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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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Casse des Areopages. nomophulakia.
hälfte des fünften jahrhunderts über so viel geld, dass ihre casse die
schwere ausgabe für den richtersold getragen hat5), sind aber im organis-
mus des staates nur noch so wenig berechtigt, dass selbst die reform der
400 sie beseitigen wollte. die schatzmeister und die poleten stehen
später unter der controlle des rates der 500. daraus erschliessen wir
mit sicherheit, dass diese beiden behörden ursprünglich dem alten rate
untergeben waren, der sie ja auch ernannt hatte: die kolakreten aber
waren die einnehmer der alten ratscasse. Kleisthenes hat in den apodekten
10 einnehmer neben die kolakreten, deren zahl wir nicht kennen, gestellt.
die zahl der schatzmeister und poleten ward auch auf 10 gebracht, d. h.
auch sie vertraten nunmehr die neuen phylen. schon damals also ist
eine casse unter verwaltung des rates der 500 gestellt, schon damals der
Areopag, der notwendigerweise aus leuten, die mit der tyrannis mindestens
freundlich gestanden hatten, noch lange jahre vorwiegend bestehen musste,
stark beschränkt. aber noch standen beide räte nebeneinander: Ephialtes
tat den zweiten wichtigsten schritt und gab die finanzen dem rate der 500;
die kolakreten und somit die vereinnahmung und verrechnung starker
mittel durch den Areopag hat er noch bestehen lassen. daran liegt es,
dass wir über diese behörde so wenig klar sehn. aber wenn Perikles
den richtersold einführte und seine zahlung der kolakretencasse auferlegte,
so zeigt sich darin eine sehr wirksame beschränkung des Areopages
durch ihn.

Drakon hatte dem Areopage das recht gegeben, die amtsführung dernomophu-
lakia.

beamten auf ihre gesetzmässigkeit hin zu controlliren, und ihn auch zur
instanz für beschwerden über die beamten gemacht. auch Solon, der
doch dem volke die eigentliche rechenschaftsabnahme, wenn auch noch
nicht den regelmässigen logistenprocess, sicherte und durch die epichei-
rotonie und andere mittel die directe beschwerde bei dem volke er-
möglichte, endlich die ephesis eis to dikasterion durchführte, hat den-
noch dem Areopage die sorge für die beobachtung der gesetze gelassen,
die nomophulakia. diese hat gar keinen sinn, wenn der Areopag nicht
die möglichkeit hatte einzuschreiten, die beamten vor sich zu fordern
und zu richten. ebenso notwendig folgt aus dieser befugnis, dass die
bürger beschwerden wider die beamten bei dem Areopage einreichen
konnten. erst hierdurch, aber hierdurch sehr energisch, wird der Areopag

5) Daraus folgt, dass in diese casse die gerichtssporteln flossen, denn die oli-
garchische Pol. Ath. 1, 16 nennt als ersten vorteil, den der demos aus dem ge-
richtszwange der bündner zieht, apo ton prutaneion ton misthon di eniautou
lambanein.

Casse des Areopages. νομοφυλακία.
hälfte des fünften jahrhunderts über so viel geld, daſs ihre casse die
schwere ausgabe für den richtersold getragen hat5), sind aber im organis-
mus des staates nur noch so wenig berechtigt, daſs selbst die reform der
400 sie beseitigen wollte. die schatzmeister und die poleten stehen
später unter der controlle des rates der 500. daraus erschlieſsen wir
mit sicherheit, daſs diese beiden behörden ursprünglich dem alten rate
untergeben waren, der sie ja auch ernannt hatte: die kolakreten aber
waren die einnehmer der alten ratscasse. Kleisthenes hat in den apodekten
10 einnehmer neben die kolakreten, deren zahl wir nicht kennen, gestellt.
die zahl der schatzmeister und poleten ward auch auf 10 gebracht, d. h.
auch sie vertraten nunmehr die neuen phylen. schon damals also ist
eine casse unter verwaltung des rates der 500 gestellt, schon damals der
Areopag, der notwendigerweise aus leuten, die mit der tyrannis mindestens
freundlich gestanden hatten, noch lange jahre vorwiegend bestehen muſste,
stark beschränkt. aber noch standen beide räte nebeneinander: Ephialtes
tat den zweiten wichtigsten schritt und gab die finanzen dem rate der 500;
die kolakreten und somit die vereinnahmung und verrechnung starker
mittel durch den Areopag hat er noch bestehen lassen. daran liegt es,
daſs wir über diese behörde so wenig klar sehn. aber wenn Perikles
den richtersold einführte und seine zahlung der kolakretencasse auferlegte,
so zeigt sich darin eine sehr wirksame beschränkung des Areopages
durch ihn.

