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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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III. 1. Die phratrie der Demotioniden.
schon daraus, dass er selbst den ausdruck omogalaktas von sich aus
erklärt: in seiner terminologie, wie in der des Aristoteles (fgm. 3) war
der name gennetai eingeführt, und er constatirte, dass dafür in der
urkunde, die er mitteilt, ein anderes wort gebraucht war. dann war
dies kein beschluss des athenischen volkes, sondern ein analogon zu dem
Demotionidenbeschlusse, den wir im originale besitzen. in jener andern
phratrie hatte man nach Eukleides liberal genug die beiden kategorien,
milchbrüder und orgiengenossen, ohne weitere prüfung auf den nach-
weis hin, dass sie von den genossen ihrer körperschaft aufgenommen
waren, als brüder anerkannt. dem würde es entsprechen, wenn in den
Demotioniden der oikos Dekeleon über seine angehörigen, die thiasoi
über die übrigen definitiv abstimmten; aber weder Hierokles noch Niko-
demos hat es so gehalten. ausser milchbrüdern und orgiengenossen muss
es in jener phratrie noch andere leute gegeben haben, die sich als brüder
gerirten: es ist aber möglich, dass man das für ungesetzlich hielt, und
demgemäss diejenigen, die sich nicht als einer von beiden kategorien
angehörig ausweisen konnten, ausschloss, worüber in streitigen fällen die
gesamtphratrie sehr wol abgestimmt haben kann. das würde einige
analogie mit dem gesetze des Hierokles bieten; aber wir vermögen das
nicht mehr zu entscheiden.

In der phratrie, der Menekles angehörte, um dessen erbschaft sich
die zweite rede des Isaios dreht, gab es orgeonen. welche andere kate-
gorie neben ihnen stand, ist nicht zu sagen: Menekles war eben selbst
orgeon. aber die verantwortung für die aufnahme eines bruders tragen
sowol orgeonen wie phrateren, deren zeugnis verlesen wird (16): die
ausdrücke eisagein eis tous phrateras, eggraphein eis tous orgeonas,
neben denen die demoten erscheinen, entsprechen der procedur, wie
sie Hierokles voraussetzt; die einführung geschieht nach ihm erst an den
Apaturien, dem phratrienfest, die einschreibung bei dem oikos Dekeleon,
ein jahr nachher, und dies erst ist das entscheidende.

In der phratrie, der Apollodoros angehörte, um dessen erbschaft
sich die siebente rede des Isaios dreht, werden nur genneten erwähnt,
weil er ein geschlecht hatte. hier war die procedur so, dass der ein-
führende das kind an die altäre führte und seine echtbürtigkeit beschwor;
darauf fand eine abstimmung der anwesenden statt, und auf grund deren
ward der neue bruder in die register eingetragen (16). diese einfüh-

sollte auch ein später grammatiker die erste person von den Athenern gebrauchen?
der grammatiker hat den commentar des Seleukos zu Solons gesetzen benutzt, ge-
hört also der kaiserzeit an.

III. 1. Die phratrie der Demotioniden.
schon daraus, daſs er selbst den ausdruck ὁμογάλακτας von sich aus
erklärt: in seiner terminologie, wie in der des Aristoteles (fgm. 3) war
der name γεννῆται eingeführt, und er constatirte, daſs dafür in der
urkunde, die er mitteilt, ein anderes wort gebraucht war. dann war
dies kein beschluſs des athenischen volkes, sondern ein analogon zu dem
Demotionidenbeschlusse, den wir im originale besitzen. in jener andern
phratrie hatte man nach Eukleides liberal genug die beiden kategorien,
milchbrüder und orgiengenossen, ohne weitere prüfung auf den nach-
weis hin, daſs sie von den genossen ihrer körperschaft aufgenommen
waren, als brüder anerkannt. dem würde es entsprechen, wenn in den
Demotioniden der οἶκος Δεκελέων über seine angehörigen, die ϑίασοι
über die übrigen definitiv abstimmten; aber weder Hierokles noch Niko-
demos hat es so gehalten. auſser milchbrüdern und orgiengenossen muſs
es in jener phratrie noch andere leute gegeben haben, die sich als brüder
gerirten: es ist aber möglich, daſs man das für ungesetzlich hielt, und
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angehörig ausweisen konnten, ausschloſs, worüber in streitigen fällen die
gesamtphratrie sehr wol abgestimmt haben kann. das würde einige
analogie mit dem gesetze des Hierokles bieten; aber wir vermögen das
nicht mehr zu entscheiden.

