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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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Der zweite bericht des Herodotos. der dritte bericht des Herodotos.
bitteres wort über den aeginetischen medismus zugerufen habe, als er
gerade ein sidonisches schiff geentert hatte (Her. VIII, 92): auch die andern
facta, die klage Athens und die verhaftung der angeblich oder wirklich
perserfreundlichen führer wird so bestätigt. endlich ist die datirung des
Herodotos ganz unanstössig, zumal die spartanische königsliste als Leo-
tychides' erstes jahr 491 gerechnet hat. nur muss jedermann, der dies
für sich betrachtet, annehmen, dass 490 die aeginetischen gefangenen in
attischem gewahrsam sassen.

Gesondert davon, zusammenhängend mit der erzählung im fünftenDer dritte
bericht des
Herodotos.

buche, steht der ausführliche bericht (VI 87--93), den Herodot nur hier-
hergerückt hat, weil er in sich gar keine datirung trug. die Aegineten
rauben ein attisches schiff, das zur regatta am Poseidonfest nach Sunion
fährt. die Athener schlagen jetzt die warnung des orakels in den wind,
das, wie wir schon gesehen haben, die zeit um 487 voraussetzt, und
versuchen durch einverständnis mit einem demokratisch gesonnenen
Aegineten sich der insel zu bemächtigen. dazu müssen sie sich 20 schiffe
von den Korinthern schenken lassen. aber sie kommen einen tag zu
spät, als der demokratische aufstand schon niedergeschlagen ist; nur der
rädelsführer mit wenigen rettet sich nach Athen, wird in Sunion an-
gesiedelt und treibt piraterei gegen Aegina.5) die athenische flotte er-
zwingt sich doch die landung durch einen seesieg; da kommt zwar
nicht officieller, aber doch starker zuzug von Argos. die meisten Argeier,
und so ihr führer Eurybates, werden freilich von den Athenern er-
schlagen, Eurybates im zweikampfe; aber die Aegineten überfallen doch
die Athener, als sie einmal in unordnung sind, und nehmen vier schiffe.

So schliesst die geschichte oder vielmehr so bricht sie ab. die dar-
stellung ist offenbar athenisch, also ist von den attischen erfolgen einiges
abzuziehen. noch viel sicherer aber ist, dass das ende fehlt: das athe-
nische heer kann doch nicht in Aegina sitzen bleiben, und dass die
Argeier beinahe alle erschlagen werden, sieht sehr nach einer verall-
gemeinerung des einen abenteuers aus, das Herodot hier aus anderer

zeigt, macht man sich nicht über die personen der überwundenen gegner lustig.
der name Krios klang den Hellenen komisch. das grabepigramm eines Atheners
Krios (Kaib. 63 = CIA II 3880 saec. IV) hebt dem namen gegenüber die psukhe photos
dikaiotatou hervor: das geht auf die sprüchwörter krios trophei apedoken, kriou
diakonia.
5) Das ist ein schöner beleg für die gestattung der caperei von privaten, die
gesetzlich daraus folgt, dass das bekannte 'solonische' gesetz den epi leian oikhomenoi
den schutz ihrer genossenschaftlichen statuten gewährt.

Der zweite bericht des Herodotos. der dritte bericht des Herodotos.
bitteres wort über den aeginetischen medismus zugerufen habe, als er
gerade ein sidonisches schiff geentert hatte (Her. VIII, 92): auch die andern
facta, die klage Athens und die verhaftung der angeblich oder wirklich
perserfreundlichen führer wird so bestätigt. endlich ist die datirung des
Herodotos ganz unanstöſsig, zumal die spartanische königsliste als Leo-
tychides’ erstes jahr 491 gerechnet hat. nur muſs jedermann, der dies
für sich betrachtet, annehmen, daſs 490 die aeginetischen gefangenen in
attischem gewahrsam saſsen.

Gesondert davon, zusammenhängend mit der erzählung im fünftenDer dritte
bericht des
Herodotos.

buche, steht der ausführliche bericht (VI 87—93), den Herodot nur hier-
hergerückt hat, weil er in sich gar keine datirung trug. die Aegineten
rauben ein attisches schiff, das zur regatta am Poseidonfest nach Sunion
fährt. die Athener schlagen jetzt die warnung des orakels in den wind,
das, wie wir schon gesehen haben, die zeit um 487 voraussetzt, und
versuchen durch einverständnis mit einem demokratisch gesonnenen
Aegineten sich der insel zu bemächtigen. dazu müssen sie sich 20 schiffe
von den Korinthern schenken lassen. aber sie kommen einen tag zu
spät, als der demokratische aufstand schon niedergeschlagen ist; nur der
rädelsführer mit wenigen rettet sich nach Athen, wird in Sunion an-
gesiedelt und treibt piraterei gegen Aegina.5) die athenische flotte er-
zwingt sich doch die landung durch einen seesieg; da kommt zwar
nicht officieller, aber doch starker zuzug von Argos. die meisten Argeier,
und so ihr führer Eurybates, werden freilich von den Athenern er-
schlagen, Eurybates im zweikampfe; aber die Aegineten überfallen doch
die Athener, als sie einmal in unordnung sind, und nehmen vier schiffe.

