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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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III. 6. Das siebente pythische gedicht des Pindaros.
zu uns spricht, in dem Olympiasieger einen Megakles fälschlich gesucht
hat, während nur ein Alkmeonide nötig war, aber der gelehrte, der
diese frage wirklich untersuchte, vielmehr in verlegenheit war, weil er
sowol den sieg des Alkmeon rechnen musste, wie auch einen Megakles
Athenaios als sieger in der sechsundzwanzigsten olympiade fand: Pindar
aber weiss nur von einem siege der Alkmeoniden in Olympia. so hat
jener gelehrte sich, vermutlich richtig, mit einer homonymie geholfen;
wir müssen nur das den satz zerreissende de beseitigen. dass die zweite
zahl, 26 in D, eine Olympiade ist, keine Pythiade, ist das eine wichtige:
aber Kallierges im ersten drucke der scholien, der auf B zurückgeht,
hat diesen zusatz auch nicht, so dass er vielleicht unserer guten über-
lieferung überhaupt fehlt3); dass an dieser stelle B dieselbe zahl pe hat
wie oben, zeigt freilich, dass der schreiber annahm, es müsste hier der
sieger dieses liedes gemeint sein. wichtiger noch ist die zahl 25 für 88.
den schreibfehler pe für ke kann ich nicht erklären, aber D ist ein
zeuge kaum schlechter als B, und wir sind meines erachtens gehalten
ihm zu folgen. dann ist das gedicht 486 nach dem august verfasst,
vorausgesetzt, dass wir die Pythiaden zählen wie die scholien und Bergk,
nicht wie Boeckh. 486 in den monaten februar märz ist Megakles von
dem ostrakismos betroffen. das nahm ihm weder die bürgerliche ehre
noch schädigte es sein vermögen noch hinderte es ihn, in Delphi zu sein
und ein viergespann rennen zu lassen. man war ein parteihaupt, wenn
einem so etwas zustiess, und konnte hoffen wieder an die spitze des
volkes zu treten; aber es war doch zunächst ein rückschlag, und wenn
ein dichter, diesmal noch kein hochberühmter, aber doch ein standes-
genosse, der für die familie schon einmal tätig gewesen war, sechs
monate oder weniger nach dem volksgerichte ein festlied für Megakles
macht, so wird das nicht jeder beziehung auf die situation entbehren.

Pindar nun spricht also durch den mund des chores zu Megakles.
"Athen, die erhabene stadt, ist für das mächtige Alkmeonidengeschlecht
der schönste anfang eines liedes auf einen wagensieg. denn kein vater-
land und kein haus kann ich nennen4), dessen name in Hellas so stralend

3) Meine vermutung hat sich bestätigt. Graeven bezeugt mir das fehlen von
puthiada im Vaticanus.
4) Epei tina patran tina t oikon NAION onumaxomai epiphanesteron
Elladi puthesthai. die scholien lehren, dass so wie ich geschrieben habe die über-
lieferung war, die in alter und neuer zeit vergeblich angefasst worden ist, weil für
den sinn nichts fehlt. ein genetivus partitivus schadet nur, da er nicht auf patra
patris, nicht patria, sonst ist es tautologisch) mit bezogen werden kann. den

III. 6. Das siebente pythische gedicht des Pindaros.
zu uns spricht, in dem Olympiasieger einen Megakles fälschlich gesucht
hat, während nur ein Alkmeonide nötig war, aber der gelehrte, der
diese frage wirklich untersuchte, vielmehr in verlegenheit war, weil er
sowol den sieg des Alkmeon rechnen muſste, wie auch einen Μεγακλῆς
Ἀϑηναῖος als sieger in der sechsundzwanzigsten olympiade fand: Pindar
aber weiſs nur von einem siege der Alkmeoniden in Olympia. so hat
jener gelehrte sich, vermutlich richtig, mit einer homonymie geholfen;
wir müssen nur das den satz zerreiſsende δέ beseitigen. daſs die zweite
zahl, 26 in D, eine Olympiade ist, keine Pythiade, ist das eine wichtige:
aber Kallierges im ersten drucke der scholien, der auf B zurückgeht,
hat diesen zusatz auch nicht, so daſs er vielleicht unserer guten über-
lieferung überhaupt fehlt3); daſs an dieser stelle B dieselbe zahl πη hat
wie oben, zeigt freilich, daſs der schreiber annahm, es müſste hier der
sieger dieses liedes gemeint sein. wichtiger noch ist die zahl 25 für 88.
den schreibfehler πη für κε kann ich nicht erklären, aber D ist ein
zeuge kaum schlechter als B, und wir sind meines erachtens gehalten
ihm zu folgen. dann ist das gedicht 486 nach dem august verfaſst,
vorausgesetzt, daſs wir die Pythiaden zählen wie die scholien und Bergk,
nicht wie Boeckh. 486 in den monaten februar märz ist Megakles von
dem ostrakismos betroffen. das nahm ihm weder die bürgerliche ehre
noch schädigte es sein vermögen noch hinderte es ihn, in Delphi zu sein
und ein viergespann rennen zu lassen. man war ein parteihaupt, wenn
einem so etwas zustieſs, und konnte hoffen wieder an die spitze des
volkes zu treten; aber es war doch zunächst ein rückschlag, und wenn
ein dichter, diesmal noch kein hochberühmter, aber doch ein standes-
genosse, der für die familie schon einmal tätig gewesen war, sechs
monate oder weniger nach dem volksgerichte ein festlied für Megakles
macht, so wird das nicht jeder beziehung auf die situation entbehren.

