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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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Die grossen adelshäuser. sturz der tyrannis.
Alkmeoniden heim. auch der Keryke Kallias steht feindlich zu Peisi-
stratos. aber man spürt nachher nichts von dieser opposition; einzelne
mögen geflohen sein, die meisten duckten sich und frondirten höchstens
im stillen.

Nur die Alkmeoniden blieben auch in der verbannung tätig und
gefährlich. sie waren an besitz macht und ansehn den Philaiden gleich.
hatten sich jene den korinthischen tyrannen verschwägert, so war Megakles,
der rival des Peisistratos, der eidam des fürsten von Sikyon, dessen namen
sein sohn führte. obwol am nordrande der attischen ebne angesessen,
führte Megakles die partei der Paraler und trat für die solonische ver-
fassung ein, hatte auch versucht mit Peisistratos sich zu vertragen, aber
eine schwere persönliche kränkung hatte den zwist unversönlich gemacht.
ein attisches lied, nicht von einem der höfischen poeten, sondern ein
schlichtes volkslied, wie man sie beim weine improvisirte, hat die er-
innerung an einen versuch der Alkmeoniden erhalten, mit gewaffneter
hand Attika den tyrannen zu entreissen. aber der versuch mislang, da
das volk sich nicht erhob. für eine adelsfaction erwärmten sich nur
ihresgleichen, und wie man damals über die Alkmeoniden dachte, lehrt
eben das lied:

Weh Leipsydrion, verräterfeste,
hast verraten unsre kameraden,
wackre streiter, adlich blut:
fochten, fielen würdig ihrer ahnen.

So lange sie ihre popularität behielt, war die tyrannis sicher, dieSturz der
tyrannis.

ja alles andere als eine gewaltherrschaft war. sie verscherzte sie durch
eine an sich gleichgiltige reiberei, die der bastardbruder der tyrannen
mit ein par adlichen aus Aphidna angefangen hatte. Harmodios und
Aristogeiton waren Diakrier wie die herrscher und verkehrten mit ihnen:
demokratische ideale lagen ihnen sehr fern. aber als sie beleidigt waren,
zettelten sie eine verschwörung an, die zwar den tod der herrscher und
die revolution plante, aber schwerlich zu gunsten der demokratie. sie
kostete, obwol sie mislang, dem beliebten Hipparchos das leben und ver-
bitterte den Hippias, der sein leben bedroht sah und zu scharfen mass-
regeln schritt. das wandte die bevölkerung von ihm ab, vollends als er

der vater des feldherrn von Pallene Leogoras steht als schatzmeister Athenas CIA
IV p. 199: er hat die an sich lächerliche behauptung ad absurdum geführt, dass das
geschlecht erst durch seinen letzten spross, der es vielmehr in schande brachte, no-
bilitirt wäre. der töpfer Andokides ist natürlich ein client des vornehmen hauses.
sonst kenne ich den namen nur aus Thessalien Bull. Corr. Hell. XIV 243.

Die groſsen adelshäuser. sturz der tyrannis.
Alkmeoniden heim. auch der Keryke Kallias steht feindlich zu Peisi-
stratos. aber man spürt nachher nichts von dieser opposition; einzelne
mögen geflohen sein, die meisten duckten sich und frondirten höchstens
im stillen.

Nur die Alkmeoniden blieben auch in der verbannung tätig und
gefährlich. sie waren an besitz macht und ansehn den Philaiden gleich.
hatten sich jene den korinthischen tyrannen verschwägert, so war Megakles,
der rival des Peisistratos, der eidam des fürsten von Sikyon, dessen namen
sein sohn führte. obwol am nordrande der attischen ebne angesessen,
führte Megakles die partei der Paraler und trat für die solonische ver-
fassung ein, hatte auch versucht mit Peisistratos sich zu vertragen, aber
eine schwere persönliche kränkung hatte den zwist unversönlich gemacht.
ein attisches lied, nicht von einem der höfischen poeten, sondern ein
schlichtes volkslied, wie man sie beim weine improvisirte, hat die er-
innerung an einen versuch der Alkmeoniden erhalten, mit gewaffneter
hand Attika den tyrannen zu entreiſsen. aber der versuch mislang, da
das volk sich nicht erhob. für eine adelsfaction erwärmten sich nur
ihresgleichen, und wie man damals über die Alkmeoniden dachte, lehrt
eben das lied:

Weh Leipsydrion, verräterfeste,
hast verraten unsre kameraden,
wackre streiter, adlich blut:
fochten, fielen würdig ihrer ahnen.

