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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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II. 12. Logos und euthuna.
ist darum nötig, sich ihre stellung in dem organismus der verfassung
klar zu machen.

Die finanzen der demokratie besorgt der rat; so weit beamte daran
beteiligt sind, stehn sie unter ihm. die einnahmen des staates kommen
in der gestalt von pachtgeldern ein, sind also fest und auf bestimmte
termine fällig. der besitz des staates, die grundstücke, häuser, berg-
werke u. s. w. sind verpachtet, ebenso die zölle und die steuern (wenig-
stens alle beträchtlichen31), und diese verpachtungen besorgt zwar eine
eigene behörde, die danach heisst (poletai), aber es geschieht im rat-
haus, unter assistenz, zuweilen sogar auf beschluss des rates, und die con-
tracte sind in der verwahrung des rates. die verpachtung des vom staate
verwalteten kirchengutes wird zwar von dem könige selbständig besorgt;
aber er übergibt dem rate den contract und hat weiter nichts damit zu
schaffen; auch diese einnahme ist eine feste staatseinnahme.32) ein über-
schlag der sichern einnahmen ist also sehr gut möglich, ganz ebenso
einer der laufenden ausgaben: also ein budget, und in gewissem sinne
hat es in lykurgischer zeit wenigstens bestanden.33) aber die geldver-
waltung ist auch so organisirt, dass sie sich einfach und sicher leisten
liess. die zahlungen an den staat finden im rathause an wenigen be-
stimmten terminen statt, die meisten in der neunten prytanie, mitte mai.34)

sammlung, wo der neue demarch die geschäfte übernimmt und die rechenschafts-
beamten vereidigt, kann nicht wol die euthyna des alten demarchen schon perfect
werden: aber bürgen kann er stellen, als upeuthunos, wie in der verfassung Drakons.
CIA I 2 von Skambonidai lehrt nichts besonderes; ein gemeindebeamter, der öffent-
liches gut verwaltet, soll in bestimmter frist das angemessene an den euthynos abgeben.
31) Ob nicht z. b. das agorastikon direct von den steuerpflichtigen an die
behörde gezahlt ward, stehe dahin.
32) Es folgt, dass dieses kirchengut einmal saecularisirt ist, indem der staat
mit den einkünften die verpflichtung für die unterhaltung des cultes und seiner ge-
bäude übernahm: CIA IV p. 66 fliesst allerdings das pachtgeld des Neleus u. s. w.
auf dem umweg über die apodekten ungeschmälert in den schatz der andern götter;
die unterhaltungskosten werden vorweg von der tempelcasse bestritten, die ohne
zweifel auch andere einnahmen hatte (die umzäunung soll ek tou temenous besorgt
werden). mit aufhebung jenes schatzes musste das geld natürlich staatsgeld werden.
33) Das folgt aus den festen posten der ausgabe, wie den kata psephismata
analiskomena to demo, oder den fünf talenten für die ieron episkeuastai, denen
der einnahme, wie den deka talanta ton xenon, und aus dem prosnomothetesai
als ausdruck für die creirung eines neuen postens unter den laufenden ausgaben.
34) Das ist also die zeit, wo die neue ernte beginnt; es entspricht dem land-
wirtschaftlichen rechnungsjahre bei uns, das mit johanni schliesst: die grundlage für
diese verhältnisse hat eben die wirtschaft der domänenpächter gebildet, und zwar
als der landbau wesentlich in cerealien bestand.

II. 12. Λόγος und εὔϑυνα.
ist darum nötig, sich ihre stellung in dem organismus der verfassung
klar zu machen.

Die finanzen der demokratie besorgt der rat; so weit beamte daran
beteiligt sind, stehn sie unter ihm. die einnahmen des staates kommen
in der gestalt von pachtgeldern ein, sind also fest und auf bestimmte
termine fällig. der besitz des staates, die grundstücke, häuser, berg-
werke u. s. w. sind verpachtet, ebenso die zölle und die steuern (wenig-
stens alle beträchtlichen31), und diese verpachtungen besorgt zwar eine
eigene behörde, die danach heiſst (πωληταί), aber es geschieht im rat-
haus, unter assistenz, zuweilen sogar auf beschluſs des rates, und die con-
tracte sind in der verwahrung des rates. die verpachtung des vom staate
verwalteten kirchengutes wird zwar von dem könige selbständig besorgt;
aber er übergibt dem rate den contract und hat weiter nichts damit zu
schaffen; auch diese einnahme ist eine feste staatseinnahme.32) ein über-
schlag der sichern einnahmen ist also sehr gut möglich, ganz ebenso
einer der laufenden ausgaben: also ein budget, und in gewissem sinne
hat es in lykurgischer zeit wenigstens bestanden.33) aber die geldver-
waltung ist auch so organisirt, daſs sie sich einfach und sicher leisten
lieſs. die zahlungen an den staat finden im rathause an wenigen be-
stimmten terminen statt, die meisten in der neunten prytanie, mitte mai.34)

