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Wolf, August: Der Stern der Schönheit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 303–322. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Fernando, daß ich noch dreimal daran ging, den Stern der Schönheit zu schreiben, und daß ich jeden Versuch wieder verbrannte, daß das letzte Opfer dieser Art erst vor zwei Jahren gebracht wurde, und daß es mir bei allen meinen Stücken eigentlich im Hintergrunde lag: das sind nur Vorarbeiten zum Stern der Schönheit, zu dem eigentlichen Werk. Ich habe jenes Buch nie wieder zu Gesicht bekommen, und es blieb gewissermaßen meine Lebensaufgabe, die ich noch nicht erfüllt, den Stern der Schönheit zu schreiben.

Ja wohl, sagte Fernando ernst, das hat allerdings Aehnlichkeit mit meiner Empfindung, die mich nicht zum Schreiben kommen läßt. -- Aber mein Gott, wie ist mir denn, rief er plötzlich, der Stern der Schönheit oder die Prinzessin von Granada? mir dämmert Etwas in der Erinnerung auf; ja wohl, ja wohl, ich kenne das Stück --

Du kennst es, fiel Lope ein und ergriff seinen Arm so heftig, daß er durch diese Bewegung den Wein aus Fernando's Glase verschüttete, du kennst es? Rede!

Ja, ich erinnere mich jetzt ganz genau, ich kenne es, ich habe es vor Jahren einmal gelesen.

Aber wo, aber wo? fragte Lope.

Es ist die jämmerlichste alte Scharteke, die mir vorgekommen, eines der schwächsten, elendesten Machwerke; deshalb hatt' ich es auch so ganz vergessen, und erst am Ende fiel mir ein, daß ich es einmal gelesen.

O scherze nicht! sagte Lope ganz ernst.

Fernando, daß ich noch dreimal daran ging, den Stern der Schönheit zu schreiben, und daß ich jeden Versuch wieder verbrannte, daß das letzte Opfer dieser Art erst vor zwei Jahren gebracht wurde, und daß es mir bei allen meinen Stücken eigentlich im Hintergrunde lag: das sind nur Vorarbeiten zum Stern der Schönheit, zu dem eigentlichen Werk. Ich habe jenes Buch nie wieder zu Gesicht bekommen, und es blieb gewissermaßen meine Lebensaufgabe, die ich noch nicht erfüllt, den Stern der Schönheit zu schreiben.

Ja wohl, sagte Fernando ernst, das hat allerdings Aehnlichkeit mit meiner Empfindung, die mich nicht zum Schreiben kommen läßt. — Aber mein Gott, wie ist mir denn, rief er plötzlich, der Stern der Schönheit oder die Prinzessin von Granada? mir dämmert Etwas in der Erinnerung auf; ja wohl, ja wohl, ich kenne das Stück —

Du kennst es, fiel Lope ein und ergriff seinen Arm so heftig, daß er durch diese Bewegung den Wein aus Fernando's Glase verschüttete, du kennst es? Rede!

Ja, ich erinnere mich jetzt ganz genau, ich kenne es, ich habe es vor Jahren einmal gelesen.

Aber wo, aber wo? fragte Lope.

Es ist die jämmerlichste alte Scharteke, die mir vorgekommen, eines der schwächsten, elendesten Machwerke; deshalb hatt' ich es auch so ganz vergessen, und erst am Ende fiel mir ein, daß ich es einmal gelesen.

O scherze nicht! sagte Lope ganz ernst.

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[0021] Fernando, daß ich noch dreimal daran ging, den Stern der Schönheit zu schreiben, und daß ich jeden Versuch wieder verbrannte, daß das letzte Opfer dieser Art erst vor zwei Jahren gebracht wurde, und daß es mir bei allen meinen Stücken eigentlich im Hintergrunde lag: das sind nur Vorarbeiten zum Stern der Schönheit, zu dem eigentlichen Werk. Ich habe jenes Buch nie wieder zu Gesicht bekommen, und es blieb gewissermaßen meine Lebensaufgabe, die ich noch nicht erfüllt, den Stern der Schönheit zu schreiben. Ja wohl, sagte Fernando ernst, das hat allerdings Aehnlichkeit mit meiner Empfindung, die mich nicht zum Schreiben kommen läßt. — Aber mein Gott, wie ist mir denn, rief er plötzlich, der Stern der Schönheit oder die Prinzessin von Granada? mir dämmert Etwas in der Erinnerung auf; ja wohl, ja wohl, ich kenne das Stück — Du kennst es, fiel Lope ein und ergriff seinen Arm so heftig, daß er durch diese Bewegung den Wein aus Fernando's Glase verschüttete, du kennst es? Rede! Ja, ich erinnere mich jetzt ganz genau, ich kenne es, ich habe es vor Jahren einmal gelesen. Aber wo, aber wo? fragte Lope. Es ist die jämmerlichste alte Scharteke, die mir vorgekommen, eines der schwächsten, elendesten Machwerke; deshalb hatt' ich es auch so ganz vergessen, und erst am Ende fiel mir ein, daß ich es einmal gelesen. O scherze nicht! sagte Lope ganz ernst.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:44:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:44:15Z)

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Zitationshilfe: Wolf, August: Der Stern der Schönheit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 303–322. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolf_schoenheit_1910/21>, abgerufen am 25.04.2024.