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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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II. 9. 3000 hopliten von Acharnai.
wäre das wol denkbar. die berechnung aus der zahl versagt. denn dass
20 wachtschiffe 4000 ruderer, zu denen dann noch die soldaten kommen
müssten, ergeben sollten, würde voraussetzen, dass wie auf der Paralos und
Salaminia nur bürger auf ihnen gerudert hätten. das ist weder bezeugt
noch glaublich. so müssen wir uns eingestehen, dass wir immer noch
nicht genug von dem verhältnissen des fünften jahrhunderts wissen, um
von '2000 ausgelosten männern' zu sagen wer sie sind.8) damit ist zu-
gleich eingestanden, dass die aufstellung der 20000 soldempfänger nicht
ganz nachgerechnet werden kann. immerhin darf dieser posten, die all-
jährlich für militärische zwecke in friedenszeiten tätigen, auf 6000 mann
veranschlagt werden.

Der letzte abschnitt umfasst die staatspensionäre, die en prutaneio
sitoumenoi und die waisen der im kriege gefallenen, zu denen wir
die arbeitsunfähigen fügen können, die der verfasser vergessen hat (oben
I 213)9), und die wächter der kriegsgefangenen oder sonst internirten10).
eine zahl ist für diese classe nicht angegeben und ist auch für uns
unerreichbar. das hindert nicht, dass wir dem verfasser das zeugnis
der glaubwürdigkeit für seine einzelnen posten zugestehn. verwerflich
ist nur seine tendenz, in diesen 20000 kostgänger des Reiches zu er-
blicken, da der überwiegend grössere teil für seinen sold, so er den
erhielt, auch etwas leistete; ganz abgesehen davon dass die ganze summe
nicht jahraus jahrein in dem genusse ihrer bezüge war. sie sollen sie
apo ton phoron kai ton telon kai ton summakhon erhalten haben.
davon haben wir das letzte glied getilgt, weil die bündner auch den
tribut ganz und die zölle zum grossen teile zahlen. aber es ist richtig.

8) Nur schüchtern wage ich eine vermutung. nach Plutarch Per. 11 fuhren
alljährlich 60 trieren, en ais polloi ton politon epleon okto menas emmisthoi,
meletontes ama kai manthanontes ten nautiken empeirian. das passt vorzüglich,
denn zur ausbildung konnte man aus der von den demen praesentirten zahl von
bewerbern gut und gerne die nötige zahl auslosen. und aufgeführt wird die mass-
regel von Plutarch unter den massregeln, mit denen Perikles dem volke durch zu-
wendung von sold gefällig war.
9) Oder sollten diese unterstützungen dem fünften jahrhundert fremd gewesen
sein, im vierten als ein überbleibsel der diobelie eingerichtet? ich neige mich jetzt
dieser auffassung zu. das ist dann für die zeit wichtig, in der diese aufstellung
der 2000 erfolgt war.
10) Die phulakai desmoton rechnet die oligarchische Politie unter die stän-
digen geschäfte des rates dicht neben der dokimasie der waisen, 3, 4. es werden
immer ausser kriegsgefangenen namentlich geiseln aus einer oder der andern stadt
auf den kleinen inseln internirt gewesen sein, wie die Samier 440 auf Lemnos,
Thuk. 1, 115.

II. 9. 3000 hopliten von Acharnai.
wäre das wol denkbar. die berechnung aus der zahl versagt. denn daſs
20 wachtschiffe 4000 ruderer, zu denen dann noch die soldaten kommen
müſsten, ergeben sollten, würde voraussetzen, daſs wie auf der Paralos und
Salaminia nur bürger auf ihnen gerudert hätten. das ist weder bezeugt
noch glaublich. so müssen wir uns eingestehen, daſs wir immer noch
nicht genug von dem verhältnissen des fünften jahrhunderts wissen, um
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gleich eingestanden, daſs die aufstellung der 20000 soldempfänger nicht
ganz nachgerechnet werden kann. immerhin darf dieser posten, die all-
jährlich für militärische zwecke in friedenszeiten tätigen, auf 6000 mann
veranschlagt werden.

Der letzte abschnitt umfaſst die staatspensionäre, die ἐν πϱυτανείῳ
σιτούμενοι und die waisen der im kriege gefallenen, zu denen wir
die arbeitsunfähigen fügen können, die der verfasser vergessen hat (oben
I 213)9), und die wächter der kriegsgefangenen oder sonst internirten10).
eine zahl ist für diese classe nicht angegeben und ist auch für uns
unerreichbar. das hindert nicht, daſs wir dem verfasser das zeugnis
der glaubwürdigkeit für seine einzelnen posten zugestehn. verwerflich
ist nur seine tendenz, in diesen 20000 kostgänger des Reiches zu er-
blicken, da der überwiegend gröſsere teil für seinen sold, so er den
erhielt, auch etwas leistete; ganz abgesehen davon daſs die ganze summe
nicht jahraus jahrein in dem genusse ihrer bezüge war. sie sollen sie
ἀπὸ τῶν φόϱων καὶ τῶν τελῶν καὶ τῶν συμμάχων erhalten haben.
davon haben wir das letzte glied getilgt, weil die bündner auch den
tribut ganz und die zölle zum groſsen teile zahlen. aber es ist richtig.