Drakon hatte dem Areopage das recht gegeben, die amtsführung derνομοφυ-
λακία.

beamten auf ihre gesetzmäſsigkeit hin zu controlliren, und ihn auch zur
instanz für beschwerden über die beamten gemacht. auch Solon, der
doch dem volke die eigentliche rechenschaftsabnahme, wenn auch noch
nicht den regelmäſsigen logistenprocess, sicherte und durch die epichei-
rotonie und andere mittel die directe beschwerde bei dem volke er-
möglichte, endlich die ἔφεσις εἰς τὸ δικαστήϱιον durchführte, hat den-
noch dem Areopage die sorge für die beobachtung der gesetze gelassen,
die νομοφυλακία. diese hat gar keinen sinn, wenn der Areopag nicht
die möglichkeit hatte einzuschreiten, die beamten vor sich zu fordern
und zu richten. ebenso notwendig folgt aus dieser befugnis, daſs die
bürger beschwerden wider die beamten bei dem Areopage einreichen
konnten. erst hierdurch, aber hierdurch sehr energisch, wird der Areopag

5) Daraus folgt, daſs in diese casse die gerichtssporteln flossen, denn die oli-
garchische Πολ. Αϑ. 1, 16 nennt als ersten vorteil, den der demos aus dem ge-
richtszwange der bündner zieht, ἀπὸ τῶν πϱυτανείων τὸν μισϑὸν δι̕ ἐνιαυτοῦ
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[191/0201] Casse des Areopages. νομοφυλακία. hälfte des fünften jahrhunderts über so viel geld, daſs ihre casse die schwere ausgabe für den richtersold getragen hat 5), sind aber im organis- mus des staates nur noch so wenig berechtigt, daſs selbst die reform der 400 sie beseitigen wollte. die schatzmeister und die poleten stehen später unter der controlle des rates der 500. daraus erschlieſsen wir mit sicherheit, daſs diese beiden behörden ursprünglich dem alten rate untergeben waren, der sie ja auch ernannt hatte: die kolakreten aber waren die einnehmer der alten ratscasse. Kleisthenes hat in den apodekten 10 einnehmer neben die kolakreten, deren zahl wir nicht kennen, gestellt. die zahl der schatzmeister und poleten ward auch auf 10 gebracht, d. h. auch sie vertraten nunmehr die neuen phylen. schon damals also ist eine casse unter verwaltung des rates der 500 gestellt, schon damals der Areopag, der notwendigerweise aus leuten, die mit der tyrannis mindestens freundlich gestanden hatten, noch lange jahre vorwiegend bestehen muſste, stark beschränkt. aber noch standen beide räte nebeneinander: Ephialtes tat den zweiten wichtigsten schritt und gab die finanzen dem rate der 500; die kolakreten und somit die vereinnahmung und verrechnung starker mittel durch den Areopag hat er noch bestehen lassen. daran liegt es, daſs wir über diese behörde so wenig klar sehn. aber wenn Perikles den richtersold einführte und seine zahlung der kolakretencasse auferlegte, so zeigt sich darin eine sehr wirksame beschränkung des Areopages durch ihn. Drakon hatte dem Areopage das recht gegeben, die amtsführung der beamten auf ihre gesetzmäſsigkeit hin zu controlliren, und ihn auch zur instanz für beschwerden über die beamten gemacht. auch Solon, der doch dem volke die eigentliche rechenschaftsabnahme, wenn auch noch nicht den regelmäſsigen logistenprocess, sicherte und durch die epichei- rotonie und andere mittel die directe beschwerde bei dem volke er- möglichte, endlich die ἔφεσις εἰς τὸ δικαστήϱιον durchführte, hat den- noch dem Areopage die sorge für die beobachtung der gesetze gelassen, die νομοφυλακία. diese hat gar keinen sinn, wenn der Areopag nicht die möglichkeit hatte einzuschreiten, die beamten vor sich zu fordern und zu richten. ebenso notwendig folgt aus dieser befugnis, daſs die bürger beschwerden wider die beamten bei dem Areopage einreichen konnten. erst hierdurch, aber hierdurch sehr energisch, wird der Areopag νομοφυ- λακία. 5) Daraus folgt, daſs in diese casse die gerichtssporteln flossen, denn die oli- garchische Πολ. Αϑ. 1, 16 nennt als ersten vorteil, den der demos aus dem ge- richtszwange der bündner zieht, ἀπὸ τῶν πϱυτανείων τὸν μισϑὸν δι̕ ἐνιαυτοῦ λαμβάνειν.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/201>, abgerufen am 24.04.2024.