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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.

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Geschichte des tragikertextes.
eine andere handschrift, aus dem ende des 14. jahrhunderts, die neben
C etwa so wie Par. B neben A zur verwendung kommt. sie ist jetzt
zerrissen und war das schon bald nach 1400. der grössere teil ist jetzt
Palatinus 287, der kleinere, die drei ersten Euripideischen stücke und
Helene Elektra Herakles, ausserdem die drei ersten aischyleischen ent-
haltend, ist aus der Badia von Florenz in die Laurentiana gebracht und
heisst 172. in dieser handschrift sind die neun scholienlosen dramen
aus derselben handschrift genommen wie C, doch viel nachlässiger ge-
schrieben, so dass sie nur ganz selten etwas neues liefert und unmöglich
alle ihre fehler in dem kritischen apparat verewigt bleiben dürfen 174); ihr
wert beruht vielmehr darin, dass sie die hände in C, der von correctoren

exemplar mit gleich vielen zeilen zurück wie die Troerinnen (Robert Herm. XIII 136).
auch schol. Dionys perieg. 391 ist direct aus den Bakchen mit commentar genommen.
die citate sind auch bei späten grammatikern zahlreich, indessen weiss man bei ihnen
ja kaum je, ob sie nicht abschreiben.
174) Die zusammengehörigkeit der beiden stücke ist erkannt von Robert Herm.
XIII 133. ich hatte mich verleiten lassen, das florentiner stück für eine abschrift von
C zu halten, was ich freilich für die drei ersten dramen schon selbst hatte aufgeben
müssen. abgerissen ist das stück früh: es hat dem Musurus nicht mehr gehört und
zeigt deshalb keine oder wenigstens keine guten correcturen. natürlich wird man
jetzt nicht zwei bezeichnungen für zwei hälften einer handschrift einführen. meine
Analecta Euripidea zeigen, wie geringfügig die besseren lesarten von P sind, und
einzelne fallen noch weg (z. b. hat R. Prinz bei Stahl ind. lect. v. Münster, sommer
1887, angegeben, dass Kykl. 494 makarios ostis euiazei in C von erster hand ge-
standen hat). um so weniger empfiehlt sich der weg, den ich in der ausgabe der
Hiketiden beschritten hatte und auf dem mir R. Prinz in Alkestis und Medeia (wo
er noch dazu falsch ist) gefolgt ist. es ist ein billiges, aber nichts eintragendes
vergnügen, wie es sich ein anfänger mit genugtuung macht, einen archetypus zu
reconstruiren, von dem eine gute abschrift da ist, deren lesarten, wo die zweite
schlechte bevorzugt wird, doch immer angegeben werden müssen, weil der leser
urteilen will, ob man der schlechten folgen darf. von dieser freilich sind alle
schreibfehler wegzuwerfen, und sie ist nur zu nennen, wo eine möglichkeit vorliegt,
aus ihr etwas zu entnehmen. nun ist aber C zweimal durchcorrigirt, einmal von
einem der schreiber (die sich in ihr abgelöst haben), einmal oder mehrmals von
einem gelehrten in Italien. offenbar muss man die änderungen der ersten art immer,
die der zweiten nie anführen, es sei denn dass es eine richtige conjectur ist. und
ebenso muss man mit den änderungen in P verfahren. es ist das gar nicht so leicht;
aber die mühe lohnt sich, weil dann der apparat lichtvoll wird. vgl. bd. II vor-
bemerkungen und textabdruck. die sehr guten collationen, über welche Prinz in
seinen ausgaben verfügt hat, haben einen grossen teil ihrer brauchbarkeit eingebüsst,
weil sie die späteren hände nicht scheiden, und der herausgeber einen archetypus
herstellen will; ganz abgesehen von der anlage des apparates, die von kaum er-
reichter unübersichtlichkeit ist.