So schlieſst die geschichte oder vielmehr so bricht sie ab. die dar-
stellung ist offenbar athenisch, also ist von den attischen erfolgen einiges
abzuziehen. noch viel sicherer aber ist, daſs das ende fehlt: das athe-
nische heer kann doch nicht in Aegina sitzen bleiben, und daſs die
Argeier beinahe alle erschlagen werden, sieht sehr nach einer verall-
gemeinerung des einen abenteuers aus, das Herodot hier aus anderer

zeigt, macht man sich nicht über die personen der überwundenen gegner lustig.
der name Κϱιός klang den Hellenen komisch. das grabepigramm eines Atheners
Krios (Kaib. 63 = CIA II 3880 saec. IV) hebt dem namen gegenüber die ψυχὴ φωτὸς
δικαιοτάτου hervor: das geht auf die sprüchwörter κϱιὸς τϱοφεῖ̕ ἀπέδωκεν, κϱιοῦ
διακονία.
5) Das ist ein schöner beleg für die gestattung der caperei von privaten, die
gesetzlich daraus folgt, daſs das bekannte ‘solonische’ gesetz den ἐπὶ λείαν οἰχόμενοι
den schutz ihrer genossenschaftlichen statuten gewährt.
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[285/0295] Der zweite bericht des Herodotos. der dritte bericht des Herodotos. bitteres wort über den aeginetischen medismus zugerufen habe, als er gerade ein sidonisches schiff geentert hatte (Her. VIII, 92): auch die andern facta, die klage Athens und die verhaftung der angeblich oder wirklich perserfreundlichen führer wird so bestätigt. endlich ist die datirung des Herodotos ganz unanstöſsig, zumal die spartanische königsliste als Leo- tychides’ erstes jahr 491 gerechnet hat. nur muſs jedermann, der dies für sich betrachtet, annehmen, daſs 490 die aeginetischen gefangenen in attischem gewahrsam saſsen. Gesondert davon, zusammenhängend mit der erzählung im fünften buche, steht der ausführliche bericht (VI 87—93), den Herodot nur hier- hergerückt hat, weil er in sich gar keine datirung trug. die Aegineten rauben ein attisches schiff, das zur regatta am Poseidonfest nach Sunion fährt. die Athener schlagen jetzt die warnung des orakels in den wind, das, wie wir schon gesehen haben, die zeit um 487 voraussetzt, und versuchen durch einverständnis mit einem demokratisch gesonnenen Aegineten sich der insel zu bemächtigen. dazu müssen sie sich 20 schiffe von den Korinthern schenken lassen. aber sie kommen einen tag zu spät, als der demokratische aufstand schon niedergeschlagen ist; nur der rädelsführer mit wenigen rettet sich nach Athen, wird in Sunion an- gesiedelt und treibt piraterei gegen Aegina. 5) die athenische flotte er- zwingt sich doch die landung durch einen seesieg; da kommt zwar nicht officieller, aber doch starker zuzug von Argos. die meisten Argeier, und so ihr führer Eurybates, werden freilich von den Athenern er- schlagen, Eurybates im zweikampfe; aber die Aegineten überfallen doch die Athener, als sie einmal in unordnung sind, und nehmen vier schiffe. Der dritte bericht des Herodotos. So schlieſst die geschichte oder vielmehr so bricht sie ab. die dar- stellung ist offenbar athenisch, also ist von den attischen erfolgen einiges abzuziehen. noch viel sicherer aber ist, daſs das ende fehlt: das athe- nische heer kann doch nicht in Aegina sitzen bleiben, und daſs die Argeier beinahe alle erschlagen werden, sieht sehr nach einer verall- gemeinerung des einen abenteuers aus, das Herodot hier aus anderer 4) 5) Das ist ein schöner beleg für die gestattung der caperei von privaten, die gesetzlich daraus folgt, daſs das bekannte ‘solonische’ gesetz den ἐπὶ λείαν οἰχόμενοι den schutz ihrer genossenschaftlichen statuten gewährt. 4) zeigt, macht man sich nicht über die personen der überwundenen gegner lustig. der name Κϱιός klang den Hellenen komisch. das grabepigramm eines Atheners Krios (Kaib. 63 = CIA II 3880 saec. IV) hebt dem namen gegenüber die ψυχὴ φωτὸς δικαιοτάτου hervor: das geht auf die sprüchwörter κϱιὸς τϱοφεῖ̕ ἀπέδωκεν, κϱιοῦ διακονία.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/295>, abgerufen am 24.04.2024.