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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.

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Aristophanesscholien.
grammatikerart; er hat eigene ausgedehnte kenntnisse und wagt eigene
meinungen. das ältere verdankt er sammlungen und scholien, des Didy-
mos, aber auch anderer, z. b. des Artemidor (sunagoge Wesp. 1169) 116),
und die dramen waren vor ihm ersichtlich gar nicht gleichmässig be-
handelt, was natürlich auch auf seinen commentar einwirkt. Frösche
und Vögel stehen deshalb an gelehrsamkeit weit über dem Plutos. das
gelehrte material älterer zeit, das geschichtliche (ausser billigen Thukydides-
excerpten), textkritische, glossographische gehört ihm wol alles. für die
paraphrastische erklärung lässt die grenze sich schwer ziehen; das ist aber
auch das mindest wichtige.

Das metrische liess Symmachos, wie die meisten erklärer bei seite.
allein ein anderer einflussreicher mann, ziemlich sein zeitgenosse, Helio-
doros, verfertigte eine aristophanische kolometrie, d. h. eine analyse sämmt-
licher verse der komödie, woran sich zuweilen etwas kritisches schloss. es
war keine ausgabe, aber wol eine anweisung, wie eine ausgabe zu schreiben
wäre: wobei fraglich ist, ob er nicht die schreibung (einschliesslich des
aus- und einrückens der zeilen) vorfand und lediglich die analyse sein war.
wie weit er seine arbeit ausdehnte, welche reihenfolge er inne hielt, ist
nicht zu sagen.

Wol erst in frühbyzantinischer zeit hat nun jemand den commentar
des Symmachos, die kolometrie des Heliodor, zugleich sie befolgend und
ausschreibend, und einiges andere erklärungsmaterial zusammengearbeitet:
erst dies werk, oder vielmehr auszüge davon, geben unsere handschriften,
text und scholien gleichermassen. wir hören das zwar nur durch die
subscriptio zu ein par stücken, aber der commentar hängt, wenigstens
so weit er die beiden wichtigen grammatiker angeht, zusammen. die
subscriptio nennt nun noch als benutzt einen gewissen Phaeinos und
alla tina. dieser Phaeinos ist nach den proben, die nur zum schlusse
der Ritter erhalten sind, ein jämmerlicher ignorant, der sich nur in der
gewöhnlichsten exegese versucht. da er ein ganz byzantinisches wort
braucht 117), so möchte man ihn nicht mehr in das altertum rechnen.
doch wird im Et. M. (blimazein) eine zu der betreffenden stelle (Vög. 530)
nicht mehr erhaltene etymologie mit den namen Phaeinos kai Summakhos
citirt. die anderen zusätze sind zum teil an sich wertvoll, z. b. die aus-

116) Schol. Fried. 1242 wird in betreff des Kottabos auf eklogai verwiesen,
1244 auf Athenaeus: es waren wol die eklogai des Sopater, in dessen erstem buche
Athenaeus excerpirt war (Phot. bibl. cod. 161): diese auszüge gehören also zu den
alla tina der subscriptio.
117) khabos für zaum, schol. Ritt. 1150.

Aristophanesscholien.
grammatikerart; er hat eigene ausgedehnte kenntnisse und wagt eigene
meinungen. das ältere verdankt er sammlungen und scholien, des Didy-
mos, aber auch anderer, z. b. des Artemidor (συναγωγή Wesp. 1169) 116),
und die dramen waren vor ihm ersichtlich gar nicht gleichmäſsig be-
handelt, was natürlich auch auf seinen commentar einwirkt. Frösche
und Vögel stehen deshalb an gelehrsamkeit weit über dem Plutos. das
gelehrte material älterer zeit, das geschichtliche (auſser billigen Thukydides-
excerpten), textkritische, glossographische gehört ihm wol alles. für die
paraphrastische erklärung läſst die grenze sich schwer ziehen; das ist aber
auch das mindest wichtige.

Das metrische lieſs Symmachos, wie die meisten erklärer bei seite.
allein ein anderer einfluſsreicher mann, ziemlich sein zeitgenosse, Helio-
doros, verfertigte eine aristophanische kolometrie, d. h. eine analyse sämmt-
licher verse der komödie, woran sich zuweilen etwas kritisches schloſs. es
war keine ausgabe, aber wol eine anweisung, wie eine ausgabe zu schreiben
wäre: wobei fraglich ist, ob er nicht die schreibung (einschlieſslich des
aus- und einrückens der zeilen) vorfand und lediglich die analyse sein war.
wie weit er seine arbeit ausdehnte, welche reihenfolge er inne hielt, ist
nicht zu sagen.

Wol erst in frühbyzantinischer zeit hat nun jemand den commentar
des Symmachos, die kolometrie des Heliodor, zugleich sie befolgend und
ausschreibend, und einiges andere erklärungsmaterial zusammengearbeitet:
erst dies werk, oder vielmehr auszüge davon, geben unsere handschriften,
text und scholien gleichermaſsen. wir hören das zwar nur durch die
subscriptio zu ein par stücken, aber der commentar hängt, wenigstens
so weit er die beiden wichtigen grammatiker angeht, zusammen. die
subscriptio nennt nun noch als benutzt einen gewiſsen Phaeinos und
ἄλλα τινά. dieser Phaeinos ist nach den proben, die nur zum schlusse
der Ritter erhalten sind, ein jämmerlicher ignorant, der sich nur in der
gewöhnlichsten exegese versucht. da er ein ganz byzantinisches wort
braucht 117), so möchte man ihn nicht mehr in das altertum rechnen.
doch wird im Et. M. (βλιμάζειν) eine zu der betreffenden stelle (Vög. 530)
nicht mehr erhaltene etymologie mit den namen Φαεινὸς καὶ Σύμμαχος
citirt. die anderen zusätze sind zum teil an sich wertvoll, z. b. die aus-

116) Schol. Fried. 1242 wird in betreff des Kottabos auf ἐκλογαί verwiesen,
1244 auf Athenaeus: es waren wol die ἐκλογαί des Sopater, in dessen erstem buche
Athenaeus excerpirt war (Phot. bibl. cod. 161): diese auszüge gehören also zu den
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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889/201>, abgerufen am 29.03.2024.