Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

Die münze. alter der classen.
zu sagen pflegt, klingt sogar altertümlich. und da Solon nicht nach
dem stater, sondern nach der drachme gerechnet hat, wird man auch
das bei Drakon nicht anders erwarten. aber wir wissen doch zu-
verlässig, dass Drakons gesetze noch bussen in homerischer art nach dem
werte von rindern bemassen.10) aber dieselbe überlieferung berichtet,
dass der attische herold an den Delien die preise nach rindern berechnet
ausrief, während sie in geld gezahlt wurden, das rind zu zwei drachmen
gerechnet.11) das sind alte formelhafte ausdrücke, die um 600 häufiger
gewesen sein werden als um 300, aber wenn sie es hier nicht tun,
auch da nicht die münzrechnung ausschliessen. lediglich aus diesen
formeln ist die irrlehre entstanden, dass das älteste attische münzbild das
rind gewesen wäre, und nicht anders ist die angabe des Phalereers zu
beurteilen, dass zu Solons zeit das rind fünf, das schaf eine drachme
gegolten hätte. das waren gleichungen wie die delische; im ernst kann
den wert des bous ergates, den zu töten ein frevel war, von dem ein
joch den bauer zum hopliten machte, niemand so niedrig schätzen.12)
in der erwähnung der münze liegt also kein anstoss. gemeint ist natür-
lich aeginäische währung; aber das ist für die hauptsache gänzlich be-
langlos.

Schwerer wiegt die gleichsetzung des pentakosiomedimnen mit demAlter der
classen.

besitzer eines grundstückes im werte von 20000 dr. dann muss der
wert der 500 scheffel gleich den zinsen jenes vermögens sein, also bei
dem niedrigen zinssatze von 12 % 2400 dr. das ist doch wol zu viel,
auch wenn man die gleichung von scheffel und drachme, wie man muss,
aufgegeben hat. zu viel nämlich, wenn man gerste rechnet; beim weizen
ist es schon anders, und wenn es gar öl oder wein ist, oder sesam oder

10) Pollux 9, 61 apotinein eikosiboion.
11) Pollux ebenda en te para Deliois theoria ton keruka (den attischen
nämlich) keruttein. diese worte sind also geschrieben, als es Delier gab, und Athen
die alte theorie dahin sandte, also im dritten jahrhundert, also von Philochoros.
das bestätigt sich durch schol. Ar. Vög. 1106, wo er das rind für den ältesten
stempel erklärt, ganz wie hier. er wird, wie die Atthis überhaupt, diese prägung
auf Theseus zurückgeführt haben (Plut. Thes. 25). nach dem dargelegten ist es
müssig nach münzen mit einem rinde zu suchen, die in Athen cursirt hätten, oder
das sprüchwort bous epi glosse heranzuziehn, das erst durch eben dies mis-
verständnis auf bestechung gedeutet ist, während es den knebel meint.
12) Plut. Sol. 23. natürlich darf man nicht an den marktpreis denken, wenn
opfergesetze ein schaf, einen scheffel und eine drachme gleichsetzen. die wirk-
lichen summen in Solons gesetzen, 1 dr. jagdpreis für einen jungen, 5 für einen
alten wolf, 100 dr. ehrensold für den sieger an den Isthmien, 500 für den an den
Olympien lassen keinesweges einen sehr hohen wert des geldes erkennen.
v. Wilamowitz, Aristoteles. 6

