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Wolff, Sabattia Joseph: Ausverkauf meiner schriftstellerischen Arbeiten. Berlin, 1824.

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daß er ihn für sehr bedeutend krank halte. Jch
werde ihnen noch etwas anderes verschreiben, fügte
er hinzu; es ist zwar eine sehr theure Medizin, in-
dessen kann sie vielleicht doch noch helfen! -- Er
verschrieb sie, und gab das Recept dem Diener,
um es sogleich machen zu lassen. Der Kranke aber
gab in demselben Nu dem Diener einen Wink, und
zeigte ihm pantomimisch, damit es der Arzt nicht
merke, daß er nur die Hälfte bestellen solle.

Die Kunstreise.

Ein als Witzling bekannter, alter polnischer
Jude, der ehedem alle Messen bezog, entschloß sich,
da es keine Geschäfte für ihn mehr auf der Messe
gab, eine Reise nach Deutschland zu machen, um
seine Verwandten aufzusuchen, und ihre Hülfe in
Anspruch zu nehmen. Ein Kaufmann, der ihn
kannte, traf denselben in Berlin, und befragte ihn
um die Ursache seiner Reise in seinem hohen Alter.
Jch mache eine Kunstreise war die Antwort. --
Eine Kunstreise? Was soll das heißen? Sie wa-
ren ja, so viel ich weiß, nie Künstler. -- Ganz
recht, erwiederte der Jude, eben das ist aber die
Kunst. Sehen Sie, ich bin aus meiner Heimath,
180 Meilen von hier, mit 4 polnischen Gulden ab-
gereist, bin hier bereits vier Wochen, und werde

von



daß er ihn für ſehr bedeutend krank halte. Jch
werde ihnen noch etwas anderes verſchreiben, fügte
er hinzu; es iſt zwar eine ſehr theure Medizin, in-
deſſen kann ſie vielleicht doch noch helfen! — Er
verſchrieb ſie, und gab das Recept dem Diener,
um es ſogleich machen zu laſſen. Der Kranke aber
gab in demſelben Nu dem Diener einen Wink, und
zeigte ihm pantomimiſch, damit es der Arzt nicht
merke, daß er nur die Hälfte beſtellen ſolle.

Die Kunſtreiſe.

Ein als Witzling bekannter, alter polniſcher
Jude, der ehedem alle Meſſen bezog, entſchloß ſich,
da es keine Geſchäfte für ihn mehr auf der Meſſe
gab, eine Reiſe nach Deutſchland zu machen, um
ſeine Verwandten aufzuſuchen, und ihre Hülfe in
Anſpruch zu nehmen. Ein Kaufmann, der ihn
kannte, traf denſelben in Berlin, und befragte ihn
um die Urſache ſeiner Reiſe in ſeinem hohen Alter.
Jch mache eine Kunſtreiſe war die Antwort. —
Eine Kunſtreiſe? Was ſoll das heißen? Sie wa-
ren ja, ſo viel ich weiß, nie Künſtler. — Ganz
recht, erwiederte der Jude, eben das iſt aber die
Kunſt. Sehen Sie, ich bin aus meiner Heimath,
180 Meilen von hier, mit 4 polniſchen Gulden ab-
gereiſt, bin hier bereits vier Wochen, und werde

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[16/0032] daß er ihn für ſehr bedeutend krank halte. Jch werde ihnen noch etwas anderes verſchreiben, fügte er hinzu; es iſt zwar eine ſehr theure Medizin, in- deſſen kann ſie vielleicht doch noch helfen! — Er verſchrieb ſie, und gab das Recept dem Diener, um es ſogleich machen zu laſſen. Der Kranke aber gab in demſelben Nu dem Diener einen Wink, und zeigte ihm pantomimiſch, damit es der Arzt nicht merke, daß er nur die Hälfte beſtellen ſolle. Die Kunſtreiſe. Ein als Witzling bekannter, alter polniſcher Jude, der ehedem alle Meſſen bezog, entſchloß ſich, da es keine Geſchäfte für ihn mehr auf der Meſſe gab, eine Reiſe nach Deutſchland zu machen, um ſeine Verwandten aufzuſuchen, und ihre Hülfe in Anſpruch zu nehmen. Ein Kaufmann, der ihn kannte, traf denſelben in Berlin, und befragte ihn um die Urſache ſeiner Reiſe in ſeinem hohen Alter. Jch mache eine Kunſtreiſe war die Antwort. — Eine Kunſtreiſe? Was ſoll das heißen? Sie wa- ren ja, ſo viel ich weiß, nie Künſtler. — Ganz recht, erwiederte der Jude, eben das iſt aber die Kunſt. Sehen Sie, ich bin aus meiner Heimath, 180 Meilen von hier, mit 4 polniſchen Gulden ab- gereiſt, bin hier bereits vier Wochen, und werde von

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Zitationshilfe: Wolff, Sabattia Joseph: Ausverkauf meiner schriftstellerischen Arbeiten. Berlin, 1824, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_ausverkauf_1824/32>, abgerufen am 20.04.2024.