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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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II. 12. Logos und euthuna.

logos.Jeder abtretende beamte, einerlei welcher kategorie, reicht seine
rechnungen bei den logisten ein2); wo nicht, unterliegt er der anklage
"wegen unterlassener rechnungsablage, alogiou".3) die logisten, zehn
erloste beamte, haben binnen 30 tagen4) die rechnungen zu revidiren,
was sie natürlich nicht als collegium tun, sondern in arbeitsteilung:
daher gibt es mehrere bureaus, logisteria5), vermutlich 10. nach der
revision lassen sie sich von den archonten die nötige anzahl gerichtshöfe
zulosen, denen sie praesidiren6), während die von ihnen erhobenen
anstände durch die ihnen beigegebenen 10 "anwälte", sunegoroi7),
vertreten werden. nach diesen öffentlichen klägern kann aber jeder
bürger als ankläger auftreten, wozu der herold des gerichtes durch
proclamation auffordert.8) ohne zweifel stellt schon jeder kläger die
strafanträge nach massgabe des gesetzes, welches durchaus nur geld-
strafe kennt, die entsprechend der qualification als unterschlagung (klope),
bestechung (doron), amtsmisbrauch (adikiou), in den beiden ersten
fällen in zehnfältigem, im letzten in einfachem betrage zu entrichten
ist. übrigens haben die gesetze eine sehr grosse anzahl von geldstrafen
für beamte, die dies oder jenes unterlassen, bereits fixirt, in der sammt-
gemeinde wie in den einzelgemeinden (Rede gg. Makart. 58), phratrien
und überhaupt allen koina. wer eine solche unterlassung nachweist,
hat damit die höhe der strafe adikiou von selbst normirt. wenn die
strafe nicht am verfalltage (in der neunten prytanie) gezahlt wird, so
treten die legalen folgen ein, execution, schuldhaft, confiscation des

2) Wer kein öffentliches geld verwaltet hat, gibt eine dahin gehende erklärung
ab, Aisch. 3, 22.
3) Lex. Cantabr. alogiou.
4) Die frist gibt Harp. logistai. über die quelle seiner nachrichten und ihren
irrtum vgl. I 7 anm. 82.
5) Den plural gibt Harp. logistai mit belegen, von denen einer das erhaltene
psephisma des Patrokleides (Andok. 1, 78) ist. da die nur je für eine phyle am-
tirenden euthynen sich dieser 'rechnungskammer' bedienen, und da in der einzel-
gemeinde nur ein logist ist (CIA II 578), so wird jede phyle ihr logisterion ge-
halten haben.
6) Nach Phot. euthunai hätten die logisten die auslosung der richter selbst be-
sorgt. dem grammatiker ist nicht bewusst gewesen, welchen widerspruch gegen
attische praxis er damit behauptete; getäuscht hat ihn der vorsitz der logisten,
während andere beamte die von eben diesen logisten erhobenen anklagen führten.
beseitigt wird der irrtum durch Ar. 59, 1. 63, 1.
7) Die beschränkung ihrer tätigkeit auf das sunegorein liegt im namen der
sunegoroi. dazu stimmt das gemeindestatut von Myrrhinus CIA II 578.
8) Aisch. 3, 26.
II. 12. Λόγος und εὔϑυνα.

λόγος.Jeder abtretende beamte, einerlei welcher kategorie, reicht seine
rechnungen bei den logisten ein2); wo nicht, unterliegt er der anklage
“wegen unterlassener rechnungsablage, ἀλογίου”.3) die logisten, zehn
erloste beamte, haben binnen 30 tagen4) die rechnungen zu revidiren,
was sie natürlich nicht als collegium tun, sondern in arbeitsteilung:
daher gibt es mehrere bureaus, λογιστήϱια5), vermutlich 10. nach der
revision lassen sie sich von den archonten die nötige anzahl gerichtshöfe
zulosen, denen sie praesidiren6), während die von ihnen erhobenen
anstände durch die ihnen beigegebenen 10 “anwälte”, συνήγοϱοι7),
vertreten werden. nach diesen öffentlichen klägern kann aber jeder
bürger als ankläger auftreten, wozu der herold des gerichtes durch
proclamation auffordert.8) ohne zweifel stellt schon jeder kläger die
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strafe kennt, die entsprechend der qualification als unterschlagung (κλοπή),
bestechung (δώϱων), amtsmisbrauch (ἀδικίου), in den beiden ersten
fällen in zehnfältigem, im letzten in einfachem betrage zu entrichten
ist. übrigens haben die gesetze eine sehr groſse anzahl von geldstrafen
für beamte, die dies oder jenes unterlassen, bereits fixirt, in der sammt-
gemeinde wie in den einzelgemeinden (Rede gg. Makart. 58), phratrien
und überhaupt allen κοινά. wer eine solche unterlassung nachweist,
hat damit die höhe der strafe ἀδικίου von selbst normirt. wenn die
strafe nicht am verfalltage (in der neunten prytanie) gezahlt wird, so
treten die legalen folgen ein, execution, schuldhaft, confiscation des

