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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.

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Pindarscholien.
die erste ode die erste der hymnen 124). später gilt die neue ausgabe überall.
benutzt sind zwei schriftsteller des zweiten jahrhunderts 125), die man nicht
leicht für zusätze halten kann. die folgezeit, z. b. die scholien zu Homer
(BT) und den tragikern, setzt diese ordnung voraus, und im fünften
jahrhundert ist die alte so ganz vergessen, dass man alberne neue namen
für die 17 bücher erfindet, deren zahl man kannte 126). da unsere scholien
aller jungen citate entbehren, so hat die tätigkeit der Byzantinerzeit sich
auf die verkürzte weitergabe der alten ausgabe beschränkt. sehr früh hat
sich eine doppelte recension ganz ähnlich wie im Aristophanes gespalten.
die eine, von der auch das Etymologicum Magnum spuren bewahrt, besitzen
wir leider nur für die ersten 12 Olympien. sie hat im texte neben vielen
eignen fehlern mehreres gute bewahrt, vergleichbar dem Ravennas des Ari-
stophanes; die scholien sind entsetzlich verdorben, aber sehr wertvoll. der
einzige vertreter dieser recension ist der Ambrosianus A (C 122 inf.). die
andere liegt in zwei trefflichen handschriften vor (Vat. 1312, B, und Laur.
32, 52, D), und auf ihr ruht unser text und ruhen die scholien fest und
sicher. es gibt freilich noch eine menge handschriften, die keinesweges
aus jenen stammen, und sie selbst werden sich erst in einem manches
jahrhundert zurückliegenden originale vereinigen lassen. aber der text,
den wir nach beseitigung der durch die vergleichung dieser handschriften
oder sonst ohne weiteres erledigten schreibfehler gewinnen, und der also
an sich sehr viel älter ist als die dem 12. und 13. jahrhundert ange-
hörenden erhaltenen vertreter, zeigt überhaupt ganz geringe schwan-
kungen; auch die erst in der späteren byzantinerzeit häufigeren citate be-
reichern weder ihn noch die scholien wesentlich 127). die paraphrase aber

124) Ikarom. 27: wo die scholien sich wundern, da für sie die erste ode Ol. 1 ist.
die erste strophe war natürlich in alter zeit so bekannt, wie der anfang von Alk-
mans, Sapphos, Alkaios werken. daher hat sie der späte verfasser des pseudo-
lukianischen Demosthenous egkamion irgendwo auflesen und ein scholiast das richtige
arkhai ton Pindarou umnon hinzusetzen können -- wenn er überhaupt das richtige
gemeint hat.
125) Amyntianos Ol. 3, 52. o Alikarnasseus, d. h. Dionysios mousike istoria,
da es sich um die stiftung der für die musikgeschichte so wichtigen sikyonischen
Pythien handelt. Hephaestion (Isthm. 3) ist nicht der metriker. auf zwei Herodian-
citate ist kein verlass. bezeichnend ist, dass Palamedes ein upomnema eis Pindaron,
das letzte von dem wir wissen, geschrieben hat, und nicht vorkommt. das war
eine concurrenzarbeit -- wenn er nicht selbst unser scholiast ist.
126) So der metrische bios Pindarou und die schriftentafel des Suidas, d. h.
Hesychius: Aelius Dionysius konnte diese noch nicht geben, zumal der herausgeber
die alte ordnung in der vita angegeben hatte, da er sie ja nicht beseitigen wollte.
127) Sehr stark ist die benutzung im Lykophroncommentar des Tzetzes, dessen

Pindarscholien.
die erste ode die erste der hymnen 124). später gilt die neue ausgabe überall.
benutzt sind zwei schriftsteller des zweiten jahrhunderts 125), die man nicht
leicht für zusätze halten kann. die folgezeit, z. b. die scholien zu Homer
(ΒΤ) und den tragikern, setzt diese ordnung voraus, und im fünften
jahrhundert ist die alte so ganz vergessen, daſs man alberne neue namen
für die 17 bücher erfindet, deren zahl man kannte 126). da unsere scholien
aller jungen citate entbehren, so hat die tätigkeit der Byzantinerzeit sich
auf die verkürzte weitergabe der alten ausgabe beschränkt. sehr früh hat
sich eine doppelte recension ganz ähnlich wie im Aristophanes gespalten.
die eine, von der auch das Etymologicum Magnum spuren bewahrt, besitzen
wir leider nur für die ersten 12 Olympien. sie hat im texte neben vielen
eignen fehlern mehreres gute bewahrt, vergleichbar dem Ravennas des Ari-
stophanes; die scholien sind entsetzlich verdorben, aber sehr wertvoll. der
einzige vertreter dieser recension ist der Ambrosianus A (C 122 inf.). die
andere liegt in zwei trefflichen handschriften vor (Vat. 1312, B, und Laur.
32, 52, D), und auf ihr ruht unser text und ruhen die scholien fest und
sicher. es gibt freilich noch eine menge handschriften, die keinesweges
aus jenen stammen, und sie selbst werden sich erst in einem manches
jahrhundert zurückliegenden originale vereinigen lassen. aber der text,
den wir nach beseitigung der durch die vergleichung dieser handschriften
oder sonst ohne weiteres erledigten schreibfehler gewinnen, und der also
an sich sehr viel älter ist als die dem 12. und 13. jahrhundert ange-
hörenden erhaltenen vertreter, zeigt überhaupt ganz geringe schwan-
kungen; auch die erst in der späteren byzantinerzeit häufigeren citate be-
reichern weder ihn noch die scholien wesentlich 127). die paraphrase aber

