Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. 1. Von den Gesellschaften
werden, daß man darinnen dieselben errei-
chen kan.

Welche
Gesell-
schaften
recht und
unrecht
sind.
§. 5.

Da eine jede Gesellschaft ein Ver-
trag ist (§. 2), kein Vertrag aber recht ist,
darinnen entweder von beyden Seiten, o-
der nur von einer solche Dinge versprochen
werden, die dem Gesetze der Natur zuwie-
der lauffen (§. 1010 Mor.); so kan auch kei-
ne Gesellschaft recht seyn, die etwas zu ih-
rer Absicht hat, was dem Gesetze der Na-
tur zuwieder ist, oder da von einer oder
beyden Seiten etwas versprochen wird, was
ihm zuwiederläufft; hingegen sind alle Ge-
sellschaften dem Gesetze der Natur gemäß,
wenn beyderseits nichts versprochen wird,
als was demselben gemäß ist.

Eine Ge-
sellschaft
stellet ei-
ne Person
vor/ und
was dar-
aus er-
folget.
§. 6.

Weil in einer Gesellschaft zwey
oder mehrere Personen mit einander eines
werden mit vereinigten Kräften ihr Bestes
worinnen zu befördern (§. 2); so sind sie in
diesem Stücke nicht anders anzusehen als
eine Person, und haben demnach ein gemein-
schaftliches Jnteresse: folgends ist es der Na-
tur einer Gesellschaft zuwieder, wenn man
das Jnteresse des einen dem Jnteresse des
andern, oder (welches gleichviel ist) die Wol-
fahrt des einen der Wohlfahrt des andern
entgegen setzen will. Und erhellet hieraus
ferner, daß es unrecht sey, wenn einer in
der Gesellschaft seine Wohlfahrt mit Hint-

an-

Cap. 1. Von den Geſellſchaften
werden, daß man darinnen dieſelben errei-
chen kan.

Welche
Geſell-
ſchaften
recht und
unrecht
ſind.
§. 5.

Da eine jede Geſellſchaft ein Ver-
trag iſt (§. 2), kein Vertrag aber recht iſt,
darinnen entweder von beyden Seiten, o-
der nur von einer ſolche Dinge verſprochen
werden, die dem Geſetze der Natur zuwie-
der lauffen (§. 1010 Mor.); ſo kan auch kei-
ne Geſellſchaft recht ſeyn, die etwas zu ih-
rer Abſicht hat, was dem Geſetze der Na-
tur zuwieder iſt, oder da von einer oder
beyden Seiten etwas verſprochen wird, was
ihm zuwiederlaͤufft; hingegen ſind alle Ge-
ſellſchaften dem Geſetze der Natur gemaͤß,
wenn beyderſeits nichts verſprochen wird,
als was demſelben gemaͤß iſt.

Eine Ge-
ſellſchaft
ſtellet ei-
ne Peꝛſon
vor/ und
was dar-
aus er-
folget.
§. 6.

Weil in einer Geſellſchaft zwey
oder mehrere Perſonen mit einander eines
werden mit vereinigten Kraͤften ihr Beſtes
worinnen zu befoͤrdern (§. 2); ſo ſind ſie in
dieſem Stuͤcke nicht anders anzuſehen als
eine Perſon, und haben demnach ein gemein-
ſchaftliches Jntereſſe: folgends iſt es der Na-
tur einer Geſellſchaft zuwieder, wenn man
das Jntereſſe des einen dem Jntereſſe des
andern, oder (welches gleichviel iſt) die Wol-
fahrt des einen der Wohlfahrt des andern
entgegen ſetzen will. Und erhellet hieraus
ferner, daß es unrecht ſey, wenn einer in
der Geſellſchaft ſeine Wohlfahrt mit Hint-

