Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

Die classen.
die erste classe, für die archonten wenn nicht diese, so doch die erste
oder zweite gefordert war (so war es bis 457), für alle mindestens die
dritte. die vier classen bestanden auch zu Drakons zeit: das sagt Aristo-
teles ausdrücklich; dass Drakon sie geschaffen hätte, sagt er nicht, muss
es aber geglaubt haben, da die Atthis sie Solon zuschrieb. was er von
Drakons verfassung mitteilt, führt sie jedoch nicht als etwas neues ein.
mit ihren solonischen namen erscheinen sie darin einmal, bei der ab-
stufung von ordnungsstrafen. dagegen werden bei der qualification der
beamten zwar drei classen unterschieden, aber sie führen nicht die solo-
nischen namen, und es werden andere auf das vermögen, nicht auf das
einkommen, begründete sätze angegeben. zwar die unterste stufe ist
im grunde dieselbe. hier ist die eigne equipirung ausdrücklich verlangt;
die solonischen hopliten sind die zeugiten tatsächlich, und seinem be-
griffe nach bedeutet das wort den besitzer eines gespanns. einem solchen
traut man zu einmal 200 scheffel zu ernten, andererseits sich harnisch
schild und helm halten zu können. da ist also die ausgleichung von
zeugites mit opla parekhomenos in demselben drakontischen staats-
wesen ganz unbedenklich. schwierig wird es erst bei den beiden oberen
classen, für die bestimmte ziffern angegeben werden, und zwar zunächst,
weil eine dieser ziffern verdorben ist. der überlieferung nach ist für
archonten und schatzmeister eine ousia eleuthera von 10, für strategen
und hipparchen eine solche von 100 minen gefordert. da ist schon das
verhältnis 1 : 10 schlechtweg unglaublich; ferner aber gehört es sich,
dass die archonten und schatzmeister den höheren census nachweisen,
denn die letzteren haben es dem buchstaben des gesetzes nach immer
tun müssen, und für die archonten müssen wir es auch erwarten,
während der feldherr nie an das vermögen gebunden sein kann, so
lange er wirklich für den krieg bestimmt ist, und tatsächlich auch ein
census für die militärischen chargen, so viel wir wissen, nie bestanden
hat.7) nur ein reitpferd muss der officier haben, und in der adelszeit,
die die cavallerie für vornehmer hält, gehört der sport der ippotrophia
dazu, um solche stellung ausfüllen zu können: es versteht sich im grunde
von selbst, dass die ipparkhoi aus den ippes genommen werden, und
was auch die Atthis und Aristoteles sagen mögen, die etymologie ist
zuverlässiger, und sie lehrt, dass die zweite steuerclasse ursprünglich

7) Er ist auch nie geplant, am wenigsten von den 400, die ja vielmehr gerade
10 strategoi mit ziemlich unumschränkter gewalt einsetzten, zu denen ein gänzlich
verschuldeter mensch wie Phrynichos gehörte.

Die classen.
die erste classe, für die archonten wenn nicht diese, so doch die erste
oder zweite gefordert war (so war es bis 457), für alle mindestens die
dritte. die vier classen bestanden auch zu Drakons zeit: das sagt Aristo-
teles ausdrücklich; daſs Drakon sie geschaffen hätte, sagt er nicht, muſs
es aber geglaubt haben, da die Atthis sie Solon zuschrieb. was er von
Drakons verfassung mitteilt, führt sie jedoch nicht als etwas neues ein.
mit ihren solonischen namen erscheinen sie darin einmal, bei der ab-
stufung von ordnungsstrafen. dagegen werden bei der qualification der
beamten zwar drei classen unterschieden, aber sie führen nicht die solo-
nischen namen, und es werden andere auf das vermögen, nicht auf das
einkommen, begründete sätze angegeben. zwar die unterste stufe ist
im grunde dieselbe. hier ist die eigne equipirung ausdrücklich verlangt;
die solonischen hopliten sind die zeugiten tatsächlich, und seinem be-
griffe nach bedeutet das wort den besitzer eines gespanns. einem solchen
traut man zu einmal 200 scheffel zu ernten, andererseits sich harnisch
schild und helm halten zu können. da ist also die ausgleichung von
ζευγίτης mit ὅπλα παϱεχόμενος in demselben drakontischen staats-
wesen ganz unbedenklich. schwierig wird es erst bei den beiden oberen
classen, für die bestimmte ziffern angegeben werden, und zwar zunächst,
weil eine dieser ziffern verdorben ist. der überlieferung nach ist für
archonten und schatzmeister eine οὐσία ἐλευϑέϱα von 10, für strategen
und hipparchen eine solche von 100 minen gefordert. da ist schon das
verhältnis 1 : 10 schlechtweg unglaublich; ferner aber gehört es sich,
daſs die archonten und schatzmeister den höheren census nachweisen,
denn die letzteren haben es dem buchstaben des gesetzes nach immer
tun müssen, und für die archonten müssen wir es auch erwarten,
während der feldherr nie an das vermögen gebunden sein kann, so
lange er wirklich für den krieg bestimmt ist, und tatsächlich auch ein
census für die militärischen chargen, so viel wir wissen, nie bestanden
hat.7) nur ein reitpferd muſs der officier haben, und in der adelszeit,
die die cavallerie für vornehmer hält, gehört der sport der ἱπποτϱοφία
dazu, um solche stellung ausfüllen zu können: es versteht sich im grunde
von selbst, daſs die ἵππαϱχοι aus den ἱππῆς genommen werden, und
was auch die Atthis und Aristoteles sagen mögen, die etymologie ist
zuverlässiger, und sie lehrt, daſs die zweite steuerclasse ursprünglich