sammlung, wo der neue demarch die geschäfte übernimmt und die rechenschafts-
beamten vereidigt, kann nicht wol die euthyna des alten demarchen schon perfect
werden: aber bürgen kann er stellen, als ὑπεύϑυνος, wie in der verfassung Drakons.
CIA I 2 von Skambonidai lehrt nichts besonderes; ein gemeindebeamter, der öffent-
liches gut verwaltet, soll in bestimmter frist das angemessene an den euthynos abgeben.
31) Ob nicht z. b. das ἀγοϱαστικόν direct von den steuerpflichtigen an die
behörde gezahlt ward, stehe dahin.
32) Es folgt, daſs dieses kirchengut einmal saecularisirt ist, indem der staat
mit den einkünften die verpflichtung für die unterhaltung des cultes und seiner ge-
bäude übernahm: CIA IV p. 66 flieſst allerdings das pachtgeld des Neleus u. s. w.
auf dem umweg über die apodekten ungeschmälert in den schatz der andern götter;
die unterhaltungskosten werden vorweg von der tempelcasse bestritten, die ohne
zweifel auch andere einnahmen hatte (die umzäunung soll ἐκ τοῦ τεμένους besorgt
werden). mit aufhebung jenes schatzes muſste das geld natürlich staatsgeld werden.
33) Das folgt aus den festen posten der ausgabe, wie den κατὰ ψηφίσματα
ἀναλισκόμενα τῷ δήμῳ, oder den fünf talenten für die ἱεϱῶν ἐπισκευασταί, denen
der einnahme, wie den δέκα τάλαντα τῶν ξένων, und aus dem πϱοσνομοϑετῆσαι
als ausdruck für die creirung eines neuen postens unter den laufenden ausgaben.
34) Das ist also die zeit, wo die neue ernte beginnt; es entspricht dem land-
wirtschaftlichen rechnungsjahre bei uns, das mit johanni schlieſst: die grundlage für
diese verhältnisse hat eben die wirtschaft der domänenpächter gebildet, und zwar
als der landbau wesentlich in cerealien bestand.
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[240/0250] II. 12. Λόγος und εὔϑυνα. ist darum nötig, sich ihre stellung in dem organismus der verfassung klar zu machen. Die finanzen der demokratie besorgt der rat; so weit beamte daran beteiligt sind, stehn sie unter ihm. die einnahmen des staates kommen in der gestalt von pachtgeldern ein, sind also fest und auf bestimmte termine fällig. der besitz des staates, die grundstücke, häuser, berg- werke u. s. w. sind verpachtet, ebenso die zölle und die steuern (wenig- stens alle beträchtlichen 31), und diese verpachtungen besorgt zwar eine eigene behörde, die danach heiſst (πωληταί), aber es geschieht im rat- haus, unter assistenz, zuweilen sogar auf beschluſs des rates, und die con- tracte sind in der verwahrung des rates. die verpachtung des vom staate verwalteten kirchengutes wird zwar von dem könige selbständig besorgt; aber er übergibt dem rate den contract und hat weiter nichts damit zu schaffen; auch diese einnahme ist eine feste staatseinnahme. 32) ein über- schlag der sichern einnahmen ist also sehr gut möglich, ganz ebenso einer der laufenden ausgaben: also ein budget, und in gewissem sinne hat es in lykurgischer zeit wenigstens bestanden. 33) aber die geldver- waltung ist auch so organisirt, daſs sie sich einfach und sicher leisten lieſs. die zahlungen an den staat finden im rathause an wenigen be- stimmten terminen statt, die meisten in der neunten prytanie, mitte mai. 34) 30) 31) Ob nicht z. b. das ἀγοϱαστικόν direct von den steuerpflichtigen an die behörde gezahlt ward, stehe dahin. 32) Es folgt, daſs dieses kirchengut einmal saecularisirt ist, indem der staat mit den einkünften die verpflichtung für die unterhaltung des cultes und seiner ge- bäude übernahm: CIA IV p. 66 flieſst allerdings das pachtgeld des Neleus u. s. w. auf dem umweg über die apodekten ungeschmälert in den schatz der andern götter; die unterhaltungskosten werden vorweg von der tempelcasse bestritten, die ohne zweifel auch andere einnahmen hatte (die umzäunung soll ἐκ τοῦ τεμένους besorgt werden). mit aufhebung jenes schatzes muſste das geld natürlich staatsgeld werden. 33) Das folgt aus den festen posten der ausgabe, wie den κατὰ ψηφίσματα ἀναλισκόμενα τῷ δήμῳ, oder den fünf talenten für die ἱεϱῶν ἐπισκευασταί, denen der einnahme, wie den δέκα τάλαντα τῶν ξένων, und aus dem πϱοσνομοϑετῆσαι als ausdruck für die creirung eines neuen postens unter den laufenden ausgaben. 34) Das ist also die zeit, wo die neue ernte beginnt; es entspricht dem land- wirtschaftlichen rechnungsjahre bei uns, das mit johanni schlieſst: die grundlage für diese verhältnisse hat eben die wirtschaft der domänenpächter gebildet, und zwar als der landbau wesentlich in cerealien bestand. 30) sammlung, wo der neue demarch die geschäfte übernimmt und die rechenschafts- beamten vereidigt, kann nicht wol die euthyna des alten demarchen schon perfect werden: aber bürgen kann er stellen, als ὑπεύϑυνος, wie in der verfassung Drakons. CIA I 2 von Skambonidai lehrt nichts besonderes; ein gemeindebeamter, der öffent- liches gut verwaltet, soll in bestimmter frist das angemessene an den euthynos abgeben.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/250>, abgerufen am 29.03.2024.