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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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Aenderung der strategie. der aeginetische krieg.
hauptanlass zu der flottengründung gegeben hat, wird allgemein berichtet.
wir können den krieg aber nur ungefähr datiren und hören wenig,
weil Athen ungern von ihm sprach.30)

Seit Athen an eine seemacht dachte, war ihm die damals als eineDer aegine-
tische krieg.

hochburg des Dorertums blühende stadt, die dem Pindaros die liebste
gewesen ist, ein dorn im auge, und 491 hatte es eine günstige gelegenheit
gefunden, Aegina im Hellenenbunde zu discreditiren, weil seine herren,
an deren hellenischem patriotismus seit Aiakos und Telamons zeiten
kein zweifel war, dem könig Dareios gehuldigt hatten oder gehuldigt
haben sollten. die herren hatten auch an ihren handel zu denken, und
der Perser war weit; sie mochten die sache als eine leere höflichkeit
ansehen, und es war vielleicht nicht mehr. aber der vorwand war vor-
züglich, und man meint das diplomatische geschick des Themistokles zu
spüren, wenn man hört, wie Sparta auf die attische anzeige hin ein-
schreitet und nach einigen weiterungen durchsetzt, dass eine anzahl der
angesehensten Aegineten nach Athen als geiseln für das wolverhalten
der stadt, die ja zum peloponnesischen bunde gehörte, ausgeliefert wur-
den. Athen behielt dieses wertvolle pfand auch, als Kleomenes starb,
und in Sparta der wind umschlug. und es versuchte nun einen ent-
scheidenden schlag zu tun. auch in Aegina gab es, wie überall, eine
dem herrschenden adel abgeneigte partei, die unter der flagge der de-
mokratie zur herrschaft zu kommen strebte. mit dieser knüpfte Athen
an; es ward eine combinirte action verabredet, aufstand in der stadt
Aegina und landung eines athenischen heeres. Athen verschaffte sich zu
dem behufe 20 schiffe von Korinth, da sein bestand für den transport der
hopliten nicht reichte. aber der plan mislang, weil der aufstand zu
früh losbrach. gleichwol konnten die Aegineten in der verwirrung
die landung der Athener nicht hindern, die sich zu der belagerung der
stadt von der landseite anschickten. und die sache wäre vielleicht doch
noch gelungen, wenn nicht ein freiwilligencorps von Argos gekommen
wäre. da die Korinther von dem zuge wussten, konnte er auch in Argos
leicht bekannt werden, und der todfeind Spartas stand diesmal auch
wider Athen. die Argiver schnitten die Athener von ihren schiffen ab;
die Aegineten benutzten deren verwirrung zu einem seegefecht. und
wenn auch die meisten attischen schiffe heil nach hause kamen, so
konnten sich doch von dem heere nur ganz wenige retten. es war
ein starker schlag, den man namentlich im ehrgefühle noch lange

30) Vgl. die beilage 'der erste krieg mit Aegina'.

Aenderung der strategie. der aeginetische krieg.
hauptanlaſs zu der flottengründung gegeben hat, wird allgemein berichtet.
wir können den krieg aber nur ungefähr datiren und hören wenig,
weil Athen ungern von ihm sprach.30)

Seit Athen an eine seemacht dachte, war ihm die damals als eineDer aegine-
tische krieg.