8) Nur schüchtern wage ich eine vermutung. nach Plutarch Per. 11 fuhren
alljährlich 60 trieren, ἐν αἷς πολλοὶ τῶν πολιτῶν ἔπλεον ὀκτὼ μῆνας ἔμμισϑοι,
μελετῶντες ἅμα καὶ μανϑάνοντες τὴν ναυτικὴν ἐμπειϱίαν. das paſst vorzüglich,
denn zur ausbildung konnte man aus der von den demen praesentirten zahl von
bewerbern gut und gerne die nötige zahl auslosen. und aufgeführt wird die maſs-
regel von Plutarch unter den maſsregeln, mit denen Perikles dem volke durch zu-
wendung von sold gefällig war.
9) Oder sollten diese unterstützungen dem fünften jahrhundert fremd gewesen
sein, im vierten als ein überbleibsel der diobelie eingerichtet? ich neige mich jetzt
dieser auffassung zu. das ist dann für die zeit wichtig, in der diese aufstellung
der 2000 erfolgt war.
10) Die φυλακαὶ δεσμωτῶν rechnet die oligarchische Politie unter die stän-
digen geschäfte des rates dicht neben der dokimasie der waisen, 3, 4. es werden
immer auſser kriegsgefangenen namentlich geiseln aus einer oder der andern stadt
auf den kleinen inseln internirt gewesen sein, wie die Samier 440 auf Lemnos,
Thuk. 1, 115.
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[206/0216] II. 9. 3000 hopliten von Acharnai. wäre das wol denkbar. die berechnung aus der zahl versagt. denn daſs 20 wachtschiffe 4000 ruderer, zu denen dann noch die soldaten kommen müſsten, ergeben sollten, würde voraussetzen, daſs wie auf der Paralos und Salaminia nur bürger auf ihnen gerudert hätten. das ist weder bezeugt noch glaublich. so müssen wir uns eingestehen, daſs wir immer noch nicht genug von dem verhältnissen des fünften jahrhunderts wissen, um von ‘2000 ausgelosten männern’ zu sagen wer sie sind. 8) damit ist zu- gleich eingestanden, daſs die aufstellung der 20000 soldempfänger nicht ganz nachgerechnet werden kann. immerhin darf dieser posten, die all- jährlich für militärische zwecke in friedenszeiten tätigen, auf 6000 mann veranschlagt werden. Der letzte abschnitt umfaſst die staatspensionäre, die ἐν πϱυτανείῳ σιτούμενοι und die waisen der im kriege gefallenen, zu denen wir die arbeitsunfähigen fügen können, die der verfasser vergessen hat (oben I 213) 9), und die wächter der kriegsgefangenen oder sonst internirten 10). eine zahl ist für diese classe nicht angegeben und ist auch für uns unerreichbar. das hindert nicht, daſs wir dem verfasser das zeugnis der glaubwürdigkeit für seine einzelnen posten zugestehn. verwerflich ist nur seine tendenz, in diesen 20000 kostgänger des Reiches zu er- blicken, da der überwiegend gröſsere teil für seinen sold, so er den erhielt, auch etwas leistete; ganz abgesehen davon daſs die ganze summe nicht jahraus jahrein in dem genusse ihrer bezüge war. sie sollen sie ἀπὸ τῶν φόϱων καὶ τῶν τελῶν καὶ τῶν συμμάχων erhalten haben. davon haben wir das letzte glied getilgt, weil die bündner auch den tribut ganz und die zölle zum groſsen teile zahlen. aber es ist richtig. 8) Nur schüchtern wage ich eine vermutung. nach Plutarch Per. 11 fuhren alljährlich 60 trieren, ἐν αἷς πολλοὶ τῶν πολιτῶν ἔπλεον ὀκτὼ μῆνας ἔμμισϑοι, μελετῶντες ἅμα καὶ μανϑάνοντες τὴν ναυτικὴν ἐμπειϱίαν. das paſst vorzüglich, denn zur ausbildung konnte man aus der von den demen praesentirten zahl von bewerbern gut und gerne die nötige zahl auslosen. und aufgeführt wird die maſs- regel von Plutarch unter den maſsregeln, mit denen Perikles dem volke durch zu- wendung von sold gefällig war. 9) Oder sollten diese unterstützungen dem fünften jahrhundert fremd gewesen sein, im vierten als ein überbleibsel der diobelie eingerichtet? ich neige mich jetzt dieser auffassung zu. das ist dann für die zeit wichtig, in der diese aufstellung der 2000 erfolgt war. 10) Die φυλακαὶ δεσμωτῶν rechnet die oligarchische Politie unter die stän- digen geschäfte des rates dicht neben der dokimasie der waisen, 3, 4. es werden immer auſser kriegsgefangenen namentlich geiseln aus einer oder der andern stadt auf den kleinen inseln internirt gewesen sein, wie die Samier 440 auf Lemnos, Thuk. 1, 115.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/216>, abgerufen am 19.04.2024.