Pindar nun spricht also durch den mund des chores zu Megakles.
“Athen, die erhabene stadt, ist für das mächtige Alkmeonidengeschlecht
der schönste anfang eines liedes auf einen wagensieg. denn kein vater-
land und kein haus kann ich nennen4), dessen name in Hellas so stralend

3) Meine vermutung hat sich bestätigt. Graeven bezeugt mir das fehlen von
πυϑιάδα im Vaticanus.
4) Ἐπεὶ τίνα πάτϱαν τίνα τ̕ οἶκον ΝΑΙΩΝ ὀνυμάξομαι ἐπιφανέστεϱον
Ἑλλάδι πυϑέσϑαι. die scholien lehren, daſs so wie ich geschrieben habe die über-
lieferung war, die in alter und neuer zeit vergeblich angefaſst worden ist, weil für
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[325/0335] III. 6. Das siebente pythische gedicht des Pindaros. zu uns spricht, in dem Olympiasieger einen Megakles fälschlich gesucht hat, während nur ein Alkmeonide nötig war, aber der gelehrte, der diese frage wirklich untersuchte, vielmehr in verlegenheit war, weil er sowol den sieg des Alkmeon rechnen muſste, wie auch einen Μεγακλῆς Ἀϑηναῖος als sieger in der sechsundzwanzigsten olympiade fand: Pindar aber weiſs nur von einem siege der Alkmeoniden in Olympia. so hat jener gelehrte sich, vermutlich richtig, mit einer homonymie geholfen; wir müssen nur das den satz zerreiſsende δέ beseitigen. daſs die zweite zahl, 26 in D, eine Olympiade ist, keine Pythiade, ist das eine wichtige: aber Kallierges im ersten drucke der scholien, der auf B zurückgeht, hat diesen zusatz auch nicht, so daſs er vielleicht unserer guten über- lieferung überhaupt fehlt 3); daſs an dieser stelle B dieselbe zahl πη hat wie oben, zeigt freilich, daſs der schreiber annahm, es müſste hier der sieger dieses liedes gemeint sein. wichtiger noch ist die zahl 25 für 88. den schreibfehler πη für κε kann ich nicht erklären, aber D ist ein zeuge kaum schlechter als B, und wir sind meines erachtens gehalten ihm zu folgen. dann ist das gedicht 486 nach dem august verfaſst, vorausgesetzt, daſs wir die Pythiaden zählen wie die scholien und Bergk, nicht wie Boeckh. 486 in den monaten februar märz ist Megakles von dem ostrakismos betroffen. das nahm ihm weder die bürgerliche ehre noch schädigte es sein vermögen noch hinderte es ihn, in Delphi zu sein und ein viergespann rennen zu lassen. man war ein parteihaupt, wenn einem so etwas zustieſs, und konnte hoffen wieder an die spitze des volkes zu treten; aber es war doch zunächst ein rückschlag, und wenn ein dichter, diesmal noch kein hochberühmter, aber doch ein standes- genosse, der für die familie schon einmal tätig gewesen war, sechs monate oder weniger nach dem volksgerichte ein festlied für Megakles macht, so wird das nicht jeder beziehung auf die situation entbehren. Pindar nun spricht also durch den mund des chores zu Megakles. “Athen, die erhabene stadt, ist für das mächtige Alkmeonidengeschlecht der schönste anfang eines liedes auf einen wagensieg. denn kein vater- land und kein haus kann ich nennen 4), dessen name in Hellas so stralend 3) Meine vermutung hat sich bestätigt. Graeven bezeugt mir das fehlen von πυϑιάδα im Vaticanus. 4) Ἐπεὶ τίνα πάτϱαν τίνα τ̕ οἶκον ΝΑΙΩΝ ὀνυμάξομαι ἐπιφανέστεϱον Ἑλλάδι πυϑέσϑαι. die scholien lehren, daſs so wie ich geschrieben habe die über- lieferung war, die in alter und neuer zeit vergeblich angefaſst worden ist, weil für den sinn nichts fehlt. ein genetivus partitivus schadet nur, da er nicht auf πάτϱα πατϱίς, nicht πατϱιά, sonst ist es tautologisch) mit bezogen werden kann. den

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/335>, abgerufen am 20.04.2024.