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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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Verfassung der Demotioniden.
redactionellen änderungen gefallen lassen, die ich mit ihnen vornehme
(87--105). "unmittelbar nach dieser abstimmung des thiasos stimmt das
plenum der bruderschaft ab; doch dürfen sich die thiasoten wol an der
debatte, aber nicht an der abstimmung des plenums über diejenigen be-
teiligen, über die sie als thiasoten abgestimmt haben. es ergeben sich
nun folgende möglichkeiten, a) die thiasoten für zulassung, plenum auch:
zuzulassen (dies als selbstverständlich nicht gesagt). b) die thiasoten für,
das plenum gegen. dann ist er natürlich abgewiesen, aber die thiasoten
zahlen eine busse, es sei denn dass einzelne in der debatte (en te dia-
dikasia) als redner oder sonst offenbar gemacht haben, dass sie gegen
die aufnahme waren. 6) c) die thiasoten gegen; dann kann es bei deren
vorurteil sein bewenden haben, und der ausschluss ist giltig. aber d)
wenn derjenige, der den candidaten angemeldet hat, von den thiasoten
an das plenum appellirt, so erfolgt durch dessen zustimmung aufnahme,
durch dessen ablehnung aber nicht bloss ausschluss, sondern eine geld-
strafe für den appellanten. 4) diesen beschluss soll der priester hinzu-
schreiben, natürlich zu dem, der jetzt davor steht, dem des Hierokles."

Der nachtrag, ein antrag eines Menexenos, der sich ebenso wie das
psephisma des Nikodemos als solchen bezeichnet, hat für die organisation
der phratrie kein interesse. er verordnet nur den anschlag der namen
der candidaten für jede versammlung in der stadt durch den bruder-
meister an demselben orte wie oben, ausserdem durch den priester im
heiligtume der Leto, ungewiss wo.

Aber welches bild gibt Nikodemos von der bruderschaft? sie zer-
fällt ganz offenbar in thiasoi, so dass jeder bruder auch thiasot ist. von
einer andern einteilung weiss Nikodemos nichts oder will er nichts wissen:
neben den thiasoi, diese ausschliessend, kann es gar nichts gegeben haben.
aber diese thiasoi sind zum teil so verkümmert, dass man ihnen keine
vier köpfe zutrauen kann. dagegen ist sicher, dass ihre mitglieder ein-
ander gut kennen. darum wird der einführende verpflichtet aus ihnen
die zeugen zu wählen und wird ihnen das im ordnungsmässigen wege
entscheidende vorurteil zugeschoben, das sie freilich vor den augen und
unter der superrevision der bruderschaft fällen müssen. ganz offenbar
hat es zwar die thiasoi längst gegeben, aber sie haben als organe der
bruderschaft in diesen dingen bisher nicht fungirt.

Stellen wir nun die ordnungen nach Hierokles und Nikodemos neben

6) So ist das notwendig zu verstehn. vor der abstimmung der thiasoten findet
keine debatte statt, auch ist die abstimmung geheim. die minorität musste nachher
im plenum ihren standpunkt verfechten.

Verfassung der Demotioniden.
redactionellen änderungen gefallen lassen, die ich mit ihnen vornehme
(87—105). “unmittelbar nach dieser abstimmung des thiasos stimmt das
plenum der bruderschaft ab; doch dürfen sich die thiasoten wol an der
debatte, aber nicht an der abstimmung des plenums über diejenigen be-
teiligen, über die sie als thiasoten abgestimmt haben. es ergeben sich
nun folgende möglichkeiten, a) die thiasoten für zulassung, plenum auch:
zuzulassen (dies als selbstverständlich nicht gesagt). b) die thiasoten für,
das plenum gegen. dann ist er natürlich abgewiesen, aber die thiasoten
zahlen eine buſse, es sei denn daſs einzelne in der debatte (ἐν τῇ δια-
δικασίᾳ) als redner oder sonst offenbar gemacht haben, daſs sie gegen
die aufnahme waren. 6) c) die thiasoten gegen; dann kann es bei deren
vorurteil sein bewenden haben, und der ausschluſs ist giltig. aber d)
wenn derjenige, der den candidaten angemeldet hat, von den thiasoten
an das plenum appellirt, so erfolgt durch dessen zustimmung aufnahme,
durch dessen ablehnung aber nicht bloſs ausschluſs, sondern eine geld-
strafe für den appellanten. 4) diesen beschluſs soll der priester hinzu-
schreiben, natürlich zu dem, der jetzt davor steht, dem des Hierokles.”