Die münze. alter der classen.
zu sagen pflegt, klingt sogar altertümlich. und da Solon nicht nach
dem stater, sondern nach der drachme gerechnet hat, wird man auch
das bei Drakon nicht anders erwarten. aber wir wissen doch zu-
verlässig, daſs Drakons gesetze noch buſsen in homerischer art nach dem
werte von rindern bemaſsen.10) aber dieselbe überlieferung berichtet,
daſs der attische herold an den Delien die preise nach rindern berechnet
ausrief, während sie in geld gezahlt wurden, das rind zu zwei drachmen
gerechnet.11) das sind alte formelhafte ausdrücke, die um 600 häufiger
gewesen sein werden als um 300, aber wenn sie es hier nicht tun,
auch da nicht die münzrechnung ausschlieſsen. lediglich aus diesen
formeln ist die irrlehre entstanden, daſs das älteste attische münzbild das
rind gewesen wäre, und nicht anders ist die angabe des Phalereers zu
beurteilen, daſs zu Solons zeit das rind fünf, das schaf eine drachme
gegolten hätte. das waren gleichungen wie die delische; im ernst kann
den wert des βοῦς ἐϱγάτης, den zu töten ein frevel war, von dem ein
joch den bauer zum hopliten machte, niemand so niedrig schätzen.12)
in der erwähnung der münze liegt also kein anstoſs. gemeint ist natür-
lich aeginäische währung; aber das ist für die hauptsache gänzlich be-
langlos.

Schwerer wiegt die gleichsetzung des pentakosiomedimnen mit demAlter der
classen.

besitzer eines grundstückes im werte von 20000 dr. dann muſs der
wert der 500 scheffel gleich den zinsen jenes vermögens sein, also bei
dem niedrigen zinssatze von 12 % 2400 dr. das ist doch wol zu viel,
auch wenn man die gleichung von scheffel und drachme, wie man muſs,
aufgegeben hat. zu viel nämlich, wenn man gerste rechnet; beim weizen
ist es schon anders, und wenn es gar öl oder wein ist, oder sesam oder

