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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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III. 10. Die paragraphe und Lysias gegen Pankleon.
folgert der einzige nicht erzählende sondern raisonnirende paragraph (12)
der rede. ziemlich äusserlich angeflickt kommt noch ein beweismoment
nach, das auch sachlich nicht viel besagt. ein gewisser Aristodikos und
ein par andere leute bezeugen, dass Pankleon vor 8 jahren in einem
processe, den er mit Aristodikos hatte, schon dieselbe einsprache er-
hoben hätte, er dürfte nicht als metoeke belangt werden, da er Plataeer
wäre. es war damals aber zu keiner besondern verhandlung über die
paragraphe gekommen, sondern innerhalb der reden über den eigent-
lichen gegenstand der klage hatte Pankleon seine behauptung gemacht,
Aristodikos sie durch einen zeugen widerlegt. um nun das urteil zu
verhindern, hatte Pankleon vor der abstimmung die klage falschen zeug-
nisses wider jenen zeugen erhoben.7) allein das war nur eine finte ge-
wesen, um zeit zu gewinnen. er liess die frist verstreichen, die für die
angemeldete klage gesetzt war, und so ward er rechtskräftig in der
hauptsache verurteilt. statt nun dem Aristodikos zu zahlen, entwich er
auf eine weile nach Theben, wo er natürlich nicht als Plataeer sondern
unter irgend einer andern fingirten herkunft als metoeke lebte. schliess-
lich zog er doch vor sich mit Aristodikos zu vergleichen, der froh sein
mochte, einen teil seiner forderung zu erhalten, und kehrte nach
Athen heim.

Diese ganze geschichte, die höchstens beweist, dass Pankleon kein
Plataeer ist, hat nicht viel auf sich; der kläger hatte wol, ehe er die
stärkere position durch Nikomedes erhielt, schon Aristodikos als zeugen
gewonnen und mochte ihn nun nicht fallen lassen. der redner findet
auch nur mit einer gequälten wendung den übergang zu dem handel
des Aristodikos8) und bricht kurz ab, mit einem wirkungsvollen "das
wird genügen; wenn ihr es im gedächtnis behaltet (nicht durch die winkel-
züge des nun auftretenden Pankleon verwischen lasst), so werdet ihr
nach recht und wahrheit entscheiden; nur darum bitte ich".9) was

7) Ueber die modalität der episkepsis pseudomarturion ist jetzt klarheit durch
Aristoteles col. 37. das urteil wird natürlich trotzdem sofort gefällt, aber nur in
eventum. rechtskräftig wird es erst, wenn entweder die (uns wol unbekannte) frist
für die einreichung der klage verstrichen ist, oder der episkepsamenos in ihr unter-
legen. dann muss auf antrag der obsiegenden partei formell die rechtsgiltigkeit des
urteils ausgesprochen sein. das ist hier eiase katadikasasthai autou ton Ari-
stodikon.
8) 13 'bewiesen ist, dass er sich nicht von fern selbst für einen Plataeer hält;
nun sollt ihr erkennen, dass er sich auch nicht einmal getraut, euch zu diesem
glauben bestimmen zu können'.
9) oid oti ta te dikaia kai talethe psephieisthe; a kai (kai aKh) ego uman

III. 10. Die παϱαγϱαφὴ und Lysias gegen Pankleon.
folgert der einzige nicht erzählende sondern raisonnirende paragraph (12)
der rede. ziemlich äuſserlich angeflickt kommt noch ein beweismoment
nach, das auch sachlich nicht viel besagt. ein gewisser Aristodikos und
ein par andere leute bezeugen, daſs Pankleon vor 8 jahren in einem
processe, den er mit Aristodikos hatte, schon dieselbe einsprache er-
hoben hätte, er dürfte nicht als metoeke belangt werden, da er Plataeer
wäre. es war damals aber zu keiner besondern verhandlung über die
παϱαγϱαφή gekommen, sondern innerhalb der reden über den eigent-
lichen gegenstand der klage hatte Pankleon seine behauptung gemacht,
Aristodikos sie durch einen zeugen widerlegt. um nun das urteil zu
verhindern, hatte Pankleon vor der abstimmung die klage falschen zeug-
nisses wider jenen zeugen erhoben.7) allein das war nur eine finte ge-
wesen, um zeit zu gewinnen. er lieſs die frist verstreichen, die für die
angemeldete klage gesetzt war, und so ward er rechtskräftig in der
hauptsache verurteilt. statt nun dem Aristodikos zu zahlen, entwich er
auf eine weile nach Theben, wo er natürlich nicht als Plataeer sondern
unter irgend einer andern fingirten herkunft als metoeke lebte. schlieſs-
lich zog er doch vor sich mit Aristodikos zu vergleichen, der froh sein
mochte, einen teil seiner forderung zu erhalten, und kehrte nach
Athen heim.