2) Wer kein öffentliches geld verwaltet hat, gibt eine dahin gehende erklärung
ab, Aisch. 3, 22.
3) Lex. Cantabr. ἀλογίου.
4) Die frist gibt Harp. λογισταί. über die quelle seiner nachrichten und ihren
irrtum vgl. I 7 anm. 82.
5) Den plural gibt Harp. λογισταί mit belegen, von denen einer das erhaltene
psephisma des Patrokleides (Andok. 1, 78) ist. da die nur je für eine phyle am-
tirenden euthynen sich dieser ‘rechnungskammer’ bedienen, und da in der einzel-
gemeinde nur ein logist ist (CIA II 578), so wird jede phyle ihr λογιστήϱιον ge-
halten haben.
6) Nach Phot. εὔϑυναι hätten die logisten die auslosung der richter selbst be-
sorgt. dem grammatiker ist nicht bewuſst gewesen, welchen widerspruch gegen
attische praxis er damit behauptete; getäuscht hat ihn der vorsitz der logisten,
während andere beamte die von eben diesen logisten erhobenen anklagen führten.
beseitigt wird der irrtum durch Ar. 59, 1. 63, 1.
7) Die beschränkung ihrer tätigkeit auf das συνηγοϱεῖν liegt im namen der
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8) Aisch. 3, 26.
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[232/0242] II. 12. Λόγος und εὔϑυνα. Jeder abtretende beamte, einerlei welcher kategorie, reicht seine rechnungen bei den logisten ein 2); wo nicht, unterliegt er der anklage “wegen unterlassener rechnungsablage, ἀλογίου”. 3) die logisten, zehn erloste beamte, haben binnen 30 tagen 4) die rechnungen zu revidiren, was sie natürlich nicht als collegium tun, sondern in arbeitsteilung: daher gibt es mehrere bureaus, λογιστήϱια 5), vermutlich 10. nach der revision lassen sie sich von den archonten die nötige anzahl gerichtshöfe zulosen, denen sie praesidiren 6), während die von ihnen erhobenen anstände durch die ihnen beigegebenen 10 “anwälte”, συνήγοϱοι 7), vertreten werden. nach diesen öffentlichen klägern kann aber jeder bürger als ankläger auftreten, wozu der herold des gerichtes durch proclamation auffordert. 8) ohne zweifel stellt schon jeder kläger die strafanträge nach maſsgabe des gesetzes, welches durchaus nur geld- strafe kennt, die entsprechend der qualification als unterschlagung (κλοπή), bestechung (δώϱων), amtsmisbrauch (ἀδικίου), in den beiden ersten fällen in zehnfältigem, im letzten in einfachem betrage zu entrichten ist. übrigens haben die gesetze eine sehr groſse anzahl von geldstrafen für beamte, die dies oder jenes unterlassen, bereits fixirt, in der sammt- gemeinde wie in den einzelgemeinden (Rede gg. Makart. 58), phratrien und überhaupt allen κοινά. wer eine solche unterlassung nachweist, hat damit die höhe der strafe ἀδικίου von selbst normirt. wenn die strafe nicht am verfalltage (in der neunten prytanie) gezahlt wird, so treten die legalen folgen ein, execution, schuldhaft, confiscation des λόγος. 2) Wer kein öffentliches geld verwaltet hat, gibt eine dahin gehende erklärung ab, Aisch. 3, 22. 3) Lex. Cantabr. ἀλογίου. 4) Die frist gibt Harp. λογισταί. über die quelle seiner nachrichten und ihren irrtum vgl. I 7 anm. 82. 5) Den plural gibt Harp. λογισταί mit belegen, von denen einer das erhaltene psephisma des Patrokleides (Andok. 1, 78) ist. da die nur je für eine phyle am- tirenden euthynen sich dieser ‘rechnungskammer’ bedienen, und da in der einzel- gemeinde nur ein logist ist (CIA II 578), so wird jede phyle ihr λογιστήϱιον ge- halten haben. 6) Nach Phot. εὔϑυναι hätten die logisten die auslosung der richter selbst be- sorgt. dem grammatiker ist nicht bewuſst gewesen, welchen widerspruch gegen attische praxis er damit behauptete; getäuscht hat ihn der vorsitz der logisten, während andere beamte die von eben diesen logisten erhobenen anklagen führten. beseitigt wird der irrtum durch Ar. 59, 1. 63, 1. 7) Die beschränkung ihrer tätigkeit auf das συνηγοϱεῖν liegt im namen der συνήγοϱοι. dazu stimmt das gemeindestatut von Myrrhinus CIA II 578. 8) Aisch. 3, 26.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/242>, abgerufen am 28.03.2024.