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Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Wänden wollen wir weiter reden; komm nach Haus, Liesbeth! dahin, wo du hingehörst!

Hast du weiter nichts zu sagen? antwortete sie kalt.

Nein! -- Nur daß ich wieder da bin, und daß wir nach Hause gehen!

Du vielleicht; ich nicht. Ich bleibe hier -- und sie sah nach der Hofthür zurück, in der mittlerweile die kleine, aufgeregte Gestalt ihrer Mutter erschienen war -- bis du zur Vernunft kommst und ich zu meinem Recht.

Du gehst mit mir, Liesbeth!

Sie schüttelte nur den Kopf. Johann Ohlerich schien sie bei der Hand ergreifen zu wollen; aber ihr leidenschaftlicher Blick verwirrte ihn. Er bewegte die Lippen, doch ohne etwas zu sagen. Seine Augen sahen umher, als suchte er seinen Hut. Endlich entsann er sich, daß er ihn vorhin hatte fallen lassen. Er ging an den Apfelbaum, hob ihn dort auf, und ohne sein Weib oder den Andern noch anzusehen, schritt er den Garten hinunter, öffnete die Thür, die nach den Wiesen hinausführte. Man konnte seine dumpfen Tritte noch hallen hören, als er hinter den Nachbargärten schon verschwunden war.

Liesbeth! rief die Mutter jetzt von der Hofthür her. Die junge Frau horchte auf, warf einen Blick über Julius hin, der ihn nicht zu bemerken schien, und griff mechanisch nach der Schüssel auf ihrem Stuhl. Dann lief es ihr roth über das Gesicht, und sie ging davon. Die vier Pantoffeln klapperten über den Hof. Julius verfolgte den Ton noch eine Weile, endlich sah er tiefathmend auf und sah sich im Garten allein.

II.

Es ist ohne Zweifel ein sonderbares Gefühl, zum ersten Mal in seinem Leben durch seine Persönlichkeit ein eheliches Unglück angerichtet zu haben; doch ein nicht minder sonderbares,

Wänden wollen wir weiter reden; komm nach Haus, Liesbeth! dahin, wo du hingehörst!

Hast du weiter nichts zu sagen? antwortete sie kalt.

Nein! — Nur daß ich wieder da bin, und daß wir nach Hause gehen!

Du vielleicht; ich nicht. Ich bleibe hier — und sie sah nach der Hofthür zurück, in der mittlerweile die kleine, aufgeregte Gestalt ihrer Mutter erschienen war — bis du zur Vernunft kommst und ich zu meinem Recht.

Du gehst mit mir, Liesbeth!

Sie schüttelte nur den Kopf. Johann Ohlerich schien sie bei der Hand ergreifen zu wollen; aber ihr leidenschaftlicher Blick verwirrte ihn. Er bewegte die Lippen, doch ohne etwas zu sagen. Seine Augen sahen umher, als suchte er seinen Hut. Endlich entsann er sich, daß er ihn vorhin hatte fallen lassen. Er ging an den Apfelbaum, hob ihn dort auf, und ohne sein Weib oder den Andern noch anzusehen, schritt er den Garten hinunter, öffnete die Thür, die nach den Wiesen hinausführte. Man konnte seine dumpfen Tritte noch hallen hören, als er hinter den Nachbargärten schon verschwunden war.

Liesbeth! rief die Mutter jetzt von der Hofthür her. Die junge Frau horchte auf, warf einen Blick über Julius hin, der ihn nicht zu bemerken schien, und griff mechanisch nach der Schüssel auf ihrem Stuhl. Dann lief es ihr roth über das Gesicht, und sie ging davon. Die vier Pantoffeln klapperten über den Hof. Julius verfolgte den Ton noch eine Weile, endlich sah er tiefathmend auf und sah sich im Garten allein.

II.

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:21:33Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:21:33Z)

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Zitationshilfe: Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilbrandt_ohlerich_1910/22>, abgerufen am 25.04.2024.