Diese ganze geschichte, die höchstens beweist, daſs Pankleon kein
Plataeer ist, hat nicht viel auf sich; der kläger hatte wol, ehe er die
stärkere position durch Nikomedes erhielt, schon Aristodikos als zeugen
gewonnen und mochte ihn nun nicht fallen lassen. der redner findet
auch nur mit einer gequälten wendung den übergang zu dem handel
des Aristodikos8) und bricht kurz ab, mit einem wirkungsvollen “das
wird genügen; wenn ihr es im gedächtnis behaltet (nicht durch die winkel-
züge des nun auftretenden Pankleon verwischen laſst), so werdet ihr
nach recht und wahrheit entscheiden; nur darum bitte ich”.9) was

7) Ueber die modalität der ἐπίσκηψις ψευδομαϱτυϱιῶν ist jetzt klarheit durch
Aristoteles col. 37. das urteil wird natürlich trotzdem sofort gefällt, aber nur in
eventum. rechtskräftig wird es erst, wenn entweder die (uns wol unbekannte) frist
für die einreichung der klage verstrichen ist, oder der ἐπισκηψάμενος in ihr unter-
legen. dann muſs auf antrag der obsiegenden partei formell die rechtsgiltigkeit des
urteils ausgesprochen sein. das ist hier εἴασε καταδικάσασϑαι αὑτοῦ τὸν Ἀϱι-
στόδικον.
8) 13 ‘bewiesen ist, daſs er sich nicht von fern selbst für einen Plataeer hält;
nun sollt ihr erkennen, daſs er sich auch nicht einmal getraut, euch zu diesem
glauben bestimmen zu können’.
9) οἶδ̕ ὅτι τά τε δίκαια καὶ τἀληϑῆ ψηφιεῖσϑε· ἃ καὶ (καὶ ἃΧ) ἐγὼ ὑμᾶν
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[372/0382] III. 10. Die παϱαγϱαφὴ und Lysias gegen Pankleon. folgert der einzige nicht erzählende sondern raisonnirende paragraph (12) der rede. ziemlich äuſserlich angeflickt kommt noch ein beweismoment nach, das auch sachlich nicht viel besagt. ein gewisser Aristodikos und ein par andere leute bezeugen, daſs Pankleon vor 8 jahren in einem processe, den er mit Aristodikos hatte, schon dieselbe einsprache er- hoben hätte, er dürfte nicht als metoeke belangt werden, da er Plataeer wäre. es war damals aber zu keiner besondern verhandlung über die παϱαγϱαφή gekommen, sondern innerhalb der reden über den eigent- lichen gegenstand der klage hatte Pankleon seine behauptung gemacht, Aristodikos sie durch einen zeugen widerlegt. um nun das urteil zu verhindern, hatte Pankleon vor der abstimmung die klage falschen zeug- nisses wider jenen zeugen erhoben. 7) allein das war nur eine finte ge- wesen, um zeit zu gewinnen. er lieſs die frist verstreichen, die für die angemeldete klage gesetzt war, und so ward er rechtskräftig in der hauptsache verurteilt. statt nun dem Aristodikos zu zahlen, entwich er auf eine weile nach Theben, wo er natürlich nicht als Plataeer sondern unter irgend einer andern fingirten herkunft als metoeke lebte. schlieſs- lich zog er doch vor sich mit Aristodikos zu vergleichen, der froh sein mochte, einen teil seiner forderung zu erhalten, und kehrte nach Athen heim. Diese ganze geschichte, die höchstens beweist, daſs Pankleon kein Plataeer ist, hat nicht viel auf sich; der kläger hatte wol, ehe er die stärkere position durch Nikomedes erhielt, schon Aristodikos als zeugen gewonnen und mochte ihn nun nicht fallen lassen. der redner findet auch nur mit einer gequälten wendung den übergang zu dem handel des Aristodikos 8) und bricht kurz ab, mit einem wirkungsvollen “das wird genügen; wenn ihr es im gedächtnis behaltet (nicht durch die winkel- züge des nun auftretenden Pankleon verwischen laſst), so werdet ihr nach recht und wahrheit entscheiden; nur darum bitte ich”. 9) was 7) Ueber die modalität der ἐπίσκηψις ψευδομαϱτυϱιῶν ist jetzt klarheit durch Aristoteles col. 37. das urteil wird natürlich trotzdem sofort gefällt, aber nur in eventum. rechtskräftig wird es erst, wenn entweder die (uns wol unbekannte) frist für die einreichung der klage verstrichen ist, oder der ἐπισκηψάμενος in ihr unter- legen. dann muſs auf antrag der obsiegenden partei formell die rechtsgiltigkeit des urteils ausgesprochen sein. das ist hier εἴασε καταδικάσασϑαι αὑτοῦ τὸν Ἀϱι- στόδικον. 8) 13 ‘bewiesen ist, daſs er sich nicht von fern selbst für einen Plataeer hält; nun sollt ihr erkennen, daſs er sich auch nicht einmal getraut, euch zu diesem glauben bestimmen zu können’. 9) οἶδ̕ ὅτι τά τε δίκαια καὶ τἀληϑῆ ψηφιεῖσϑε· ἃ καὶ (καὶ ἃΧ) ἐγὼ ὑμᾶν

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/382>, abgerufen am 20.04.2024.