an-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0022" n="4"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 1. Von den Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften</hi></fw><lb/>
werden, daß man darinnen die&#x017F;elben errei-<lb/>
chen kan.</p><lb/>
              <note place="left">Welche<lb/>
Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaften<lb/>
recht und<lb/>
unrecht<lb/>
&#x017F;ind.</note>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 5.</head>
              <p>Da eine jede Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft ein Ver-<lb/>
trag i&#x017F;t (§. 2), kein Vertrag aber recht i&#x017F;t,<lb/>
darinnen entweder von beyden Seiten, o-<lb/>
der nur von einer &#x017F;olche Dinge ver&#x017F;prochen<lb/>
werden, die dem Ge&#x017F;etze der Natur zuwie-<lb/>
der lauffen (§. 1010 <hi rendition="#aq">Mor.</hi>); &#x017F;o kan auch kei-<lb/>
ne Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft recht &#x017F;eyn, die etwas zu ih-<lb/>
rer Ab&#x017F;icht hat, was dem Ge&#x017F;etze der Na-<lb/>
tur zuwieder i&#x017F;t, oder da von einer oder<lb/>
beyden Seiten etwas ver&#x017F;prochen wird, was<lb/>
ihm zuwiederla&#x0364;ufft; hingegen &#x017F;ind alle Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaften dem Ge&#x017F;etze der Natur gema&#x0364;ß,<lb/>
wenn beyder&#x017F;eits nichts ver&#x017F;prochen wird,<lb/>
als was dem&#x017F;elben gema&#x0364;ß i&#x017F;t.</p><lb/>
              <note place="left">Eine Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
&#x017F;tellet ei-<lb/>
ne Pe&#xA75B;&#x017F;on<lb/>
vor/ und<lb/>
was dar-<lb/>
aus er-<lb/>
folget.</note>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 6.</head>
              <p>Weil in einer Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft zwey<lb/>
oder mehrere Per&#x017F;onen mit einander eines<lb/>
werden mit vereinigten Kra&#x0364;ften ihr Be&#x017F;tes<lb/>
worinnen zu befo&#x0364;rdern (§. 2); &#x017F;o &#x017F;ind &#x017F;ie in<lb/>
die&#x017F;em Stu&#x0364;cke nicht anders anzu&#x017F;ehen als<lb/>
eine Per&#x017F;on, und haben demnach ein gemein-<lb/>
&#x017F;chaftliches Jntere&#x017F;&#x017F;e: folgends i&#x017F;t es der Na-<lb/>
tur einer Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft zuwieder, wenn man<lb/>
das Jntere&#x017F;&#x017F;e des einen dem Jntere&#x017F;&#x017F;e des<lb/>
andern, oder (welches gleichviel i&#x017F;t) die Wol-<lb/>
fahrt des einen der Wohlfahrt des andern<lb/>
entgegen &#x017F;etzen will. Und erhellet hieraus<lb/>
ferner, daß es unrecht &#x017F;ey, wenn einer in<lb/>
der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft &#x017F;eine Wohlfahrt mit Hint-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">an-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[4/0022] Cap. 1. Von den Geſellſchaften werden, daß man darinnen dieſelben errei- chen kan. §. 5.Da eine jede Geſellſchaft ein Ver- trag iſt (§. 2), kein Vertrag aber recht iſt, darinnen entweder von beyden Seiten, o- der nur von einer ſolche Dinge verſprochen werden, die dem Geſetze der Natur zuwie- der lauffen (§. 1010 Mor.); ſo kan auch kei- ne Geſellſchaft recht ſeyn, die etwas zu ih- rer Abſicht hat, was dem Geſetze der Na- tur zuwieder iſt, oder da von einer oder beyden Seiten etwas verſprochen wird, was ihm zuwiederlaͤufft; hingegen ſind alle Ge- ſellſchaften dem Geſetze der Natur gemaͤß, wenn beyderſeits nichts verſprochen wird, als was demſelben gemaͤß iſt. §. 6.Weil in einer Geſellſchaft zwey oder mehrere Perſonen mit einander eines werden mit vereinigten Kraͤften ihr Beſtes worinnen zu befoͤrdern (§. 2); ſo ſind ſie in dieſem Stuͤcke nicht anders anzuſehen als eine Perſon, und haben demnach ein gemein- ſchaftliches Jntereſſe: folgends iſt es der Na- tur einer Geſellſchaft zuwieder, wenn man das Jntereſſe des einen dem Jntereſſe des andern, oder (welches gleichviel iſt) die Wol- fahrt des einen der Wohlfahrt des andern entgegen ſetzen will. Und erhellet hieraus ferner, daß es unrecht ſey, wenn einer in der Geſellſchaft ſeine Wohlfahrt mit Hint- an-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/22
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/22>, abgerufen am 24.04.2024.