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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.
reich die mythen sind, nirgend auch nur eine spur einer älteren ge-
schichtlichen überlieferung. auch die specialschriften, wie Kineas und
Suidas über Thessalien, Aristophanes und Krates die Boeoter, sind
schwerlich älter als das dritte jahrhundert. und Delphi, das dem Herodotos
so reiches material geliefert hatte, dessen Pythioniken Aristoteles selbst
bearbeitete, ist bis in die spätere hellenistische zeit illitterat geblieben.

ArgosIm Peloponnes erweist sich Argos durch die Herapriesterinnen und
eine grosse zahl von chroniken in versen und prosa als die alte capi-
tale; die übrigen orte der Argolis dürften von ihm abhängen, nur
Trozen hat eine reichere antiquarische und genealogische tradition. dass
die bedeutung des Asklepios von Epidauros verhältnismässig jung ist,
haben die ausgrabungen gelehrt. immerhin besass selbst ein minder
bedeutendes heiligtum wie das des Poseidon von Kalaureia eine so
wichtige urkunde wie die von Ephoros (Strab. 374) benutzte, die unsere
geschichte zur zeit noch ganz unvermögend ist zeitlich einzuordnen.

ArkadienArkadien ist ganz barbarisch bis auf die hochebene des ostens.
doch hier hütete Tegea in seinem reichen tempel einen schatz von ur-
kunden und traditionen; das früh demokratisirte Mantineia kam vielleicht
mehr noch für nomoi als für die politeia in betracht. Aristoteles
konnte tegeatische urkunden bereits benutzen (Plut. qu. Gr. 5)17), auch
machen die reste der tegeatischen schriftsteller Ariaithos (oder Araithos)
und Aristippos oder wenigstens der erste den eindruck des alters.18)

ElisElis besass, seit es Olympias herr und durch seine bauerndemo-
kratie zu macht gelangt war, eine grosse bedeutung und auffallend
starke geistige regsamkeit. seit Hippias die festchronik, die höher als
jede andere hinaufreichte, zuerst bearbeitet hat, gibt es eine so grosse
zahl von schriftstellern wie kaum über eine andere landschaft.19) und

geschichte erzeugt. Pausanias sah sich genötigt, die lücke zu verdecken, indem er
die ionische wanderung erzählte. ein par schriftsteller peri Akhaias sind obscur und
sicherlich nicht alt.
17) Epigramm eines Sodamos aus Tegea. schol. Eurip. Hipp. 264.
18) Teutiaplos, Komarchos, Ekephylidas, Apellas, Iollas, Agaklytos, Istros,
Aristodemos, Polemon.
19) Die Arkadika des Pausanias geben eine geschlossene, aber besonders junge
und geringhaltige genealogie. wie früh dagegen von Tegea aus eine auf ganz Ar-
kadien berechnete aufgebracht war, lehrt das epigramm in Delphi, Pausan. X 9,
Pomtow Beitr. zur Topogr. von Delphi t. XIV 39. Aristoteles stellte neben die
einzelpolitien die neue organisation des Epaminondas, die koine politeia, die gar
keine historische einleitung hatte (Harpokr. murioi). von der Mantineon ist zu-
fällig nichts erhalten, aber die Politik (Z 4) bezeugt sie.

I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.
reich die mythen sind, nirgend auch nur eine spur einer älteren ge-
schichtlichen überlieferung. auch die specialschriften, wie Kineas und
Suidas über Thessalien, Aristophanes und Krates die Boeoter, sind
schwerlich älter als das dritte jahrhundert. und Delphi, das dem Herodotos
so reiches material geliefert hatte, dessen Pythioniken Aristoteles selbst
bearbeitete, ist bis in die spätere hellenistische zeit illitterat geblieben.

ArgosIm Peloponnes erweist sich Argos durch die Herapriesterinnen und
eine groſse zahl von chroniken in versen und prosa als die alte capi-
tale; die übrigen orte der Argolis dürften von ihm abhängen, nur
Trozen hat eine reichere antiquarische und genealogische tradition. daſs
die bedeutung des Asklepios von Epidauros verhältnismäſsig jung ist,
haben die ausgrabungen gelehrt. immerhin besaſs selbst ein minder
bedeutendes heiligtum wie das des Poseidon von Kalaureia eine so
wichtige urkunde wie die von Ephoros (Strab. 374) benutzte, die unsere
geschichte zur zeit noch ganz unvermögend ist zeitlich einzuordnen.

