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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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Die Medontiden.
befristeten amtsperioden der beamten ein lebenslänglicher könig stünde.
die parische chronik bezeichnet in der tat die sämmtlichen namen
der liste, die sie bis auf die zeit der neun einjährigen archonten an-
führt, als könige; von den zehnjährigen kommt leider keiner vor. die
liste des Pausanias (I 3, 3) enthielt sogar das stemma dieser Medontiden-
könige bis auf den vorgänger des Hippomenes, und er gibt gelegent-
lich eine probe davon. 14) die auszüge des Kastor bei Eusebius stimmen
mit ihm in allem wesentlichen, und dass sie trotz der gentilicischen
verwandtschaft ihrer träger die namen auf arkhontas dia biou und
eis dekaeteian beziehen, ist so verkehrt in sich, dass es nicht be-
irren kann.

Dürfen wir die namenliste als authentisch anerkennen? abgesehen
von Hippomenes 15) sind in ihr keine schwankungen nachweisbar, im
gegenteil, die übereinstimmung der parischen chronik sichert gerade die
älteren namen und selbst die zahlen für die letzten zwei lebensläng-
lichen archonten oder vielmehr könige. dass die archontenliste von
unten bis Kreon 683/2 = ol. 24, 3 mit einer relativ grossen zuverlässig-
keit lief, kann niemand ernsthaft leugnen. damals wurden die thesmo-
theten eingesetzt und schriftliche verordnungen gab es bereits: so Ari-
stoteles, und es ist lächerlich, daran zu zweifeln, da unsere inschriften
wol selbst so hoch hinauf reichen, die Eleer und Spartaner schon viele
jahrzehnte früher mit der führung von officiellen listen begonnen hatten.

14) IV 5, 10 heisst Aisimides, der zweite der zehnjährigen archonten, sohn des
Aischylos, von dem ihn sein vorgänger Charops und der könig Alkmeon trennen.
bei Kastor (Euseb. I 187 Sch.) folgen sich die älteren könige alle als sohn dem
vater, nur Alkmeon ist nicht sohn des Aischylos. das stimmt also. dass Pausanias
im vierten buche eine andere liste als im ersten habe, glaube ich nicht; Hippomenes
stand nur in keinem kindlichem verwandtschaftsverhältnis zu einem seiner vorgänger.
übrigens hat sich Pausanias IV 13, 7 u. ö. um eine olympiade versehen, oder seine liste
war durch einen schreibfehler entstellt, denn an eine andere tradition kann ich nicht
glauben (so Gelzer Hist. Aufs. für Curtius 18. 19). das datum für Kreon ist durch
Marmor Parium, Dionysios, Africanus völlig gesichert, seitdem Gutschmid auch das
erste richtiger als Boeckh behandelt hat. man darf nur nicht vergessen, dass in
der rechnung des Pariers ein jahr kein jahr ist.
15) Wenn dieser in der liste fehlte, aber wirklich Aisimides und Kleidikos
noch könige aus dem Medontidenhause, also lebenslängliche waren, so konnte die
rechnung der lebenszeiten unmöglich die erforderliche zahl decennien geben. Hippo-
menes war durch ein monument, das grab seiner tochter, und dessen aition im ge-
dächtnis erhalten: sehr leicht also konnte ein Atthidograph sich seiner bedienen,
um eine lücke zu füllen. dies unter der voraussetzung, dass die namenliste zuver-
lässig ist und Kodriden gibt.

Die Medontiden.
befristeten amtsperioden der beamten ein lebenslänglicher könig stünde.
die parische chronik bezeichnet in der tat die sämmtlichen namen
der liste, die sie bis auf die zeit der neun einjährigen archonten an-
führt, als könige; von den zehnjährigen kommt leider keiner vor. die
liste des Pausanias (I 3, 3) enthielt sogar das stemma dieser Medontiden-
könige bis auf den vorgänger des Hippomenes, und er gibt gelegent-
lich eine probe davon. 14) die auszüge des Kastor bei Eusebius stimmen
mit ihm in allem wesentlichen, und daſs sie trotz der gentilicischen
verwandtschaft ihrer träger die namen auf ἄϱχοντας διὰ βίου und
εἰς δεκαέτειαν beziehen, ist so verkehrt in sich, daſs es nicht be-
irren kann.

Dürfen wir die namenliste als authentisch anerkennen? abgesehen
von Hippomenes 15) sind in ihr keine schwankungen nachweisbar, im
gegenteil, die übereinstimmung der parischen chronik sichert gerade die
älteren namen und selbst die zahlen für die letzten zwei lebensläng-
lichen archonten oder vielmehr könige. daſs die archontenliste von
unten bis Kreon 683/2 = ol. 24, 3 mit einer relativ groſsen zuverlässig-
keit lief, kann niemand ernsthaft leugnen. damals wurden die thesmo-
theten eingesetzt und schriftliche verordnungen gab es bereits: so Ari-
stoteles, und es ist lächerlich, daran zu zweifeln, da unsere inschriften
wol selbst so hoch hinauf reichen, die Eleer und Spartaner schon viele
jahrzehnte früher mit der führung von officiellen listen begonnen hatten.