So lange sie ihre popularität behielt, war die tyrannis sicher, dieSturz der
tyrannis.

ja alles andere als eine gewaltherrschaft war. sie verscherzte sie durch
eine an sich gleichgiltige reiberei, die der bastardbruder der tyrannen
mit ein par adlichen aus Aphidna angefangen hatte. Harmodios und
Aristogeiton waren Diakrier wie die herrscher und verkehrten mit ihnen:
demokratische ideale lagen ihnen sehr fern. aber als sie beleidigt waren,
zettelten sie eine verschwörung an, die zwar den tod der herrscher und
die revolution plante, aber schwerlich zu gunsten der demokratie. sie
kostete, obwol sie mislang, dem beliebten Hipparchos das leben und ver-
bitterte den Hippias, der sein leben bedroht sah und zu scharfen maſs-
regeln schritt. das wandte die bevölkerung von ihm ab, vollends als er

der vater des feldherrn von Pallene Leogoras steht als schatzmeister Athenas CIA
IV p. 199: er hat die an sich lächerliche behauptung ad absurdum geführt, daſs das
geschlecht erst durch seinen letzten sproſs, der es vielmehr in schande brachte, no-
bilitirt wäre. der töpfer Andokides ist natürlich ein client des vornehmen hauses.
sonst kenne ich den namen nur aus Thessalien Bull. Corr. Hell. XIV 243.
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[75/0085] Die groſsen adelshäuser. sturz der tyrannis. Alkmeoniden heim. auch der Keryke Kallias steht feindlich zu Peisi- stratos. aber man spürt nachher nichts von dieser opposition; einzelne mögen geflohen sein, die meisten duckten sich und frondirten höchstens im stillen. Nur die Alkmeoniden blieben auch in der verbannung tätig und gefährlich. sie waren an besitz macht und ansehn den Philaiden gleich. hatten sich jene den korinthischen tyrannen verschwägert, so war Megakles, der rival des Peisistratos, der eidam des fürsten von Sikyon, dessen namen sein sohn führte. obwol am nordrande der attischen ebne angesessen, führte Megakles die partei der Paraler und trat für die solonische ver- fassung ein, hatte auch versucht mit Peisistratos sich zu vertragen, aber eine schwere persönliche kränkung hatte den zwist unversönlich gemacht. ein attisches lied, nicht von einem der höfischen poeten, sondern ein schlichtes volkslied, wie man sie beim weine improvisirte, hat die er- innerung an einen versuch der Alkmeoniden erhalten, mit gewaffneter hand Attika den tyrannen zu entreiſsen. aber der versuch mislang, da das volk sich nicht erhob. für eine adelsfaction erwärmten sich nur ihresgleichen, und wie man damals über die Alkmeoniden dachte, lehrt eben das lied: Weh Leipsydrion, verräterfeste, hast verraten unsre kameraden, wackre streiter, adlich blut: fochten, fielen würdig ihrer ahnen. So lange sie ihre popularität behielt, war die tyrannis sicher, die ja alles andere als eine gewaltherrschaft war. sie verscherzte sie durch eine an sich gleichgiltige reiberei, die der bastardbruder der tyrannen mit ein par adlichen aus Aphidna angefangen hatte. Harmodios und Aristogeiton waren Diakrier wie die herrscher und verkehrten mit ihnen: demokratische ideale lagen ihnen sehr fern. aber als sie beleidigt waren, zettelten sie eine verschwörung an, die zwar den tod der herrscher und die revolution plante, aber schwerlich zu gunsten der demokratie. sie kostete, obwol sie mislang, dem beliebten Hipparchos das leben und ver- bitterte den Hippias, der sein leben bedroht sah und zu scharfen maſs- regeln schritt. das wandte die bevölkerung von ihm ab, vollends als er 5) Sturz der tyrannis. 5) der vater des feldherrn von Pallene Leogoras steht als schatzmeister Athenas CIA IV p. 199: er hat die an sich lächerliche behauptung ad absurdum geführt, daſs das geschlecht erst durch seinen letzten sproſs, der es vielmehr in schande brachte, no- bilitirt wäre. der töpfer Andokides ist natürlich ein client des vornehmen hauses. sonst kenne ich den namen nur aus Thessalien Bull. Corr. Hell. XIV 243.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/85>, abgerufen am 29.03.2024.