erzeuget sich
nun die natürliche Verbindlichkeit; und
die Lenckung der Handlungen, wovon ich
geredet habe, nimmt die Gestalt eines
Gesetzes an, so von der Natur selbst ge-
geben worden. Damit aber dieser Ver-
bindlichkeit Genüge geschehen möge, so
muß auch den Menschen ein Vermögen
beygeleget seyn dasjenige zu thun, ohne
welches kein Genüge geleistet werden
kann; und also entsteht aus jener, als
aus einer Quelle, ein Recht so wol
zum Gebrauch der Sachen, als auch zu
gewissen Handlungen. Es befinden sich
aber die Menschen von der Natur, daß
sie bloß mit vereinigten Kräften und mit
einer wechselsweise einander geleisteten
Hülfe auf diese Vollkommenheit los ge-
hen können, welches die eintzige Quelle
der Glückseeligkeit ist. Und derowegen
hat die Natur selbst die Pflichten gegen

uns

Vorrede.
moͤge der Natur uͤberhaupt beſtimmet iſt
das Gute zu begehren und das Boͤſe zu
verabſcheuen; ſo iſt die innere Guͤte ein
Bewegungsgrund gewiſſe Handlungen
auszuuͤben, und die innerliche Haͤßlichkeit
ein Bewegungsgrund gewiſſe Handlun-
gen zu unterlaßen. Daraus erzeuget ſich
nun die natuͤrliche Verbindlichkeit; und
die Lenckung der Handlungen, wovon ich
geredet habe, nimmt die Geſtalt eines
Geſetzes an, ſo von der Natur ſelbſt ge-
geben worden. Damit aber dieſer Ver-
bindlichkeit Genuͤge geſchehen moͤge, ſo
muß auch den Menſchen ein Vermoͤgen
beygeleget ſeyn dasjenige zu thun, ohne
welches kein Genuͤge geleiſtet werden
kann; und alſo entſteht aus jener, als
aus einer Quelle, ein Recht ſo wol
zum Gebrauch der Sachen, als auch zu
gewiſſen Handlungen. Es befinden ſich
aber die Menſchen von der Natur, daß
ſie bloß mit vereinigten Kraͤften und mit
einer wechſelsweiſe einander geleiſteten
Huͤlfe auf dieſe Vollkommenheit los ge-
hen koͤnnen, welches die eintzige Quelle
der Gluͤckſeeligkeit iſt. Und derowegen
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[0024] Vorrede. moͤge der Natur uͤberhaupt beſtimmet iſt das Gute zu begehren und das Boͤſe zu verabſcheuen; ſo iſt die innere Guͤte ein Bewegungsgrund gewiſſe Handlungen auszuuͤben, und die innerliche Haͤßlichkeit ein Bewegungsgrund gewiſſe Handlun- gen zu unterlaßen. Daraus erzeuget ſich nun die natuͤrliche Verbindlichkeit; und die Lenckung der Handlungen, wovon ich geredet habe, nimmt die Geſtalt eines Geſetzes an, ſo von der Natur ſelbſt ge- geben worden. Damit aber dieſer Ver- bindlichkeit Genuͤge geſchehen moͤge, ſo muß auch den Menſchen ein Vermoͤgen beygeleget ſeyn dasjenige zu thun, ohne welches kein Genuͤge geleiſtet werden kann; und alſo entſteht aus jener, als aus einer Quelle, ein Recht ſo wol zum Gebrauch der Sachen, als auch zu gewiſſen Handlungen. Es befinden ſich aber die Menſchen von der Natur, daß ſie bloß mit vereinigten Kraͤften und mit einer wechſelsweiſe einander geleiſteten Huͤlfe auf dieſe Vollkommenheit los ge- hen koͤnnen, welches die eintzige Quelle der Gluͤckſeeligkeit iſt. Und derowegen hat die Natur ſelbſt die Pflichten gegen uns

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/24>, abgerufen am 25.04.2024.