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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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II. 6. Trittyen und demen.
stoteles so wenig wie die Atthis sich den geschlechterstaat wirklich klar
gemacht hat.

Die teilung
des landes.
Kleisthenes machte also zehn phylen und benannte sie nach den
zehn eponymen, die die Pythia aus der liste von hundert alten fürsten
(arkhegetai) auswählte. unter sie verteilte er das land so, dass jede von
ihnen einen strich landes in der nähe der stadt, einen im binnenlande,
einen an der küste erhielt.

Das ist das neue. Attika zerfiel fortan in drei geschlossene massen,
stadt-, land-, küstenprovinz, um bequeme namen zu stiften; jede pro-
vinz zerfiel in zehn kreise; für die verwaltung gehört aber nicht die
provinz zusammen, sondern je ein kreis jeder provinz. diese einheit
führt den dem geschlechterstaat entlehnten namen phyle, stamm; und
die kreise heissen von ihrem verhältnisse zu dem stamme drittel, trittyen.
die absicht des gesetzgebers musste sein, für die phylen eine möglichst
gleiche leistungsfähigkeit, sowol militärisch wie finanziell, zu erzielen;
minder nötig war das schon für die kreise. auf die räumliche aus-
gleichung kam nichts an, und in Attikas bergen und ödländereien war
sie gar nicht einmal anzustreben. wie viele gemeinden endlich in einem
kreise oder einer phyle waren, machte für die organisation sehr wenig
aus. es konnten dafür die praktischen rücksichten auf die ansiedelung
und bevölkerungsdichtigkeit innerhalb des kreises ganz ausschliesslich
massgebend sein; darum sind auch auf diesem gebiete veränderungen
vorgekommen, ohne dass sie die verfassung berührten, so dass wir über
so etwas wie die teilung einer gemeinde oder auch die verleihung des
gemeinderechtes an eine neue siedelung niemals etwas hören, es sei denn
in verbindung mit der phylenverfassung. wichtig ist nach dieser seite
nur die rechtliche zerstörung der hauptstadt, an deren stelle eine pro-
vinz tritt. darüber brauche ich meine früheren ausführungen weder zu
ändern noch zu wiederholen.

Die zahl der
demen.
Aber sonst ist es gut zunächst irrtümer einzugestehn und zu be-
richtigen. es hat also niemals hundert demen gegeben, überhaupt keine

ausgeglichen wären, was dann freilich tiefeinschneidende umgestaltungen des reinen
geschlechterstaates voraussetzen würde. dann wären bereits in jeder adelsphyle
die drei landesteile, stadt, binnenland und küste, vertreten gewesen, also zwölf
compacte massen als grundlage für die dreissig trittyen der neuen ordnung. und
mit den drei landesteilen könnte man die drei parteien, von denen die küstenbevöl-
kerung wirklich eine ist, oder die drei stände, von denen die eupatriden städtisch
sein könnten, auszugleichen versuchen. allein ich scheue mich vor solchen ledig-
lich auf die zahl gebauten combinationen.

II. 6. Trittyen und demen.
stoteles so wenig wie die Atthis sich den geschlechterstaat wirklich klar
gemacht hat.

Die teilung
des landes.
Kleisthenes machte also zehn phylen und benannte sie nach den
zehn eponymen, die die Pythia aus der liste von hundert alten fürsten
(ἀϱχηγέται) auswählte. unter sie verteilte er das land so, daſs jede von
ihnen einen strich landes in der nähe der stadt, einen im binnenlande,
einen an der küste erhielt.

Das ist das neue. Attika zerfiel fortan in drei geschlossene massen,
stadt-, land-, küstenprovinz, um bequeme namen zu stiften; jede pro-
vinz zerfiel in zehn kreise; für die verwaltung gehört aber nicht die
provinz zusammen, sondern je ein kreis jeder provinz. diese einheit
führt den dem geschlechterstaat entlehnten namen phyle, stamm; und
die kreise heiſsen von ihrem verhältnisse zu dem stamme drittel, trittyen.
die absicht des gesetzgebers muſste sein, für die phylen eine möglichst
gleiche leistungsfähigkeit, sowol militärisch wie finanziell, zu erzielen;
minder nötig war das schon für die kreise. auf die räumliche aus-
gleichung kam nichts an, und in Attikas bergen und ödländereien war
sie gar nicht einmal anzustreben. wie viele gemeinden endlich in einem
kreise oder einer phyle waren, machte für die organisation sehr wenig
aus. es konnten dafür die praktischen rücksichten auf die ansiedelung
und bevölkerungsdichtigkeit innerhalb des kreises ganz ausschlieſslich
maſsgebend sein; darum sind auch auf diesem gebiete veränderungen
vorgekommen, ohne daſs sie die verfassung berührten, so daſs wir über
so etwas wie die teilung einer gemeinde oder auch die verleihung des
gemeinderechtes an eine neue siedelung niemals etwas hören, es sei denn
in verbindung mit der phylenverfassung. wichtig ist nach dieser seite
nur die rechtliche zerstörung der hauptstadt, an deren stelle eine pro-
vinz tritt. darüber brauche ich meine früheren ausführungen weder zu
ändern noch zu wiederholen.