10) Pollux 9, 61 ἀποτίνειν εἰκοσίβοιον.
11) Pollux ebenda ἐν τῇ παϱὰ Δηλίοις ϑεωϱίᾳ τὸν κήϱυκα (den attischen
nämlich) κηϱύττειν. diese worte sind also geschrieben, als es Delier gab, und Athen
die alte theorie dahin sandte, also im dritten jahrhundert, also von Philochoros.
das bestätigt sich durch schol. Ar. Vög. 1106, wo er das rind für den ältesten
stempel erklärt, ganz wie hier. er wird, wie die Atthis überhaupt, diese prägung
auf Theseus zurückgeführt haben (Plut. Thes. 25). nach dem dargelegten ist es
müſsig nach münzen mit einem rinde zu suchen, die in Athen cursirt hätten, oder
das sprüchwort βοῦς ἐπί γλώσσῃ heranzuziehn, das erst durch eben dies mis-
verständnis auf bestechung gedeutet ist, während es den knebel meint.
12) Plut. Sol. 23. natürlich darf man nicht an den marktpreis denken, wenn
opfergesetze ein schaf, einen scheffel und eine drachme gleichsetzen. die wirk-
lichen summen in Solons gesetzen, 1 dr. jagdpreis für einen jungen, 5 für einen
alten wolf, 100 dr. ehrensold für den sieger an den Isthmien, 500 für den an den
Olympien lassen keinesweges einen sehr hohen wert des geldes erkennen.
v. Wilamowitz, Aristoteles. 6
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0095" n="81"/><fw place="top" type="header">Die münze. alter der classen.</fw><lb/>
zu sagen pflegt, klingt sogar altertümlich. und da Solon nicht nach<lb/>
dem stater, sondern nach der drachme gerechnet hat, wird man auch<lb/>
das bei Drakon nicht anders erwarten. aber wir wissen doch zu-<lb/>
verlässig, da&#x017F;s Drakons gesetze noch bu&#x017F;sen in homerischer art nach dem<lb/>
werte von rindern bema&#x017F;sen.<note place="foot" n="10)">Pollux 9, 61 &#x1F00;&#x03C0;&#x03BF;&#x03C4;&#x03AF;&#x03BD;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD; &#x03B5;&#x1F30;&#x03BA;&#x03BF;&#x03C3;&#x03AF;&#x03B2;&#x03BF;&#x03B9;&#x03BF;&#x03BD;.</note> aber dieselbe überlieferung berichtet,<lb/>
da&#x017F;s der attische herold an den Delien die preise nach rindern berechnet<lb/>
ausrief, während sie in geld gezahlt wurden, das rind zu zwei drachmen<lb/>
gerechnet.<note place="foot" n="11)">Pollux ebenda &#x1F10;&#x03BD; &#x03C4;&#x1FC7; &#x03C0;&#x03B1;&#x03F1;&#x1F70; &#x0394;&#x03B7;&#x03BB;&#x03AF;&#x03BF;&#x03B9;&#x03C2; &#x03D1;&#x03B5;&#x03C9;&#x03F1;&#x03AF;&#x1FB3; &#x03C4;&#x1F78;&#x03BD; &#x03BA;&#x03AE;&#x03F1;&#x03C5;&#x03BA;&#x03B1; (den attischen<lb/>
nämlich) &#x03BA;&#x03B7;&#x03F1;&#x03CD;&#x03C4;&#x03C4;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD;. diese worte sind also geschrieben, als es Delier gab, und Athen<lb/>
die alte theorie dahin sandte, also im dritten jahrhundert, also von Philochoros.<lb/>
das bestätigt sich durch schol. Ar. Vög. 1106, wo er das rind für den ältesten<lb/>
stempel erklärt, ganz wie hier. er wird, wie die Atthis überhaupt, diese prägung<lb/>
auf Theseus zurückgeführt haben (Plut. Thes. 25). nach dem dargelegten ist es<lb/>&#x017F;sig nach münzen mit einem rinde zu suchen, die in Athen cursirt hätten, oder<lb/>
das sprüchwort &#x03B2;&#x03BF;&#x1FE6;&#x03C2; &#x1F10;&#x03C0;&#x1F77; &#x03B3;&#x03BB;&#x03CE;&#x03C3;&#x03C3;&#x1FC3; heranzuziehn, das erst durch eben dies mis-<lb/>
verständnis auf bestechung gedeutet ist, während es den knebel meint.</note> das sind alte formelhafte ausdrücke, die um 600 häufiger<lb/>
gewesen sein werden als um 300, aber wenn sie es hier nicht tun,<lb/>
auch da nicht die münzrechnung ausschlie&#x017F;sen. lediglich aus diesen<lb/>
formeln ist die irrlehre entstanden, da&#x017F;s das älteste attische münzbild das<lb/>
rind gewesen wäre, und nicht anders ist die angabe des Phalereers zu<lb/>
beurteilen, da&#x017F;s zu Solons zeit das rind fünf, das schaf eine drachme<lb/>
gegolten hätte. das waren gleichungen wie die delische; im ernst kann<lb/>
den wert des &#x03B2;&#x03BF;&#x1FE6;&#x03C2; &#x1F10;&#x03F1;&#x03B3;&#x03AC;&#x03C4;&#x03B7;&#x03C2;, den zu töten ein frevel war, von dem ein<lb/>
joch den bauer zum hopliten machte, niemand so niedrig schätzen.<note place="foot" n="12)">Plut. Sol. 23. natürlich darf man nicht an den marktpreis denken, wenn<lb/>
opfergesetze ein schaf, einen scheffel und eine drachme gleichsetzen. die wirk-<lb/>
