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Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Ohlerich! wiederholte sie. Der spielt nur schwarzen Peter oder armen Schäfer. Wenn der uns hier sähe, wie wir mit der Zeit umgehen!

Warum haben Sie ihn eigentlich geheirathet, Liesbeth? fragte er plötzlich und sah sie gleichsam vorwurfsvoll an.

Warum? -- -- Sie wußte nichts weiter zu erwidern, so sonderbar kam ihr die Frage vor. Julius legte seine Hand wie zufällig auf die ihre. Liesbeth! sagte er. Warum haben Sie nicht noch ein wenig gewartet, -- auf die paar Jahre kam's ja gar nicht an. Sie hätten noch keinen Jungen, das ist wahr; aber es wäre ja noch Zeit genug. Ich würde Sie heirathen, Liesbeth.

Sie stand auf und stellte die Schüssel mit den Bohnen auf ihren Stuhl. Einen Augenblick schien sie sich zu besinnen, wie sie darauf antworten sollte; dann machte sie ein schalkhaft ernstes, trockenes Gesicht. Das hab' ich nicht einmal gedacht, daß es Ihnen so ernst wäre! sagte sie. Dann hätt' ich natürlich gewartet, und wir könnten nun mit einander auf die Universitäten gehen und Collegi hören -- oder wie das Ding heißt. Ja, das ist nun vorbei! Ich hab' meinen Jungen, und meinen Mann noch dazu, und die Leute in Warnemünde sagen ja alle, ich wär' eine Steuermannsfrau.

Ich hätte Sie was lernen lassen und eine Frau Doctorin aus Ihnen gemacht! sagte er mit tragischem Humor. Sie sind ja viel zu gescheidt für eine Steuermannsfrau. Man muß sich schon Glück wünschen, wenn man sich neben Ihnen halten kann! -- Sie sah zu Boden und lächelte ein wenig. -- Und das Leben hier! Wenn Sie beim Sandholen so lange mit den nackten Füßen im Wasser herumwaten, so bekommen Sie Zahnschmerzen, wie neulich; Sie sind zu zart, Liesbeth. Mit dem Ballasttragen verderben Sie sich Ihre schöne Figur; von dem fürchterlichen Rudern werden Ihre Arme zu muskulös --

Und die Hand fest! fiel sie muthwillig ein und hob ihre rechte Hand, als schwenke sie den Pantoffel. Aber wo haben

Ohlerich! wiederholte sie. Der spielt nur schwarzen Peter oder armen Schäfer. Wenn der uns hier sähe, wie wir mit der Zeit umgehen!

Warum haben Sie ihn eigentlich geheirathet, Liesbeth? fragte er plötzlich und sah sie gleichsam vorwurfsvoll an.

Warum? — — Sie wußte nichts weiter zu erwidern, so sonderbar kam ihr die Frage vor. Julius legte seine Hand wie zufällig auf die ihre. Liesbeth! sagte er. Warum haben Sie nicht noch ein wenig gewartet, — auf die paar Jahre kam's ja gar nicht an. Sie hätten noch keinen Jungen, das ist wahr; aber es wäre ja noch Zeit genug. Ich würde Sie heirathen, Liesbeth.

Sie stand auf und stellte die Schüssel mit den Bohnen auf ihren Stuhl. Einen Augenblick schien sie sich zu besinnen, wie sie darauf antworten sollte; dann machte sie ein schalkhaft ernstes, trockenes Gesicht. Das hab' ich nicht einmal gedacht, daß es Ihnen so ernst wäre! sagte sie. Dann hätt' ich natürlich gewartet, und wir könnten nun mit einander auf die Universitäten gehen und Collegi hören — oder wie das Ding heißt. Ja, das ist nun vorbei! Ich hab' meinen Jungen, und meinen Mann noch dazu, und die Leute in Warnemünde sagen ja alle, ich wär' eine Steuermannsfrau.

Ich hätte Sie was lernen lassen und eine Frau Doctorin aus Ihnen gemacht! sagte er mit tragischem Humor. Sie sind ja viel zu gescheidt für eine Steuermannsfrau. Man muß sich schon Glück wünschen, wenn man sich neben Ihnen halten kann! — Sie sah zu Boden und lächelte ein wenig. — Und das Leben hier! Wenn Sie beim Sandholen so lange mit den nackten Füßen im Wasser herumwaten, so bekommen Sie Zahnschmerzen, wie neulich; Sie sind zu zart, Liesbeth. Mit dem Ballasttragen verderben Sie sich Ihre schöne Figur; von dem fürchterlichen Rudern werden Ihre Arme zu muskulös —

Und die Hand fest! fiel sie muthwillig ein und hob ihre rechte Hand, als schwenke sie den Pantoffel. Aber wo haben

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[0016] Ohlerich! wiederholte sie. Der spielt nur schwarzen Peter oder armen Schäfer. Wenn der uns hier sähe, wie wir mit der Zeit umgehen! Warum haben Sie ihn eigentlich geheirathet, Liesbeth? fragte er plötzlich und sah sie gleichsam vorwurfsvoll an. Warum? — — Sie wußte nichts weiter zu erwidern, so sonderbar kam ihr die Frage vor. Julius legte seine Hand wie zufällig auf die ihre. Liesbeth! sagte er. Warum haben Sie nicht noch ein wenig gewartet, — auf die paar Jahre kam's ja gar nicht an. Sie hätten noch keinen Jungen, das ist wahr; aber es wäre ja noch Zeit genug. Ich würde Sie heirathen, Liesbeth. Sie stand auf und stellte die Schüssel mit den Bohnen auf ihren Stuhl. Einen Augenblick schien sie sich zu besinnen, wie sie darauf antworten sollte; dann machte sie ein schalkhaft ernstes, trockenes Gesicht. Das hab' ich nicht einmal gedacht, daß es Ihnen so ernst wäre! sagte sie. Dann hätt' ich natürlich gewartet, und wir könnten nun mit einander auf die Universitäten gehen und Collegi hören — oder wie das Ding heißt. Ja, das ist nun vorbei! Ich hab' meinen Jungen, und meinen Mann noch dazu, und die Leute in Warnemünde sagen ja alle, ich wär' eine Steuermannsfrau. Ich hätte Sie was lernen lassen und eine Frau Doctorin aus Ihnen gemacht! sagte er mit tragischem Humor. Sie sind ja viel zu gescheidt für eine Steuermannsfrau. Man muß sich schon Glück wünschen, wenn man sich neben Ihnen halten kann! — Sie sah zu Boden und lächelte ein wenig. — Und das Leben hier! Wenn Sie beim Sandholen so lange mit den nackten Füßen im Wasser herumwaten, so bekommen Sie Zahnschmerzen, wie neulich; Sie sind zu zart, Liesbeth. Mit dem Ballasttragen verderben Sie sich Ihre schöne Figur; von dem fürchterlichen Rudern werden Ihre Arme zu muskulös — Und die Hand fest! fiel sie muthwillig ein und hob ihre rechte Hand, als schwenke sie den Pantoffel. Aber wo haben

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:21:33Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:21:33Z)

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Zitationshilfe: Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilbrandt_ohlerich_1910/16>, abgerufen am 18.04.2024.