Die zahl der
demen.
Aber sonst ist es gut zunächst irrtümer einzugestehn und zu be-
richtigen. es hat also niemals hundert demen gegeben, überhaupt keine

ausgeglichen wären, was dann freilich tiefeinschneidende umgestaltungen des reinen
geschlechterstaates voraussetzen würde. dann wären bereits in jeder adelsphyle
die drei landesteile, stadt, binnenland und küste, vertreten gewesen, also zwölf
compacte massen als grundlage für die dreiſsig trittyen der neuen ordnung. und
mit den drei landesteilen könnte man die drei parteien, von denen die küstenbevöl-
kerung wirklich eine ist, oder die drei stände, von denen die eupatriden städtisch
sein könnten, auszugleichen versuchen. allein ich scheue mich vor solchen ledig-
lich auf die zahl gebauten combinationen.
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[148/0158] II. 6. Trittyen und demen. stoteles so wenig wie die Atthis sich den geschlechterstaat wirklich klar gemacht hat. Kleisthenes machte also zehn phylen und benannte sie nach den zehn eponymen, die die Pythia aus der liste von hundert alten fürsten (ἀϱχηγέται) auswählte. unter sie verteilte er das land so, daſs jede von ihnen einen strich landes in der nähe der stadt, einen im binnenlande, einen an der küste erhielt. Die teilung des landes. Das ist das neue. Attika zerfiel fortan in drei geschlossene massen, stadt-, land-, küstenprovinz, um bequeme namen zu stiften; jede pro- vinz zerfiel in zehn kreise; für die verwaltung gehört aber nicht die provinz zusammen, sondern je ein kreis jeder provinz. diese einheit führt den dem geschlechterstaat entlehnten namen phyle, stamm; und die kreise heiſsen von ihrem verhältnisse zu dem stamme drittel, trittyen. die absicht des gesetzgebers muſste sein, für die phylen eine möglichst gleiche leistungsfähigkeit, sowol militärisch wie finanziell, zu erzielen; minder nötig war das schon für die kreise. auf die räumliche aus- gleichung kam nichts an, und in Attikas bergen und ödländereien war sie gar nicht einmal anzustreben. wie viele gemeinden endlich in einem kreise oder einer phyle waren, machte für die organisation sehr wenig aus. es konnten dafür die praktischen rücksichten auf die ansiedelung und bevölkerungsdichtigkeit innerhalb des kreises ganz ausschlieſslich maſsgebend sein; darum sind auch auf diesem gebiete veränderungen vorgekommen, ohne daſs sie die verfassung berührten, so daſs wir über so etwas wie die teilung einer gemeinde oder auch die verleihung des gemeinderechtes an eine neue siedelung niemals etwas hören, es sei denn in verbindung mit der phylenverfassung. wichtig ist nach dieser seite nur die rechtliche zerstörung der hauptstadt, an deren stelle eine pro- vinz tritt. darüber brauche ich meine früheren ausführungen weder zu ändern noch zu wiederholen. Aber sonst ist es gut zunächst irrtümer einzugestehn und zu be- richtigen. es hat also niemals hundert demen gegeben, überhaupt keine 5) Die zahl der demen. 5) ausgeglichen wären, was dann freilich tiefeinschneidende umgestaltungen des reinen geschlechterstaates voraussetzen würde. dann wären bereits in jeder adelsphyle die drei landesteile, stadt, binnenland und küste, vertreten gewesen, also zwölf compacte massen als grundlage für die dreiſsig trittyen der neuen ordnung. und mit den drei landesteilen könnte man die drei parteien, von denen die küstenbevöl- kerung wirklich eine ist, oder die drei stände, von denen die eupatriden städtisch sein könnten, auszugleichen versuchen. allein ich scheue mich vor solchen ledig- lich auf die zahl gebauten combinationen.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/158>, abgerufen am 23.04.2024.