lichen summen in Solons gesetzen, 1 dr. jagdpreis für einen jungen, 5 für einen<lb/>
alten wolf, 100 dr. ehrensold für den sieger an den Isthmien, 500 für den an den<lb/>
Olympien lassen keinesweges einen sehr hohen wert des geldes erkennen.</note><lb/>
in der erwähnung der münze liegt also kein ansto&#x017F;s. gemeint ist natür-<lb/>
lich aeginäische währung; aber das ist für die hauptsache gänzlich be-<lb/>
langlos.</p><lb/>
          <p>Schwerer wiegt die gleichsetzung des pentakosiomedimnen mit dem<note place="right">Alter der<lb/>
classen.</note><lb/>
besitzer eines grundstückes im werte von 20000 dr. dann mu&#x017F;s der<lb/>
wert der 500 scheffel gleich den zinsen jenes vermögens sein, also bei<lb/>
dem niedrigen zinssatze von 12 % 2400 dr. das ist doch wol zu viel,<lb/>
auch wenn man die gleichung von scheffel und drachme, wie man mu&#x017F;s,<lb/>
aufgegeben hat. zu viel nämlich, wenn man gerste rechnet; beim weizen<lb/>
ist es schon anders, und wenn es gar öl oder wein ist, oder sesam oder<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">v. Wilamowitz, Aristoteles. 6</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0095] Die münze. alter der classen. zu sagen pflegt, klingt sogar altertümlich. und da Solon nicht nach dem stater, sondern nach der drachme gerechnet hat, wird man auch das bei Drakon nicht anders erwarten. aber wir wissen doch zu- verlässig, daſs Drakons gesetze noch buſsen in homerischer art nach dem werte von rindern bemaſsen. 10) aber dieselbe überlieferung berichtet, daſs der attische herold an den Delien die preise nach rindern berechnet ausrief, während sie in geld gezahlt wurden, das rind zu zwei drachmen gerechnet. 11) das sind alte formelhafte ausdrücke, die um 600 häufiger gewesen sein werden als um 300, aber wenn sie es hier nicht tun, auch da nicht die münzrechnung ausschlieſsen. lediglich aus diesen formeln ist die irrlehre entstanden, daſs das älteste attische münzbild das rind gewesen wäre, und nicht anders ist die angabe des Phalereers zu beurteilen, daſs zu Solons zeit das rind fünf, das schaf eine drachme gegolten hätte. das waren gleichungen wie die delische; im ernst kann den wert des βοῦς ἐϱγάτης, den zu töten ein frevel war, von dem ein joch den bauer zum hopliten machte, niemand so niedrig schätzen. 12) in der erwähnung der münze liegt also kein anstoſs. gemeint ist natür- lich aeginäische währung; aber das ist für die hauptsache gänzlich be- langlos. Schwerer wiegt die gleichsetzung des pentakosiomedimnen mit dem besitzer eines grundstückes im werte von 20000 dr. dann muſs der wert der 500 scheffel gleich den zinsen jenes vermögens sein, also bei dem niedrigen zinssatze von 12 % 2400 dr. das ist doch wol zu viel, auch wenn man die gleichung von scheffel und drachme, wie man muſs, aufgegeben hat. zu viel nämlich, wenn man gerste rechnet; beim weizen ist es schon anders, und wenn es gar öl oder wein ist, oder sesam oder Alter der classen. 10) Pollux 9, 61 ἀποτίνειν εἰκοσίβοιον. 11) Pollux ebenda ἐν τῇ παϱὰ Δηλίοις ϑεωϱίᾳ τὸν κήϱυκα (den attischen nämlich) κηϱύττειν. diese worte sind also geschrieben, als es Delier gab, und Athen die alte theorie dahin sandte, also im dritten jahrhundert, also von Philochoros. das bestätigt sich durch schol. Ar. Vög. 1106, wo er das rind für den ältesten stempel erklärt, ganz wie hier. er wird, wie die Atthis überhaupt, diese prägung auf Theseus zurückgeführt haben (Plut. Thes. 25). nach dem dargelegten ist es müſsig nach münzen mit einem rinde zu suchen, die in Athen cursirt hätten, oder das sprüchwort βοῦς ἐπί γλώσσῃ heranzuziehn, das erst durch eben dies mis- verständnis auf bestechung gedeutet ist, während es den knebel meint. 12) Plut. Sol. 23. natürlich darf man nicht an den marktpreis denken, wenn opfergesetze ein schaf, einen scheffel und eine drachme gleichsetzen. die wirk- lichen summen in Solons gesetzen, 1 dr. jagdpreis für einen jungen, 5 für einen alten wolf, 100 dr. ehrensold für den sieger an den Isthmien, 500 für den an den Olympien lassen keinesweges einen sehr hohen wert des geldes erkennen. v. Wilamowitz, Aristoteles. 6

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/95
Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/95>, abgerufen am 23.04.2024.