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Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Adolf Wilbrandt wurde am 24. August 1837 in Rostock geboren, wo sein Vater, ein angesehener Philologe und Professor am Gymnasium, um seiner charaktervollen politischen Haltung willen jahrelanger Verfolgung von Seiten der Reaction ausgesetzt war. Der Sohn, das dritte von zehn Geschwistern, studirte in Rostock, Berlin und München Jurisprudenz, Philosophie und Geschichte, war von 1859 bis 1861 als Karl Brater's Mitredacteur an der Süddeutschen Zeitung thätig und ging, nachdem er ein treffliches Buch über Heinrich von Kleist und einen etwas jugendlich überschwänglichen Roman geschrieben hatte, auf ein Jahr nach Italien. Die erste größere literarische Arbeit, die den nach München Zurückgekehrten beschäftigte, war eine mit Rücksicht auf die moderne Bühne unternommene Uebersetzung der Hauptwerke des Sophokles und Euripides in fünffüßigen Jamben und mit Auflösung der Chorgesänge in die Handlung und den Dialog (2 Bände, Nördlingen, C. H. Beck), ein Versuch, der sich bereits mehrfach in höchst wirksamen Aufführungen bewährt hat. In die nächstfolgenden Jahre fallen seine Novellen (2 Bände, Berlin, W. Hertz 1869 und 70), sein Antheil an der neuen, bei Brockhaus erschienenen Shakespeare-Uebersetzung (Coriolan und Viel Lärmen um Nichts), endlich seine Lustspiele "Unerreichbar," "Jugendliebe," "die Vermählten," "die Wahrheit lügt," "die Maler," ein Schauspiel "der Graf von Hammerstein" und ein Trauerspiel "Gracchus der Volkstribun." Seit Kurzem ist A. W. nach Wien übergesiedelt.

Ein Talent zu charakterisiren, das sein letztes Wort noch nicht gesprochen hat, vielmehr mitten im reichsten Schaffen und immer neuen Entfaltungen begriffen ist, würde so schwierig als voreilig sein. Und vielleicht scheint es auch verfrüht, unter Wilbrandt's Novellen schon jetzt diejenige auszuwählen, die ihn als Erzähler von seiner eigenthühmlichsten Seite zu zeigen vermöchte. Obwohl er sich, durch vorwiegende Begabung und das

Adolf Wilbrandt wurde am 24. August 1837 in Rostock geboren, wo sein Vater, ein angesehener Philologe und Professor am Gymnasium, um seiner charaktervollen politischen Haltung willen jahrelanger Verfolgung von Seiten der Reaction ausgesetzt war. Der Sohn, das dritte von zehn Geschwistern, studirte in Rostock, Berlin und München Jurisprudenz, Philosophie und Geschichte, war von 1859 bis 1861 als Karl Brater's Mitredacteur an der Süddeutschen Zeitung thätig und ging, nachdem er ein treffliches Buch über Heinrich von Kleist und einen etwas jugendlich überschwänglichen Roman geschrieben hatte, auf ein Jahr nach Italien. Die erste größere literarische Arbeit, die den nach München Zurückgekehrten beschäftigte, war eine mit Rücksicht auf die moderne Bühne unternommene Uebersetzung der Hauptwerke des Sophokles und Euripides in fünffüßigen Jamben und mit Auflösung der Chorgesänge in die Handlung und den Dialog (2 Bände, Nördlingen, C. H. Beck), ein Versuch, der sich bereits mehrfach in höchst wirksamen Aufführungen bewährt hat. In die nächstfolgenden Jahre fallen seine Novellen (2 Bände, Berlin, W. Hertz 1869 und 70), sein Antheil an der neuen, bei Brockhaus erschienenen Shakespeare-Uebersetzung (Coriolan und Viel Lärmen um Nichts), endlich seine Lustspiele „Unerreichbar,“ „Jugendliebe,“ „die Vermählten,“ „die Wahrheit lügt,“ „die Maler,“ ein Schauspiel „der Graf von Hammerstein“ und ein Trauerspiel „Gracchus der Volkstribun.“ Seit Kurzem ist A. W. nach Wien übergesiedelt.

Ein Talent zu charakterisiren, das sein letztes Wort noch nicht gesprochen hat, vielmehr mitten im reichsten Schaffen und immer neuen Entfaltungen begriffen ist, würde so schwierig als voreilig sein. Und vielleicht scheint es auch verfrüht, unter Wilbrandt's Novellen schon jetzt diejenige auszuwählen, die ihn als Erzähler von seiner eigenthühmlichsten Seite zu zeigen vermöchte. Obwohl er sich, durch vorwiegende Begabung und das

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:21:33Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilbrandt_ohlerich_1910/5>, abgerufen am 28.03.2024.