ArkadienArkadien ist ganz barbarisch bis auf die hochebene des ostens.
doch hier hütete Tegea in seinem reichen tempel einen schatz von ur-
kunden und traditionen; das früh demokratisirte Mantineia kam vielleicht
mehr noch für νόμοι als für die πολιτεία in betracht. Aristoteles
konnte tegeatische urkunden bereits benutzen (Plut. qu. Gr. 5)17), auch
machen die reste der tegeatischen schriftsteller Ariaithos (oder Araithos)
und Aristippos oder wenigstens der erste den eindruck des alters.18)

ElisElis besaſs, seit es Olympias herr und durch seine bauerndemo-
kratie zu macht gelangt war, eine groſse bedeutung und auffallend
starke geistige regsamkeit. seit Hippias die festchronik, die höher als
jede andere hinaufreichte, zuerst bearbeitet hat, gibt es eine so groſse
zahl von schriftstellern wie kaum über eine andere landschaft.19) und

geschichte erzeugt. Pausanias sah sich genötigt, die lücke zu verdecken, indem er
die ionische wanderung erzählte. ein par schriftsteller πεϱὶ Ἀχαίας sind obscur und
sicherlich nicht alt.
17) Epigramm eines Sodamos aus Tegea. schol. Eurip. Hipp. 264.
18) Teutiaplos, Komarchos, Ekephylidas, Apellas, Iollas, Agaklytos, Istros,
Aristodemos, Polemon.
19) Die Arkadika des Pausanias geben eine geschlossene, aber besonders junge
und geringhaltige genealogie. wie früh dagegen von Tegea aus eine auf ganz Ar-
kadien berechnete aufgebracht war, lehrt das epigramm in Delphi, Pausan. X 9,
Pomtow Beitr. zur Topogr. von Delphi t. XIV 39. Aristoteles stellte neben die
einzelpolitien die neue organisation des Epaminondas, die κοινὴ πολιτεία, die gar
keine historische einleitung hatte (Harpokr. μυϱίοι). von der Μαντινέων ist zu-
fällig nichts erhalten, aber die Politik (Z 4) bezeugt sie.
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[22/0032] I. 1. Die quellen der griechischen geschichte. reich die mythen sind, nirgend auch nur eine spur einer älteren ge- schichtlichen überlieferung. auch die specialschriften, wie Kineas und Suidas über Thessalien, Aristophanes und Krates die Boeoter, sind schwerlich älter als das dritte jahrhundert. und Delphi, das dem Herodotos so reiches material geliefert hatte, dessen Pythioniken Aristoteles selbst bearbeitete, ist bis in die spätere hellenistische zeit illitterat geblieben. Im Peloponnes erweist sich Argos durch die Herapriesterinnen und eine groſse zahl von chroniken in versen und prosa als die alte capi- tale; die übrigen orte der Argolis dürften von ihm abhängen, nur Trozen hat eine reichere antiquarische und genealogische tradition. daſs die bedeutung des Asklepios von Epidauros verhältnismäſsig jung ist, haben die ausgrabungen gelehrt. immerhin besaſs selbst ein minder bedeutendes heiligtum wie das des Poseidon von Kalaureia eine so wichtige urkunde wie die von Ephoros (Strab. 374) benutzte, die unsere geschichte zur zeit noch ganz unvermögend ist zeitlich einzuordnen. Argos Arkadien ist ganz barbarisch bis auf die hochebene des ostens. doch hier hütete Tegea in seinem reichen tempel einen schatz von ur- kunden und traditionen; das früh demokratisirte Mantineia kam vielleicht mehr noch für νόμοι als für die πολιτεία in betracht. Aristoteles konnte tegeatische urkunden bereits benutzen (Plut. qu. Gr. 5) 17), auch machen die reste der tegeatischen schriftsteller Ariaithos (oder Araithos) und Aristippos oder wenigstens der erste den eindruck des alters. 18) Arkadien Elis besaſs, seit es Olympias herr und durch seine bauerndemo- kratie zu macht gelangt war, eine groſse bedeutung und auffallend starke geistige regsamkeit. seit Hippias die festchronik, die höher als jede andere hinaufreichte, zuerst bearbeitet hat, gibt es eine so groſse zahl von schriftstellern wie kaum über eine andere landschaft. 19) und 16) Elis 17) Epigramm eines Sodamos aus Tegea. schol. Eurip. Hipp. 264. 18) Teutiaplos, Komarchos, Ekephylidas, Apellas, Iollas, Agaklytos, Istros, Aristodemos, Polemon. 19) Die Arkadika des Pausanias geben eine geschlossene, aber besonders junge und geringhaltige genealogie. wie früh dagegen von Tegea aus eine auf ganz Ar- kadien berechnete aufgebracht war, lehrt das epigramm in Delphi, Pausan. X 9, Pomtow Beitr. zur Topogr. von Delphi t. XIV 39. Aristoteles stellte neben die einzelpolitien die neue organisation des Epaminondas, die κοινὴ πολιτεία, die gar keine historische einleitung hatte (Harpokr. μυϱίοι). von der Μαντινέων ist zu- fällig nichts erhalten, aber die Politik (Z 4) bezeugt sie. 16) geschichte erzeugt. Pausanias sah sich genötigt, die lücke zu verdecken, indem er die ionische wanderung erzählte. ein par schriftsteller πεϱὶ Ἀχαίας sind obscur und sicherlich nicht alt.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/32>, abgerufen am 19.04.2024.