14) IV 5, 10 heiſst Aisimides, der zweite der zehnjährigen archonten, sohn des
Aischylos, von dem ihn sein vorgänger Charops und der könig Alkmeon trennen.
bei Kastor (Euseb. I 187 Sch.) folgen sich die älteren könige alle als sohn dem
vater, nur Alkmeon ist nicht sohn des Aischylos. das stimmt also. daſs Pausanias
im vierten buche eine andere liste als im ersten habe, glaube ich nicht; Hippomenes
stand nur in keinem kindlichem verwandtschaftsverhältnis zu einem seiner vorgänger.
übrigens hat sich Pausanias IV 13, 7 u. ö. um eine olympiade versehen, oder seine liste
war durch einen schreibfehler entstellt, denn an eine andere tradition kann ich nicht
glauben (so Gelzer Hist. Aufs. für Curtius 18. 19). das datum für Kreon ist durch
Marmor Parium, Dionysios, Africanus völlig gesichert, seitdem Gutschmid auch das
erste richtiger als Boeckh behandelt hat. man darf nur nicht vergessen, daſs in
der rechnung des Pariers ein jahr kein jahr ist.
15) Wenn dieser in der liste fehlte, aber wirklich Aisimides und Kleidikos
noch könige aus dem Medontidenhause, also lebenslängliche waren, so konnte die
rechnung der lebenszeiten unmöglich die erforderliche zahl decennien geben. Hippo-
menes war durch ein monument, das grab seiner tochter, und dessen αἴτιον im ge-
dächtnis erhalten: sehr leicht also konnte ein Atthidograph sich seiner bedienen,
um eine lücke zu füllen. dies unter der voraussetzung, daſs die namenliste zuver-
lässig ist und Kodriden gibt.
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[133/0143] Die Medontiden. befristeten amtsperioden der beamten ein lebenslänglicher könig stünde. die parische chronik bezeichnet in der tat die sämmtlichen namen der liste, die sie bis auf die zeit der neun einjährigen archonten an- führt, als könige; von den zehnjährigen kommt leider keiner vor. die liste des Pausanias (I 3, 3) enthielt sogar das stemma dieser Medontiden- könige bis auf den vorgänger des Hippomenes, und er gibt gelegent- lich eine probe davon. 14) die auszüge des Kastor bei Eusebius stimmen mit ihm in allem wesentlichen, und daſs sie trotz der gentilicischen verwandtschaft ihrer träger die namen auf ἄϱχοντας διὰ βίου und εἰς δεκαέτειαν beziehen, ist so verkehrt in sich, daſs es nicht be- irren kann. Dürfen wir die namenliste als authentisch anerkennen? abgesehen von Hippomenes 15) sind in ihr keine schwankungen nachweisbar, im gegenteil, die übereinstimmung der parischen chronik sichert gerade die älteren namen und selbst die zahlen für die letzten zwei lebensläng- lichen archonten oder vielmehr könige. daſs die archontenliste von unten bis Kreon 683/2 = ol. 24, 3 mit einer relativ groſsen zuverlässig- keit lief, kann niemand ernsthaft leugnen. damals wurden die thesmo- theten eingesetzt und schriftliche verordnungen gab es bereits: so Ari- stoteles, und es ist lächerlich, daran zu zweifeln, da unsere inschriften wol selbst so hoch hinauf reichen, die Eleer und Spartaner schon viele jahrzehnte früher mit der führung von officiellen listen begonnen hatten. 14) IV 5, 10 heiſst Aisimides, der zweite der zehnjährigen archonten, sohn des Aischylos, von dem ihn sein vorgänger Charops und der könig Alkmeon trennen. bei Kastor (Euseb. I 187 Sch.) folgen sich die älteren könige alle als sohn dem vater, nur Alkmeon ist nicht sohn des Aischylos. das stimmt also. daſs Pausanias im vierten buche eine andere liste als im ersten habe, glaube ich nicht; Hippomenes stand nur in keinem kindlichem verwandtschaftsverhältnis zu einem seiner vorgänger. übrigens hat sich Pausanias IV 13, 7 u. ö. um eine olympiade versehen, oder seine liste war durch einen schreibfehler entstellt, denn an eine andere tradition kann ich nicht glauben (so Gelzer Hist. Aufs. für Curtius 18. 19). das datum für Kreon ist durch Marmor Parium, Dionysios, Africanus völlig gesichert, seitdem Gutschmid auch das erste richtiger als Boeckh behandelt hat. man darf nur nicht vergessen, daſs in der rechnung des Pariers ein jahr kein jahr ist. 15) Wenn dieser in der liste fehlte, aber wirklich Aisimides und Kleidikos noch könige aus dem Medontidenhause, also lebenslängliche waren, so konnte die rechnung der lebenszeiten unmöglich die erforderliche zahl decennien geben. Hippo- menes war durch ein monument, das grab seiner tochter, und dessen αἴτιον im ge- dächtnis erhalten: sehr leicht also konnte ein Atthidograph sich seiner bedienen, um eine lücke zu füllen. dies unter der voraussetzung, daſs die namenliste zuver- lässig ist und Kodriden gibt.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/143>, abgerufen am 25.04.2024.