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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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II. 9. 3000 hopliten von Acharnai.
nehmen rittern analoge militärische vertretung gefunden; wir werden
nunmehr keine veranlassung haben bei militärischen operationen unter
schützen andere als die bürgerlichen zu verstehen2); geleistet hat die
truppe wenig. neu sind für uns die werftwächter, die mit den neoroi,
später neorion epimeletai nicht verwechselt werden dürfen.3) da über
400 trieren in den docks lagen, was eine entsprechende ausdehnung
der arsenale fordert, so war eine starke wache allerdings nötig, aber
die 500 repraesentiren eine garnison der hafenstadt. das war eine sehr
angemessene einrichtung; in der demosthenischen zeit commandiren im
hafen zwei strategen und ist die caserne der epheben dort, in der wol
vorher phrouroi gelegen haben werden (oben I 198). die burgwache ist
ebenfalls neu; wir kennen sie sonst erst aus viel späterer zeit.4) aber
die schätze und cassen der burg forderten sie eigentlich notwendig.5)

Die zweite kategorie bilden die beamten, 700 in Attika; die zahl
der uperorioi, wie mit dem terminus des fünften jahrhunderts gesagt

2) Nun möchte man die schützen, die als huissiers in der volksversammlung
auftreten, auch für bürger halten, weil fremde dahin wirklich nicht gehören. dass
die grammatiker (schol. Ar. Ach. 54) nur die Skythen kennen, tut nichts dagegen.
aber das bürgerliche schützencorps müsste dann auch noch zur zeit der Ekklesia-
zusen existirt haben. es bleiben noch mehr offene detailfragen.
3) CIA IV p. 144, Delt. arkh. 89, 26. ihre tätigkeit ist genau die aus den see-
urkunden des vierten jahrhunderts bekannte.
4) CIA III 1284 ffg. 3906.
5) Als die bauhütte für den Parthenon aufgeschlagen ward, also etwa 447
oder wenig später (auch an den Propylaeenbau kann man denken), hat man ein
wachthaus dabei errichtet und drei bürgerliche schützen aus der vorsitzenden phyle
zu wächtern gesetzt; der rat, also die prytanen, behielt die oberaussicht. das lehrt
der seltsame stein CIA IV p. 140. mit der ständigen wache hat das nichts zu tun;
es ist eine vorübergehende massregel. die inschrift schliesst phulakas de ennai trens
men tokhsotas ek tens phulens tens prutaneuoses. es ist eben so verkehrt, hier spi-
nöse syntaktische feinheiten zu suchen wie gewalt zu brauchen. ein psephisma
kommt in der regel zu stande, indem ein ratsantrag vor das volk gebracht und mit
mehr oder weniger änderungen angenommen wird. unsere steinschriften sind aus-
züge aus dem protokolle, das der schreiber führt. ihre ganze gestalt lehrt das, wenn
es auch eine gedankenlose sammelei wie das nur durch das rohmaterial brauchbare
buch von Swoboda verkennt. der ratsantrag hatte in diesem falle ausser den 3 schützen
noch eine weitere wache gefordert; aber sein zweiter teil ward abgelehnt. da hat
der protokollführer den letzten absatz gestrichen, aber das men vergessen. die nieder-
schrift ist nicht officiell; das volk hatte sie nicht verordnet (das müsste am schlusse
stehn), und für eine solche verwaltungsmassregel hatte sie auch keinen zweck. der
stein ist auch nicht auf der burg gefunden. es hat also ein unfindbarer specialanlass
diese aufzeichnung herbeigeführt.

II. 9. 3000 hopliten von Acharnai.
nehmen rittern analoge militärische vertretung gefunden; wir werden
nunmehr keine veranlassung haben bei militärischen operationen unter
schützen andere als die bürgerlichen zu verstehen2); geleistet hat die
truppe wenig. neu sind für uns die werftwächter, die mit den νεωϱοί,
später νεωϱίων ἐπιμεληταί nicht verwechselt werden dürfen.3) da über
400 trieren in den docks lagen, was eine entsprechende ausdehnung
der arsenale fordert, so war eine starke wache allerdings nötig, aber
die 500 repraesentiren eine garnison der hafenstadt. das war eine sehr
angemessene einrichtung; in der demosthenischen zeit commandiren im
hafen zwei strategen und ist die caserne der epheben dort, in der wol
vorher φϱουϱοί gelegen haben werden (oben I 198). die burgwache ist
ebenfalls neu; wir kennen sie sonst erst aus viel späterer zeit.4) aber
die schätze und cassen der burg forderten sie eigentlich notwendig.5)

Die zweite kategorie bilden die beamten, 700 in Attika; die zahl
der ὑπεϱόϱιοι, wie mit dem terminus des fünften jahrhunderts gesagt

