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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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III. 1. Die phratrie der Demotioniden.
solchen verbindung, die freie und unfreie bürger und nichtbürger jeder-
zeit bilden konnten, schlechthin nicht unterscheiden, wenigstens zur zeit
nicht. dafür wäre das wichtigste, wenn man wenigstens die verehrten
götter kennte. 8) das alte gentilicische wort phratria hatte also keine
andere bedeutung mehr als in dem aristophanischen phrateres trio-
bolou oder in den adelphoi der alten kirche, den bruderschaften Buddhas
und Benedicts. seit 396 erkannten die Demotioniden nur noch diese glie-
derung in thiasoi an. aber es bestand bis dahin eine andere. da hatte in
ihr die vorstandschaft ein 'haus', das der Dekeleer; dies stellte den priester
und controllirte den bestand der ganzen bruderschaft, die somit aus
leuten höheren und minderen rechtes bestand. ob dieses haus einen
thiasos bildete oder mehrere umfasste, ist unbekannt. haus, oikos, ist
ein gentilicischer begriff und kann hier nicht anders gefasst werden.
die im attischen rechte sonst geltende bedeutung, dass er den einzelnen
hausstand innerhalb eines geschlechtsverbandes bezeichnet (oikosapol-
lutai, exeremoutai), passt nicht, wol aber redet Pindar (Ol. 13, 2) von
einem trisolumpionikos oikos, dem des Xenophon von Korinth, und
Phylakidas Lampons sohn von Aigina erhebt durch seinen sieg die
patra Psalukhidan und den oikos Themistiou (Isthm. 5, 63): das ist
dieselbe gliederung. die vorstellung ist deutlich in der rede gegen Makar-
tatos, die verschiedene oikoi unterscheidet, deren jeder auf einen sohn
der Buselos zurückgeht, und die allesammt demgemäss Bouselidai heissen.
so müsste der oikos Dekeleon auf einen ahn zurückgehn, der der sohn
des Demotion wäre, und auf Demotion müssten über andere söhne die
übrigen genossen der bruderschaft auch zurückgehn. aber für die andern
ist selbst diese fiction aufgegeben, und der oikos heisst nicht mehr nach
dem ahn Dekelidai, sondern nach dem orte, wo das heiligtum der
bruderschaft ist, dem attischen dorfe Dekeleia, und der ort in der stadt,
wo sich die mitglieder der staatlichen gemeinde Dekeleia zu treffen pflegen,
wird für die publicationen der bruderschaft benutzt. folglich müssen
die gemeindemitglieder und die angehörigen jenes 'hauses' in der phratrie
im grossen ganzen wenigstens identisch sein, und damit ist gesagt, dass
oikos zwar noch ein gentilicischer terminus ist, aber schon keine genti-
licische bedeutung mehr hat, ja nicht mehr fingirt.

Verfassung
der anderen
phratrien.
In der sonstigen überlieferung hören wir von orgeonen und genneten
und homogalakten als mitgliedern der phratrie. diese ordnung der Demo-

8) Nach dem letzten beschlusse der inschrift möchte man glauben, dass Leto
irgendwie für diese bruderschaft, einen oder mehrere thiasoi, in betracht kam.

III. 1. Die phratrie der Demotioniden.
solchen verbindung, die freie und unfreie bürger und nichtbürger jeder-
zeit bilden konnten, schlechthin nicht unterscheiden, wenigstens zur zeit
nicht. dafür wäre das wichtigste, wenn man wenigstens die verehrten
götter kennte. 8) das alte gentilicische wort φϱατϱία hatte also keine
andere bedeutung mehr als in dem aristophanischen φϱατέϱες τϱιω-
βόλου oder in den ἀδελφοί der alten kirche, den bruderschaften Buddhas
und Benedicts. seit 396 erkannten die Demotioniden nur noch diese glie-
derung in thiasoi an. aber es bestand bis dahin eine andere. da hatte in
ihr die vorstandschaft ein ‘haus’, das der Dekeleer; dies stellte den priester
und controllirte den bestand der ganzen bruderschaft, die somit aus
leuten höheren und minderen rechtes bestand. ob dieses haus einen
thiasos bildete oder mehrere umfaſste, ist unbekannt. haus, οἶκος, ist
ein gentilicischer begriff und kann hier nicht anders gefaſst werden.
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hausstand innerhalb eines geschlechtsverbandes bezeichnet (οἶκοςἀπόλ-
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dieselbe gliederung. die vorstellung ist deutlich in der rede gegen Makar-
tatos, die verschiedene οἶκοι unterscheidet, deren jeder auf einen sohn
der Buselos zurückgeht, und die allesammt demgemäſs Βουσελίδαι heiſsen.
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des Demotion wäre, und auf Demotion müſsten über andere söhne die
übrigen genossen der bruderschaft auch zurückgehn. aber für die andern
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bruderschaft ist, dem attischen dorfe Dekeleia, und der ort in der stadt,
wo sich die mitglieder der staatlichen gemeinde Dekeleia zu treffen pflegen,
wird für die publicationen der bruderschaft benutzt. folglich müssen
die gemeindemitglieder und die angehörigen jenes ‘hauses’ in der phratrie
im groſsen ganzen wenigstens identisch sein, und damit ist gesagt, daſs
οἶκος zwar noch ein gentilicischer terminus ist, aber schon keine genti-
licische bedeutung mehr hat, ja nicht mehr fingirt.