Der nachtrag, ein antrag eines Menexenos, der sich ebenso wie das
psephisma des Nikodemos als solchen bezeichnet, hat für die organisation
der phratrie kein interesse. er verordnet nur den anschlag der namen
der candidaten für jede versammlung in der stadt durch den bruder-
meister an demselben orte wie oben, auſserdem durch den priester im
heiligtume der Leto, ungewiſs wo.

Aber welches bild gibt Nikodemos von der bruderschaft? sie zer-
fällt ganz offenbar in thiasoi, so daſs jeder bruder auch thiasot ist. von
einer andern einteilung weiſs Nikodemos nichts oder will er nichts wissen:
neben den thiasoi, diese ausschlieſsend, kann es gar nichts gegeben haben.
aber diese thiasoi sind zum teil so verkümmert, daſs man ihnen keine
vier köpfe zutrauen kann. dagegen ist sicher, daſs ihre mitglieder ein-
ander gut kennen. darum wird der einführende verpflichtet aus ihnen
die zeugen zu wählen und wird ihnen das im ordnungsmäſsigen wege
entscheidende vorurteil zugeschoben, das sie freilich vor den augen und
unter der superrevision der bruderschaft fällen müssen. ganz offenbar
hat es zwar die thiasoi längst gegeben, aber sie haben als organe der
bruderschaft in diesen dingen bisher nicht fungirt.

Stellen wir nun die ordnungen nach Hierokles und Nikodemos neben

6) So ist das notwendig zu verstehn. vor der abstimmung der thiasoten findet
keine debatte statt, auch ist die abstimmung geheim. die minorität muſste nachher
im plenum ihren standpunkt verfechten.
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[263/0273] Verfassung der Demotioniden. redactionellen änderungen gefallen lassen, die ich mit ihnen vornehme (87—105). “unmittelbar nach dieser abstimmung des thiasos stimmt das plenum der bruderschaft ab; doch dürfen sich die thiasoten wol an der debatte, aber nicht an der abstimmung des plenums über diejenigen be- teiligen, über die sie als thiasoten abgestimmt haben. es ergeben sich nun folgende möglichkeiten, a) die thiasoten für zulassung, plenum auch: zuzulassen (dies als selbstverständlich nicht gesagt). b) die thiasoten für, das plenum gegen. dann ist er natürlich abgewiesen, aber die thiasoten zahlen eine buſse, es sei denn daſs einzelne in der debatte (ἐν τῇ δια- δικασίᾳ) als redner oder sonst offenbar gemacht haben, daſs sie gegen die aufnahme waren. 6) c) die thiasoten gegen; dann kann es bei deren vorurteil sein bewenden haben, und der ausschluſs ist giltig. aber d) wenn derjenige, der den candidaten angemeldet hat, von den thiasoten an das plenum appellirt, so erfolgt durch dessen zustimmung aufnahme, durch dessen ablehnung aber nicht bloſs ausschluſs, sondern eine geld- strafe für den appellanten. 4) diesen beschluſs soll der priester hinzu- schreiben, natürlich zu dem, der jetzt davor steht, dem des Hierokles.” Der nachtrag, ein antrag eines Menexenos, der sich ebenso wie das psephisma des Nikodemos als solchen bezeichnet, hat für die organisation der phratrie kein interesse. er verordnet nur den anschlag der namen der candidaten für jede versammlung in der stadt durch den bruder- meister an demselben orte wie oben, auſserdem durch den priester im heiligtume der Leto, ungewiſs wo. Aber welches bild gibt Nikodemos von der bruderschaft? sie zer- fällt ganz offenbar in thiasoi, so daſs jeder bruder auch thiasot ist. von einer andern einteilung weiſs Nikodemos nichts oder will er nichts wissen: neben den thiasoi, diese ausschlieſsend, kann es gar nichts gegeben haben. aber diese thiasoi sind zum teil so verkümmert, daſs man ihnen keine vier köpfe zutrauen kann. dagegen ist sicher, daſs ihre mitglieder ein- ander gut kennen. darum wird der einführende verpflichtet aus ihnen die zeugen zu wählen und wird ihnen das im ordnungsmäſsigen wege entscheidende vorurteil zugeschoben, das sie freilich vor den augen und unter der superrevision der bruderschaft fällen müssen. ganz offenbar hat es zwar die thiasoi längst gegeben, aber sie haben als organe der bruderschaft in diesen dingen bisher nicht fungirt. Stellen wir nun die ordnungen nach Hierokles und Nikodemos neben 6) So ist das notwendig zu verstehn. vor der abstimmung der thiasoten findet keine debatte statt, auch ist die abstimmung geheim. die minorität muſste nachher im plenum ihren standpunkt verfechten.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/273>, abgerufen am 18.04.2024.