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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.

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Die Herakleen. Kreophylos.

Das ist also unzweifelhaft, dass die Omphalesage in einem kreise
oetäischer sagen bereits fest war, als die willkür eines sehr erfolgreichen
dichters sie nach Lydien übertrug. dieser und sein publicum war dem
eigentlichen locale so fern, dass er die anderen sagen ruhig herüber
nehmen konnte, aber herausheben konnte er die einzelne sage nicht.
was sie so fest hielt, war die motivirung der dienstbarkeit durch den frevel
wider Iphitos Eurytos sohn, und damit hängt wieder die zerstörung
Oichalias zusammen. das ist nicht immer so gewesen. denn der kampf
des dorischen und des hellenischen bogenschützen ist keinesweges bloss
in diesem zusammenhang erzählt; die messenisch-arkadische localisirung
Oichalias schloss diese ganze verbindung aus, hat sogar die ermordung
des Iphitos schwerlich anerkannt, der in Elis ein mächtiger könig blieb 92).
es gibt ja auch mehrere begründungen für den zorn des Herakles gegen
Eurytos 93), auch für die dienstbarkeit bei Omphale 94), und gerade die ab-
weisung des Herakles als freier kehrt in einer anderen thessalischen sage
wieder 95). aber um so deutlicher wird nur, dass es ein ganz bestimmter
und planvoller zusammenhang ist, in welchem der frevel an Iphitos, die
knechtschaft bei dem weibe, und die liebe zu Iole, die ihrem ganzen hause
verhängnisvoll wird, vereinigt sind. auch dass Oichalia nach Euboia gerückt
ist, obwol es dort nie wirklich gelegen hat, in Thessalien nie ganz ver-
schwunden ist 96), erklärt sich am besten, wenn der dichter dem locale

92) Als solcher ist er freund des Odysseus und des Lykurgos und könig von
Elis; Eurytos aber ist als name für einen der Molionen verwandt worden.
93) Soph. Trach. 260. 353, der mit grosser feinheit die beiden widersprechenden
traditionen von Lichas erzählen lässt.
94) Dazu wird der kindermord gebraucht von Hygin fab. 32, und dasselbe ist
aus der ordnung der ereignisse auf der farnesischen tafel zu schliessen. es lag nahe
dies motiv, welches die dienstbarkeit bei Eurystheus zu motiviren pflegt, auf die
bei Omphale zu übertragen.
95) Apollodor II 7, 7 erzählt uns, dass Herakles den Amyntor von Ormenion
erschlägt, weil er ihm den durchzug weigert. in der parallelstelle, IV 37, hat Diodor
aus flüchtigkeit den namen des königs mit dem der stadt zusammengeworfen und
einen Ormenios erzeugt, den man beseitigen muss. aber die werbung um Astydameia,
Amyntors tochter, hat er erhalten. Her. erzeugt mit ihr Ktesippos, nach Apollodor
einen sohn der Deianeira. das bestreben alle andern söhne ausser Hyllos zu bastarden
zu machen, ist auch sonst öfter kenntlich: das sind adelsrancünen, wie bei den söhnen
Jakobs, die meist im einzelnen unkenntlich sind. sohn der Astydameia ist eigentlich
und war bei Hesiodos der Rhodier Tlepolemos, und zwar gab es auf Rhodos wirklich
ein geschlecht von Amyntoriden: so weist auch auf dieser insel einzelnes nach Thes-
salien neben Argos, ganz wie auf Kos und am Triopion. vgl. schol. Pindar. Ol. 7, 42.
96) Das hat endgiltig der wichtige stein von Hypata gelehrt, Athen. Mitteil. IV 216.
Die Herakleen. Kreophylos.

Das ist also unzweifelhaft, daſs die Omphalesage in einem kreise
oetäischer sagen bereits fest war, als die willkür eines sehr erfolgreichen
dichters sie nach Lydien übertrug. dieser und sein publicum war dem
eigentlichen locale so fern, daſs er die anderen sagen ruhig herüber
nehmen konnte, aber herausheben konnte er die einzelne sage nicht.
was sie so fest hielt, war die motivirung der dienstbarkeit durch den frevel
wider Iphitos Eurytos sohn, und damit hängt wieder die zerstörung
Oichalias zusammen. das ist nicht immer so gewesen. denn der kampf
des dorischen und des hellenischen bogenschützen ist keinesweges bloſs
in diesem zusammenhang erzählt; die messenisch-arkadische localisirung
Oichalias schloſs diese ganze verbindung aus, hat sogar die ermordung
des Iphitos schwerlich anerkannt, der in Elis ein mächtiger könig blieb 92).
es gibt ja auch mehrere begründungen für den zorn des Herakles gegen
Eurytos 93), auch für die dienstbarkeit bei Omphale 94), und gerade die ab-
weisung des Herakles als freier kehrt in einer anderen thessalischen sage
wieder 95). aber um so deutlicher wird nur, daſs es ein ganz bestimmter
und planvoller zusammenhang ist, in welchem der frevel an Iphitos, die
knechtschaft bei dem weibe, und die liebe zu Iole, die ihrem ganzen hause
verhängnisvoll wird, vereinigt sind. auch daſs Oichalia nach Euboia gerückt
ist, obwol es dort nie wirklich gelegen hat, in Thessalien nie ganz ver-
schwunden ist 96), erklärt sich am besten, wenn der dichter dem locale