Verfassung
der anderen
phratrien.
In der sonstigen überlieferung hören wir von orgeonen und genneten
und homogalakten als mitgliedern der phratrie. diese ordnung der Demo-

8) Nach dem letzten beschlusse der inschrift möchte man glauben, daſs Leto
irgendwie für diese bruderschaft, einen oder mehrere thiasoi, in betracht kam.
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[266/0276] III. 1. Die phratrie der Demotioniden. solchen verbindung, die freie und unfreie bürger und nichtbürger jeder- zeit bilden konnten, schlechthin nicht unterscheiden, wenigstens zur zeit nicht. dafür wäre das wichtigste, wenn man wenigstens die verehrten götter kennte. 8) das alte gentilicische wort φϱατϱία hatte also keine andere bedeutung mehr als in dem aristophanischen φϱατέϱες τϱιω- βόλου oder in den ἀδελφοί der alten kirche, den bruderschaften Buddhas und Benedicts. seit 396 erkannten die Demotioniden nur noch diese glie- derung in thiasoi an. aber es bestand bis dahin eine andere. da hatte in ihr die vorstandschaft ein ‘haus’, das der Dekeleer; dies stellte den priester und controllirte den bestand der ganzen bruderschaft, die somit aus leuten höheren und minderen rechtes bestand. ob dieses haus einen thiasos bildete oder mehrere umfaſste, ist unbekannt. haus, οἶκος, ist ein gentilicischer begriff und kann hier nicht anders gefaſst werden. die im attischen rechte sonst geltende bedeutung, daſs er den einzelnen hausstand innerhalb eines geschlechtsverbandes bezeichnet (οἶκοςἀπόλ- λυται, ἐξεϱημοῦται), paſst nicht, wol aber redet Pindar (Ol. 13, 2) von einem τϱισολυμπιόνικος οἶκος, dem des Xenophon von Korinth, und Phylakidas Lampons sohn von Aigina erhebt durch seinen sieg die πάτϱα Ψαλυχιδᾶν und den οἶκος Θεμιστίου (Isthm. 5, 63): das ist dieselbe gliederung. die vorstellung ist deutlich in der rede gegen Makar- tatos, die verschiedene οἶκοι unterscheidet, deren jeder auf einen sohn der Buselos zurückgeht, und die allesammt demgemäſs Βουσελίδαι heiſsen. so müſste der οἶκος Δεκελέων auf einen ahn zurückgehn, der der sohn des Demotion wäre, und auf Demotion müſsten über andere söhne die übrigen genossen der bruderschaft auch zurückgehn. aber für die andern ist selbst diese fiction aufgegeben, und der οἶκος heiſst nicht mehr nach dem ahn Δεκελίδαι, sondern nach dem orte, wo das heiligtum der bruderschaft ist, dem attischen dorfe Dekeleia, und der ort in der stadt, wo sich die mitglieder der staatlichen gemeinde Dekeleia zu treffen pflegen, wird für die publicationen der bruderschaft benutzt. folglich müssen die gemeindemitglieder und die angehörigen jenes ‘hauses’ in der phratrie im groſsen ganzen wenigstens identisch sein, und damit ist gesagt, daſs οἶκος zwar noch ein gentilicischer terminus ist, aber schon keine genti- licische bedeutung mehr hat, ja nicht mehr fingirt. In der sonstigen überlieferung hören wir von orgeonen und genneten und homogalakten als mitgliedern der phratrie. diese ordnung der Demo- Verfassung der anderen phratrien. 8) Nach dem letzten beschlusse der inschrift möchte man glauben, daſs Leto irgendwie für diese bruderschaft, einen oder mehrere thiasoi, in betracht kam.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/276>, abgerufen am 25.04.2024.