2) Nun möchte man die schützen, die als huissiers in der volksversammlung
auftreten, auch für bürger halten, weil fremde dahin wirklich nicht gehören. daſs
die grammatiker (schol. Ar. Ach. 54) nur die Skythen kennen, tut nichts dagegen.
aber das bürgerliche schützencorps müſste dann auch noch zur zeit der Ekklesia-
zusen existirt haben. es bleiben noch mehr offene detailfragen.
3) CIA IV p. 144, Δελτ. ἀϱχ. 89, 26. ihre tätigkeit ist genau die aus den see-
urkunden des vierten jahrhunderts bekannte.
4) CIA III 1284 ffg. 3906.
5) Als die bauhütte für den Parthenon aufgeschlagen ward, also etwa 447
oder wenig später (auch an den Propylaeenbau kann man denken), hat man ein
wachthaus dabei errichtet und drei bürgerliche schützen aus der vorsitzenden phyle
zu wächtern gesetzt; der rat, also die prytanen, behielt die oberauſsicht. das lehrt
der seltsame stein CIA IV p. 140. mit der ständigen wache hat das nichts zu tun;
es ist eine vorübergehende maſsregel. die inschrift schlieſst φύλακας δὲ ἐ̃ναι τϱε̃ς
μὲν τοχσότας ἐκ τε̃ς φυλε̃ς τε̃ς πϱυτανευόσες. es ist eben so verkehrt, hier spi-
nöse syntaktische feinheiten zu suchen wie gewalt zu brauchen. ein psephisma
kommt in der regel zu stande, indem ein ratsantrag vor das volk gebracht und mit
mehr oder weniger änderungen angenommen wird. unsere steinschriften sind aus-
züge aus dem protokolle, das der schreiber führt. ihre ganze gestalt lehrt das, wenn
es auch eine gedankenlose sammelei wie das nur durch das rohmaterial brauchbare
buch von Swoboda verkennt. der ratsantrag hatte in diesem falle auſser den 3 schützen
noch eine weitere wache gefordert; aber sein zweiter teil ward abgelehnt. da hat
der protokollführer den letzten absatz gestrichen, aber das μέν vergessen. die nieder-
schrift ist nicht officiell; das volk hatte sie nicht verordnet (das müſste am schlusse
stehn), und für eine solche verwaltungsmaſsregel hatte sie auch keinen zweck. der
stein ist auch nicht auf der burg gefunden. es hat also ein unfindbarer specialanlaſs
diese aufzeichnung herbeigeführt.
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[202/0212] II. 9. 3000 hopliten von Acharnai. nehmen rittern analoge militärische vertretung gefunden; wir werden nunmehr keine veranlassung haben bei militärischen operationen unter schützen andere als die bürgerlichen zu verstehen 2); geleistet hat die truppe wenig. neu sind für uns die werftwächter, die mit den νεωϱοί, später νεωϱίων ἐπιμεληταί nicht verwechselt werden dürfen. 3) da über 400 trieren in den docks lagen, was eine entsprechende ausdehnung der arsenale fordert, so war eine starke wache allerdings nötig, aber die 500 repraesentiren eine garnison der hafenstadt. das war eine sehr angemessene einrichtung; in der demosthenischen zeit commandiren im hafen zwei strategen und ist die caserne der epheben dort, in der wol vorher φϱουϱοί gelegen haben werden (oben I 198). die burgwache ist ebenfalls neu; wir kennen sie sonst erst aus viel späterer zeit. 4) aber die schätze und cassen der burg forderten sie eigentlich notwendig. 5) Die zweite kategorie bilden die beamten, 700 in Attika; die zahl der ὑπεϱόϱιοι, wie mit dem terminus des fünften jahrhunderts gesagt 2) Nun möchte man die schützen, die als huissiers in der volksversammlung auftreten, auch für bürger halten, weil fremde dahin wirklich nicht gehören. daſs die grammatiker (schol. Ar. Ach. 54) nur die Skythen kennen, tut nichts dagegen. aber das bürgerliche schützencorps müſste dann auch noch zur zeit der Ekklesia- zusen existirt haben. es bleiben noch mehr offene detailfragen. 3) CIA IV p. 144, Δελτ. ἀϱχ. 89, 26. ihre tätigkeit ist genau die aus den see- urkunden des vierten jahrhunderts bekannte. 4) CIA III 1284 ffg. 3906. 5) Als die bauhütte für den Parthenon aufgeschlagen ward, also etwa 447 oder wenig später (auch an den Propylaeenbau kann man denken), hat man ein wachthaus dabei errichtet und drei bürgerliche schützen aus der vorsitzenden phyle zu wächtern gesetzt; der rat, also die prytanen, behielt die oberauſsicht. das lehrt der seltsame stein CIA IV p. 140. mit der ständigen wache hat das nichts zu tun; es ist eine vorübergehende maſsregel. die inschrift schlieſst φύλακας δὲ ἐ̃ναι τϱε̃ς μὲν τοχσότας ἐκ τε̃ς φυλε̃ς τε̃ς πϱυτανευόσες. es ist eben so verkehrt, hier spi- nöse syntaktische feinheiten zu suchen wie gewalt zu brauchen. ein psephisma kommt in der regel zu stande, indem ein ratsantrag vor das volk gebracht und mit mehr oder weniger änderungen angenommen wird. unsere steinschriften sind aus- züge aus dem protokolle, das der schreiber führt. ihre ganze gestalt lehrt das, wenn es auch eine gedankenlose sammelei wie das nur durch das rohmaterial brauchbare buch von Swoboda verkennt. der ratsantrag hatte in diesem falle auſser den 3 schützen noch eine weitere wache gefordert; aber sein zweiter teil ward abgelehnt. da hat der protokollführer den letzten absatz gestrichen, aber das μέν vergessen. die nieder- schrift ist nicht officiell; das volk hatte sie nicht verordnet (das müſste am schlusse stehn), und für eine solche verwaltungsmaſsregel hatte sie auch keinen zweck. der stein ist auch nicht auf der burg gefunden. es hat also ein unfindbarer specialanlaſs diese aufzeichnung herbeigeführt.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/212>, abgerufen am 29.03.2024.