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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.

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H. fehlt den Eleern; Aetolern; Makedonen. H. in Grossgriechenland.

Bei den Epiroten 19) und Makedonen ist von Herakles keine spur.H. fehlt den
Makedonen.

seit Alexandros I wollte das makedonische königshaus freilich von Herakles
stammen, und noch der grosse Alexander hat einen sohn Erakles ge-
nannt (wovor sich sonst die menschen doch scheuen), aber das ist erst
eine folge davon, dass sie gern Hellenen sein wollten, und der name
ihres geschlechtes Argeadai an Argos anklang.

Stutzig machen kann nur die fülle von Heraklesculten und Herakles-H. in Gross-
griechen-
land.

sagen bei den unteritalischen auswanderern. es gibt dort eine einzige
Dorerstadt Tarent (das Herakleia erst spät gründet), auf welche dieser
reichtum um so weniger zurückgeführt werden kann, als die Parthenier
des Phalanthos aus ihrer heimat Sparta weder reiche sagen noch die
neigung weiter zu dichten mitbringen konnten. die versuchung liegt also
nahe, Messapiern und Chonern (Chon gilt selbst als sohn des Herakles)
den cult zuzutrauen, und leicht möchte man dann selbst die Italiker
heranziehen. allein die Achaeer Grossgriechenlands, welche zunächst in
betracht kommen müssen, können nicht für so rein hellenisch gelten
wie die Ionier. beide stammen der tradition nach von der nordküste des
Peloponnes, und die Achaeer notorisch. aber sie sind ganz und gar ver-
schieden. Kroton Sybaris Metapont sind allerdings eines stammes mit
den bewohnern der küste von Pallene bis Dyme. darf man aber diese
für eine reine vordorische bevölkerung halten? ihre sprache, so wenig
sie auch bekannt ist, zeigt am ehesten mit den nordgriechischen mund-
arten, keinesweges mit dem arkadischen oder ionischen verwandtschaft.
die geistige bedeutung der Achaeer ist um kein gran höher als die der
anderen einwanderer. sie stehen charakterlos zwischen Peloponnesiern
und Ioniern. also werden wir zu schliessen haben, dass der alte Achaeer-
name der landschaft nur blieb, weil kein neuer stammname wert und
klang hatte; zu politischer bedeutung kamen sie so wie so nicht. ein-
wanderer der westlichen und der östlichen gruppe und alle möglichen
hellenischen völkersplitter sind hier an der wenig begehrenswerten nord-
küste teils sitzen geblieben, teils von hier nach Grossgriechenland aus-
gezogen, und wie in Dyme und in Bura 20) notorisch bedeutender Herakles-

19) Für die Epiroten und Illyrier sind schliesslich die korinthischen colonisten
die wichtigsten culturträger geworden. sie erzählten natürlich von ihrem heros.
wenn also die illyrischen Hylleer auf Hyllos, sohn des Herakles und der Melite,
zurückgeführt werden, so ist das nichts als eine korinthische lediglich auf den
namensanklang gebaute combination. Herakles ist der ahnherr dieser barbaren wie
der Skythen.
20) Hier heisst er sogar Bouraikos Pausan. VII, 25, und sein cultbild ist ein
echt archaisches, Imhoof Gardener numism. comment. on Paus. taf. S II, III.
v. Wilamowitz I. 18
H. fehlt den Eleern; Aetolern; Makedonen. H. in Groſsgriechenland.

Bei den Epiroten 19) und Makedonen ist von Herakles keine spur.H. fehlt den
Makedonen.

seit Alexandros I wollte das makedonische königshaus freilich von Herakles
stammen, und noch der groſse Alexander hat einen sohn Ἡρακλῆς ge-
nannt (wovor sich sonst die menschen doch scheuen), aber das ist erst
eine folge davon, daſs sie gern Hellenen sein wollten, und der name
ihres geschlechtes Ἀργεάδαι an Argos anklang.

Stutzig machen kann nur die fülle von Heraklesculten und Herakles-H. in Groſs-
griechen-
land.

sagen bei den unteritalischen auswanderern. es gibt dort eine einzige
Dorerstadt Tarent (das Herakleia erst spät gründet), auf welche dieser
reichtum um so weniger zurückgeführt werden kann, als die Parthenier
des Phalanthos aus ihrer heimat Sparta weder reiche sagen noch die
neigung weiter zu dichten mitbringen konnten. die versuchung liegt also
nahe, Messapiern und Chonern (Chon gilt selbst als sohn des Herakles)
den cult zuzutrauen, und leicht möchte man dann selbst die Italiker
heranziehen. allein die Achaeer Groſsgriechenlands, welche zunächst in
betracht kommen müssen, können nicht für so rein hellenisch gelten
wie die Ionier. beide stammen der tradition nach von der nordküste des
Peloponnes, und die Achaeer notorisch. aber sie sind ganz und gar ver-
schieden. Kroton Sybaris Metapont sind allerdings eines stammes mit
den bewohnern der küste von Pallene bis Dyme. darf man aber diese
für eine reine vordorische bevölkerung halten? ihre sprache, so wenig
sie auch bekannt ist, zeigt am ehesten mit den nordgriechischen mund-
arten, keinesweges mit dem arkadischen oder ionischen verwandtschaft.
die geistige bedeutung der Achaeer ist um kein gran höher als die der
anderen einwanderer. sie stehen charakterlos zwischen Peloponnesiern
und Ioniern. also werden wir zu schlieſsen haben, daſs der alte Achaeer-
name der landschaft nur blieb, weil kein neuer stammname wert und
klang hatte; zu politischer bedeutung kamen sie so wie so nicht. ein-
wanderer der westlichen und der östlichen gruppe und alle möglichen
hellenischen völkersplitter sind hier an der wenig begehrenswerten nord-
küste teils sitzen geblieben, teils von hier nach Groſsgriechenland aus-
gezogen, und wie in Dyme und in Bura 20) notorisch bedeutender Herakles-

19) Für die Epiroten und Illyrier sind schlieſslich die korinthischen colonisten
die wichtigsten culturträger geworden. sie erzählten natürlich von ihrem heros.
wenn also die illyrischen Hylleer auf Hyllos, sohn des Herakles und der Melite,
zurückgeführt werden, so ist das nichts als eine korinthische lediglich auf den
namensanklang gebaute combination. Herakles ist der ahnherr dieser barbaren wie
der Skythen.
20) Hier heiſst er sogar Βουραικός Pausan. VII, 25, und sein cultbild ist ein
echt archaisches, Imhoof Gardener numism. comment. on Paus. taf. S II, III.
v. Wilamowitz I. 18
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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889/293>, abgerufen am 20.04.2024.