hochburg des Dorertums blühende stadt, die dem Pindaros die liebste
gewesen ist, ein dorn im auge, und 491 hatte es eine günstige gelegenheit
gefunden, Aegina im Hellenenbunde zu discreditiren, weil seine herren,
an deren hellenischem patriotismus seit Aiakos und Telamons zeiten
kein zweifel war, dem könig Dareios gehuldigt hatten oder gehuldigt
haben sollten. die herren hatten auch an ihren handel zu denken, und
der Perser war weit; sie mochten die sache als eine leere höflichkeit
ansehen, und es war vielleicht nicht mehr. aber der vorwand war vor-
züglich, und man meint das diplomatische geschick des Themistokles zu
spüren, wenn man hört, wie Sparta auf die attische anzeige hin ein-
schreitet und nach einigen weiterungen durchsetzt, daſs eine anzahl der
angesehensten Aegineten nach Athen als geiseln für das wolverhalten
der stadt, die ja zum peloponnesischen bunde gehörte, ausgeliefert wur-
den. Athen behielt dieses wertvolle pfand auch, als Kleomenes starb,
und in Sparta der wind umschlug. und es versuchte nun einen ent-
scheidenden schlag zu tun. auch in Aegina gab es, wie überall, eine
dem herrschenden adel abgeneigte partei, die unter der flagge der de-
mokratie zur herrschaft zu kommen strebte. mit dieser knüpfte Athen
an; es ward eine combinirte action verabredet, aufstand in der stadt
Aegina und landung eines athenischen heeres. Athen verschaffte sich zu
dem behufe 20 schiffe von Korinth, da sein bestand für den transport der
hopliten nicht reichte. aber der plan mislang, weil der aufstand zu
früh losbrach. gleichwol konnten die Aegineten in der verwirrung
die landung der Athener nicht hindern, die sich zu der belagerung der
stadt von der landseite anschickten. und die sache wäre vielleicht doch
noch gelungen, wenn nicht ein freiwilligencorps von Argos gekommen
wäre. da die Korinther von dem zuge wuſsten, konnte er auch in Argos
leicht bekannt werden, und der todfeind Spartas stand diesmal auch
wider Athen. die Argiver schnitten die Athener von ihren schiffen ab;
die Aegineten benutzten deren verwirrung zu einem seegefecht. und
wenn auch die meisten attischen schiffe heil nach hause kamen, so
konnten sich doch von dem heere nur ganz wenige retten. es war
ein starker schlag, den man namentlich im ehrgefühle noch lange

30) Vgl. die beilage ‘der erste krieg mit Aegina’.
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[89/0099] Aenderung der strategie. der aeginetische krieg. hauptanlaſs zu der flottengründung gegeben hat, wird allgemein berichtet. wir können den krieg aber nur ungefähr datiren und hören wenig, weil Athen ungern von ihm sprach. 30) Seit Athen an eine seemacht dachte, war ihm die damals als eine hochburg des Dorertums blühende stadt, die dem Pindaros die liebste gewesen ist, ein dorn im auge, und 491 hatte es eine günstige gelegenheit gefunden, Aegina im Hellenenbunde zu discreditiren, weil seine herren, an deren hellenischem patriotismus seit Aiakos und Telamons zeiten kein zweifel war, dem könig Dareios gehuldigt hatten oder gehuldigt haben sollten. die herren hatten auch an ihren handel zu denken, und der Perser war weit; sie mochten die sache als eine leere höflichkeit ansehen, und es war vielleicht nicht mehr. aber der vorwand war vor- züglich, und man meint das diplomatische geschick des Themistokles zu spüren, wenn man hört, wie Sparta auf die attische anzeige hin ein- schreitet und nach einigen weiterungen durchsetzt, daſs eine anzahl der angesehensten Aegineten nach Athen als geiseln für das wolverhalten der stadt, die ja zum peloponnesischen bunde gehörte, ausgeliefert wur- den. Athen behielt dieses wertvolle pfand auch, als Kleomenes starb, und in Sparta der wind umschlug. und es versuchte nun einen ent- scheidenden schlag zu tun. auch in Aegina gab es, wie überall, eine dem herrschenden adel abgeneigte partei, die unter der flagge der de- mokratie zur herrschaft zu kommen strebte. mit dieser knüpfte Athen an; es ward eine combinirte action verabredet, aufstand in der stadt Aegina und landung eines athenischen heeres. Athen verschaffte sich zu dem behufe 20 schiffe von Korinth, da sein bestand für den transport der hopliten nicht reichte. aber der plan mislang, weil der aufstand zu früh losbrach. gleichwol konnten die Aegineten in der verwirrung die landung der Athener nicht hindern, die sich zu der belagerung der stadt von der landseite anschickten. und die sache wäre vielleicht doch noch gelungen, wenn nicht ein freiwilligencorps von Argos gekommen wäre. da die Korinther von dem zuge wuſsten, konnte er auch in Argos leicht bekannt werden, und der todfeind Spartas stand diesmal auch wider Athen. die Argiver schnitten die Athener von ihren schiffen ab; die Aegineten benutzten deren verwirrung zu einem seegefecht. und wenn auch die meisten attischen schiffe heil nach hause kamen, so konnten sich doch von dem heere nur ganz wenige retten. es war ein starker schlag, den man namentlich im ehrgefühle noch lange Der aegine- tische krieg. 30) Vgl. die beilage ‘der erste krieg mit Aegina’.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/99>, abgerufen am 29.03.2024.