In der phratrie, der Menekles angehörte, um dessen erbschaft sich
die zweite rede des Isaios dreht, gab es orgeonen. welche andere kate-
gorie neben ihnen stand, ist nicht zu sagen: Menekles war eben selbst
orgeon. aber die verantwortung für die aufnahme eines bruders tragen
sowol orgeonen wie phrateren, deren zeugnis verlesen wird (16): die
ausdrücke εἰσάγειν εἰς τοὺς φϱατέϱας, ἐγγϱάφειν εἰς τοὺς ὀϱγεῶνας,
neben denen die demoten erscheinen, entsprechen der procedur, wie
sie Hierokles voraussetzt; die einführung geschieht nach ihm erst an den
Apaturien, dem phratrienfest, die einschreibung bei dem οἶκος Δεκελέων,
ein jahr nachher, und dies erst ist das entscheidende.

In der phratrie, der Apollodoros angehörte, um dessen erbschaft
sich die siebente rede des Isaios dreht, werden nur genneten erwähnt,
weil er ein geschlecht hatte. hier war die procedur so, daſs der ein-
führende das kind an die altäre führte und seine echtbürtigkeit beschwor;
darauf fand eine abstimmung der anwesenden statt, und auf grund deren
ward der neue bruder in die register eingetragen (16). diese einfüh-

sollte auch ein später grammatiker die erste person von den Athenern gebrauchen?
der grammatiker hat den commentar des Seleukos zu Solons gesetzen benutzt, ge-
hört also der kaiserzeit an.
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[270/0280] III. 1. Die phratrie der Demotioniden. schon daraus, daſs er selbst den ausdruck ὁμογάλακτας von sich aus erklärt: in seiner terminologie, wie in der des Aristoteles (fgm. 3) war der name γεννῆται eingeführt, und er constatirte, daſs dafür in der urkunde, die er mitteilt, ein anderes wort gebraucht war. dann war dies kein beschluſs des athenischen volkes, sondern ein analogon zu dem Demotionidenbeschlusse, den wir im originale besitzen. in jener andern phratrie hatte man nach Eukleides liberal genug die beiden kategorien, milchbrüder und orgiengenossen, ohne weitere prüfung auf den nach- weis hin, daſs sie von den genossen ihrer körperschaft aufgenommen waren, als brüder anerkannt. dem würde es entsprechen, wenn in den Demotioniden der οἶκος Δεκελέων über seine angehörigen, die ϑίασοι über die übrigen definitiv abstimmten; aber weder Hierokles noch Niko- demos hat es so gehalten. auſser milchbrüdern und orgiengenossen muſs es in jener phratrie noch andere leute gegeben haben, die sich als brüder gerirten: es ist aber möglich, daſs man das für ungesetzlich hielt, und demgemäſs diejenigen, die sich nicht als einer von beiden kategorien angehörig ausweisen konnten, ausschloſs, worüber in streitigen fällen die gesamtphratrie sehr wol abgestimmt haben kann. das würde einige analogie mit dem gesetze des Hierokles bieten; aber wir vermögen das nicht mehr zu entscheiden. In der phratrie, der Menekles angehörte, um dessen erbschaft sich die zweite rede des Isaios dreht, gab es orgeonen. welche andere kate- gorie neben ihnen stand, ist nicht zu sagen: Menekles war eben selbst orgeon. aber die verantwortung für die aufnahme eines bruders tragen sowol orgeonen wie phrateren, deren zeugnis verlesen wird (16): die ausdrücke εἰσάγειν εἰς τοὺς φϱατέϱας, ἐγγϱάφειν εἰς τοὺς ὀϱγεῶνας, neben denen die demoten erscheinen, entsprechen der procedur, wie sie Hierokles voraussetzt; die einführung geschieht nach ihm erst an den Apaturien, dem phratrienfest, die einschreibung bei dem οἶκος Δεκελέων, ein jahr nachher, und dies erst ist das entscheidende. In der phratrie, der Apollodoros angehörte, um dessen erbschaft sich die siebente rede des Isaios dreht, werden nur genneten erwähnt, weil er ein geschlecht hatte. hier war die procedur so, daſs der ein- führende das kind an die altäre führte und seine echtbürtigkeit beschwor; darauf fand eine abstimmung der anwesenden statt, und auf grund deren ward der neue bruder in die register eingetragen (16). diese einfüh- 14) 14) sollte auch ein später grammatiker die erste person von den Athenern gebrauchen? der grammatiker hat den commentar des Seleukos zu Solons gesetzen benutzt, ge- hört also der kaiserzeit an.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/280>, abgerufen am 19.04.2024.