Geschichte des tragikertextes.
eine andere handschrift, aus dem ende des 14. jahrhunderts, die neben
C etwa so wie Par. B neben A zur verwendung kommt. sie ist jetzt
zerrissen und war das schon bald nach 1400. der gröſsere teil ist jetzt
Palatinus 287, der kleinere, die drei ersten Euripideischen stücke und
Helene Elektra Herakles, auſserdem die drei ersten aischyleischen ent-
haltend, ist aus der Badia von Florenz in die Laurentiana gebracht und
heiſst 172. in dieser handschrift sind die neun scholienlosen dramen
aus derselben handschrift genommen wie C, doch viel nachlässiger ge-
schrieben, so daſs sie nur ganz selten etwas neues liefert und unmöglich
alle ihre fehler in dem kritischen apparat verewigt bleiben dürfen 174); ihr
wert beruht vielmehr darin, daſs sie die hände in C, der von correctoren

exemplar mit gleich vielen zeilen zurück wie die Troerinnen (Robert Herm. XIII 136).
auch schol. Dionys perieg. 391 ist direct aus den Bakchen mit commentar genommen.
die citate sind auch bei späten grammatikern zahlreich, indessen weiſs man bei ihnen
ja kaum je, ob sie nicht abschreiben.
174) Die zusammengehörigkeit der beiden stücke ist erkannt von Robert Herm.
XIII 133. ich hatte mich verleiten lassen, das florentiner stück für eine abschrift von
C zu halten, was ich freilich für die drei ersten dramen schon selbst hatte aufgeben
müssen. abgerissen ist das stück früh: es hat dem Musurus nicht mehr gehört und
zeigt deshalb keine oder wenigstens keine guten correcturen. natürlich wird man
jetzt nicht zwei bezeichnungen für zwei hälften einer handschrift einführen. meine
Analecta Euripidea zeigen, wie geringfügig die besseren lesarten von P sind, und
einzelne fallen noch weg (z. b. hat R. Prinz bei Stahl ind. lect. v. Münster, sommer
1887, angegeben, daſs Kykl. 494 μαϰάριος ὅστις εὐιάζει in C von erster hand ge-
standen hat). um so weniger empfiehlt sich der weg, den ich in der ausgabe der
Hiketiden beschritten hatte und auf dem mir R. Prinz in Alkestis und Medeia (wo
er noch dazu falsch ist) gefolgt ist. es ist ein billiges, aber nichts eintragendes
vergnügen, wie es sich ein anfänger mit genugtuung macht, einen archetypus zu
reconstruiren, von dem eine gute abschrift da ist, deren lesarten, wo die zweite
schlechte bevorzugt wird, doch immer angegeben werden müssen, weil der leser
urteilen will, ob man der schlechten folgen darf. von dieser freilich sind alle
schreibfehler wegzuwerfen, und sie ist nur zu nennen, wo eine möglichkeit vorliegt,
aus ihr etwas zu entnehmen. nun ist aber C zweimal durchcorrigirt, einmal von
einem der schreiber (die sich in ihr abgelöst haben), einmal oder mehrmals von
einem gelehrten in Italien. offenbar muſs man die änderungen der ersten art immer,
die der zweiten nie anführen, es sei denn daſs es eine richtige conjectur ist. und
ebenso muſs man mit den änderungen in P verfahren. es ist das gar nicht so leicht;
aber die mühe lohnt sich, weil dann der apparat lichtvoll wird. vgl. bd. II vor-
bemerkungen und textabdruck. die sehr guten collationen, über welche Prinz in
seinen ausgaben verfügt hat, haben einen groſsen teil ihrer brauchbarkeit eingebüſst,
weil sie die späteren hände nicht scheiden, und der herausgeber einen archetypus
herstellen will; ganz abgesehen von der anlage des apparates, die von kaum er-
reichter unübersichtlichkeit ist.
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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889/228>, abgerufen am 25.04.2024.