124) Ikarom. 27: wo die scholien sich wundern, da für sie die erste ode Ol. 1 ist.
die erste strophe war natürlich in alter zeit so bekannt, wie der anfang von Alk-
mans, Sapphos, Alkaios werken. daher hat sie der späte verfasser des pseudo-
lukianischen Δημοσϑένους ἐγκάμιον irgendwo auflesen und ein scholiast das richtige
ἀρχαὶ τῶν Πινδάρου ὕμνων hinzusetzen können — wenn er überhaupt das richtige
gemeint hat.
125) Amyntianos Ol. 3, 52. ὁ Ἁλικαρνασσεύς, d. h. Dionysios μουσικὴ ἱστορία,
da es sich um die stiftung der für die musikgeschichte so wichtigen sikyonischen
Pythien handelt. Hephaestion (Isthm. 3) ist nicht der metriker. auf zwei Herodian-
citate ist kein verlaſs. bezeichnend ist, daſs Palamedes ein ὑπόμνημα εἰς Πὶνδαρον,
das letzte von dem wir wissen, geschrieben hat, und nicht vorkommt. das war
eine concurrenzarbeit — wenn er nicht selbst unser scholiast ist.
126) So der metrische βίος Πινδάρου und die schriftentafel des Suidas, d. h.
Hesychius: Aelius Dionysius konnte diese noch nicht geben, zumal der herausgeber
die alte ordnung in der vita angegeben hatte, da er sie ja nicht beseitigen wollte.
127) Sehr stark ist die benutzung im Lykophroncommentar des Tzetzes, dessen
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[185/0205] Pindarscholien. die erste ode die erste der hymnen 124). später gilt die neue ausgabe überall. benutzt sind zwei schriftsteller des zweiten jahrhunderts 125), die man nicht leicht für zusätze halten kann. die folgezeit, z. b. die scholien zu Homer (ΒΤ) und den tragikern, setzt diese ordnung voraus, und im fünften jahrhundert ist die alte so ganz vergessen, daſs man alberne neue namen für die 17 bücher erfindet, deren zahl man kannte 126). da unsere scholien aller jungen citate entbehren, so hat die tätigkeit der Byzantinerzeit sich auf die verkürzte weitergabe der alten ausgabe beschränkt. sehr früh hat sich eine doppelte recension ganz ähnlich wie im Aristophanes gespalten. die eine, von der auch das Etymologicum Magnum spuren bewahrt, besitzen wir leider nur für die ersten 12 Olympien. sie hat im texte neben vielen eignen fehlern mehreres gute bewahrt, vergleichbar dem Ravennas des Ari- stophanes; die scholien sind entsetzlich verdorben, aber sehr wertvoll. der einzige vertreter dieser recension ist der Ambrosianus A (C 122 inf.). die andere liegt in zwei trefflichen handschriften vor (Vat. 1312, B, und Laur. 32, 52, D), und auf ihr ruht unser text und ruhen die scholien fest und sicher. es gibt freilich noch eine menge handschriften, die keinesweges aus jenen stammen, und sie selbst werden sich erst in einem manches jahrhundert zurückliegenden originale vereinigen lassen. aber der text, den wir nach beseitigung der durch die vergleichung dieser handschriften oder sonst ohne weiteres erledigten schreibfehler gewinnen, und der also an sich sehr viel älter ist als die dem 12. und 13. jahrhundert ange- hörenden erhaltenen vertreter, zeigt überhaupt ganz geringe schwan- kungen; auch die erst in der späteren byzantinerzeit häufigeren citate be- reichern weder ihn noch die scholien wesentlich 127). die paraphrase aber 124) Ikarom. 27: wo die scholien sich wundern, da für sie die erste ode Ol. 1 ist. die erste strophe war natürlich in alter zeit so bekannt, wie der anfang von Alk- mans, Sapphos, Alkaios werken. daher hat sie der späte verfasser des pseudo- lukianischen Δημοσϑένους ἐγκάμιον irgendwo auflesen und ein scholiast das richtige ἀρχαὶ τῶν Πινδάρου ὕμνων hinzusetzen können — wenn er überhaupt das richtige gemeint hat. 125) Amyntianos Ol. 3, 52. ὁ Ἁλικαρνασσεύς, d. h. Dionysios μουσικὴ ἱστορία, da es sich um die stiftung der für die musikgeschichte so wichtigen sikyonischen Pythien handelt. Hephaestion (Isthm. 3) ist nicht der metriker. auf zwei Herodian- citate ist kein verlaſs. bezeichnend ist, daſs Palamedes ein ὑπόμνημα εἰς Πὶνδαρον, das letzte von dem wir wissen, geschrieben hat, und nicht vorkommt. das war eine concurrenzarbeit — wenn er nicht selbst unser scholiast ist. 126) So der metrische βίος Πινδάρου und die schriftentafel des Suidas, d. h. Hesychius: Aelius Dionysius konnte diese noch nicht geben, zumal der herausgeber die alte ordnung in der vita angegeben hatte, da er sie ja nicht beseitigen wollte. 127) Sehr stark ist die benutzung im Lykophroncommentar des Tzetzes, dessen

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889/205>, abgerufen am 29.03.2024.