92) Als solcher ist er freund des Odysseus und des Lykurgos und könig von
Elis; Eurytos aber ist als name für einen der Molionen verwandt worden.
93) Soph. Trach. 260. 353, der mit groſser feinheit die beiden widersprechenden
traditionen von Lichas erzählen läſst.
94) Dazu wird der kindermord gebraucht von Hygin fab. 32, und dasselbe ist
aus der ordnung der ereignisse auf der farnesischen tafel zu schlieſsen. es lag nahe
dies motiv, welches die dienstbarkeit bei Eurystheus zu motiviren pflegt, auf die
bei Omphale zu übertragen.
95) Apollodor II 7, 7 erzählt uns, daſs Herakles den Amyntor von Ormenion
erschlägt, weil er ihm den durchzug weigert. in der parallelstelle, IV 37, hat Diodor
aus flüchtigkeit den namen des königs mit dem der stadt zusammengeworfen und
einen Ὀρμένιος erzeugt, den man beseitigen muſs. aber die werbung um Astydameia,
Amyntors tochter, hat er erhalten. Her. erzeugt mit ihr Ktesippos, nach Apollodor
einen sohn der Deianeira. das bestreben alle andern söhne auſser Hyllos zu bastarden
zu machen, ist auch sonst öfter kenntlich: das sind adelsrancünen, wie bei den söhnen
Jakobs, die meist im einzelnen unkenntlich sind. sohn der Astydameia ist eigentlich
und war bei Hesiodos der Rhodier Tlepolemos, und zwar gab es auf Rhodos wirklich
ein geschlecht von Amyntoriden: so weist auch auf dieser insel einzelnes nach Thes-
salien neben Argos, ganz wie auf Kos und am Triopion. vgl. schol. Pindar. Ol. 7, 42.
96) Das hat endgiltig der wichtige stein von Hypata gelehrt, Athen. Mitteil. IV 216.
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[317/0337] Die Herakleen. Kreophylos. Das ist also unzweifelhaft, daſs die Omphalesage in einem kreise oetäischer sagen bereits fest war, als die willkür eines sehr erfolgreichen dichters sie nach Lydien übertrug. dieser und sein publicum war dem eigentlichen locale so fern, daſs er die anderen sagen ruhig herüber nehmen konnte, aber herausheben konnte er die einzelne sage nicht. was sie so fest hielt, war die motivirung der dienstbarkeit durch den frevel wider Iphitos Eurytos sohn, und damit hängt wieder die zerstörung Oichalias zusammen. das ist nicht immer so gewesen. denn der kampf des dorischen und des hellenischen bogenschützen ist keinesweges bloſs in diesem zusammenhang erzählt; die messenisch-arkadische localisirung Oichalias schloſs diese ganze verbindung aus, hat sogar die ermordung des Iphitos schwerlich anerkannt, der in Elis ein mächtiger könig blieb 92). es gibt ja auch mehrere begründungen für den zorn des Herakles gegen Eurytos 93), auch für die dienstbarkeit bei Omphale 94), und gerade die ab- weisung des Herakles als freier kehrt in einer anderen thessalischen sage wieder 95). aber um so deutlicher wird nur, daſs es ein ganz bestimmter und planvoller zusammenhang ist, in welchem der frevel an Iphitos, die knechtschaft bei dem weibe, und die liebe zu Iole, die ihrem ganzen hause verhängnisvoll wird, vereinigt sind. auch daſs Oichalia nach Euboia gerückt ist, obwol es dort nie wirklich gelegen hat, in Thessalien nie ganz ver- schwunden ist 96), erklärt sich am besten, wenn der dichter dem locale 92) Als solcher ist er freund des Odysseus und des Lykurgos und könig von Elis; Eurytos aber ist als name für einen der Molionen verwandt worden. 93) Soph. Trach. 260. 353, der mit groſser feinheit die beiden widersprechenden traditionen von Lichas erzählen läſst. 94) Dazu wird der kindermord gebraucht von Hygin fab. 32, und dasselbe ist aus der ordnung der ereignisse auf der farnesischen tafel zu schlieſsen. es lag nahe dies motiv, welches die dienstbarkeit bei Eurystheus zu motiviren pflegt, auf die bei Omphale zu übertragen. 95) Apollodor II 7, 7 erzählt uns, daſs Herakles den Amyntor von Ormenion erschlägt, weil er ihm den durchzug weigert. in der parallelstelle, IV 37, hat Diodor aus flüchtigkeit den namen des königs mit dem der stadt zusammengeworfen und einen Ὀρμένιος erzeugt, den man beseitigen muſs. aber die werbung um Astydameia, Amyntors tochter, hat er erhalten. Her. erzeugt mit ihr Ktesippos, nach Apollodor einen sohn der Deianeira. das bestreben alle andern söhne auſser Hyllos zu bastarden zu machen, ist auch sonst öfter kenntlich: das sind adelsrancünen, wie bei den söhnen Jakobs, die meist im einzelnen unkenntlich sind. sohn der Astydameia ist eigentlich und war bei Hesiodos der Rhodier Tlepolemos, und zwar gab es auf Rhodos wirklich ein geschlecht von Amyntoriden: so weist auch auf dieser insel einzelnes nach Thes- salien neben Argos, ganz wie auf Kos und am Triopion. vgl. schol. Pindar. Ol. 7, 42. 96) Das hat endgiltig der wichtige stein von Hypata gelehrt, Athen. Mitteil. IV 216.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889/337>, abgerufen am 29.03.2024.