7) Er ist auch nie geplant, am wenigsten von den 400, die ja vielmehr gerade
10 στϱατηγοί mit ziemlich unumschränkter gewalt einsetzten, zu denen ein gänzlich
verschuldeter mensch wie Phrynichos gehörte.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0093" n="79"/><fw place="top" type="header">Die classen.</fw><lb/>
die erste classe, für die archonten wenn nicht diese, so doch die erste<lb/>
oder zweite gefordert war (so war es bis 457), für alle mindestens die<lb/>
dritte. die vier classen bestanden auch zu Drakons zeit: das sagt Aristo-<lb/>
teles ausdrücklich; da&#x017F;s Drakon sie geschaffen hätte, sagt er nicht, mu&#x017F;s<lb/>
es aber geglaubt haben, da die Atthis sie Solon zuschrieb. was er von<lb/>
Drakons verfassung mitteilt, führt sie jedoch nicht als etwas neues ein.<lb/>
mit ihren solonischen namen erscheinen sie darin einmal, bei der ab-<lb/>
stufung von ordnungsstrafen. dagegen werden bei der qualification der<lb/>
beamten zwar drei classen unterschieden, aber sie führen nicht die solo-<lb/>
nischen namen, und es werden andere auf das vermögen, nicht auf das<lb/>
einkommen, begründete sätze angegeben. zwar die unterste stufe ist<lb/>
im grunde dieselbe. hier ist die eigne equipirung ausdrücklich verlangt;<lb/>
die solonischen hopliten sind die zeugiten tatsächlich, und seinem be-<lb/>
griffe nach bedeutet das wort den besitzer eines gespanns. einem solchen<lb/>
traut man zu einmal 200 scheffel zu ernten, andererseits sich harnisch<lb/>
schild und helm halten zu können. da ist also die ausgleichung von<lb/>
&#x03B6;&#x03B5;&#x03C5;&#x03B3;&#x03AF;&#x03C4;&#x03B7;&#x03C2; mit &#x1F45;&#x03C0;&#x03BB;&#x03B1; &#x03C0;&#x03B1;&#x03F1;&#x03B5;&#x03C7;&#x03CC;&#x03BC;&#x03B5;&#x03BD;&#x03BF;&#x03C2; in demselben drakontischen staats-<lb/>
wesen ganz unbedenklich. schwierig wird es erst bei den beiden oberen<lb/>
classen, für die bestimmte ziffern angegeben werden, und zwar zunächst,<lb/>
weil eine dieser ziffern verdorben ist. der überlieferung nach ist für<lb/>
archonten und schatzmeister eine &#x03BF;&#x1F50;&#x03C3;&#x03AF;&#x03B1; &#x1F10;&#x03BB;&#x03B5;&#x03C5;&#x03D1;&#x03AD;&#x03F1;&#x03B1; von 10, für strategen<lb/>
und hipparchen eine solche von 100 minen gefordert. da ist schon das<lb/>
verhältnis 1 : 10 schlechtweg unglaublich; ferner aber gehört es sich,<lb/>
da&#x017F;s die archonten und schatzmeister den höheren census nachweisen,<lb/>
denn die letzteren haben es dem buchstaben des gesetzes nach immer<lb/>
tun müssen, und für die archonten müssen wir es auch erwarten,<lb/>
während der feldherr nie an das vermögen gebunden sein kann, so<lb/>
lange er wirklich für den krieg bestimmt ist, und tatsächlich auch ein<lb/>
census für die militärischen chargen, so viel wir wissen, nie bestanden<lb/>
hat.<note place="foot" n="7)">Er ist auch nie geplant, am wenigsten von den 400, die ja vielmehr gerade<lb/>
10 &#x03C3;&#x03C4;&#x03F1;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B7;&#x03B3;&#x03BF;&#x03AF; mit ziemlich unumschränkter gewalt einsetzten, zu denen ein gänzlich<lb/>
verschuldeter mensch wie Phrynichos gehörte.</note> nur ein reitpferd mu&#x017F;s der officier haben, und in der adelszeit,<lb/>
die die cavallerie für vornehmer hält, gehört der sport der &#x1F31;&#x03C0;&#x03C0;&#x03BF;&#x03C4;&#x03F1;&#x03BF;&#x03C6;&#x03AF;&#x03B1;<lb/>
dazu, um solche stellung ausfüllen zu können: es versteht sich im grunde<lb/>
von selbst, da&#x017F;s die &#x1F35;&#x03C0;&#x03C0;&#x03B1;&#x03F1;&#x03C7;&#x03BF;&#x03B9; aus den &#x1F31;&#x03C0;&#x03C0;&#x1FC6;&#x03C2; genommen werden, und<lb/>
was auch die Atthis und Aristoteles sagen mögen, die etymologie ist<lb/>
zuverlässiger, und sie lehrt, da&#x017F;s die zweite steuerclasse ursprünglich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0093] Die classen. die erste classe, für die archonten wenn nicht diese, so doch die erste oder zweite gefordert war (so war es bis 457), für alle mindestens die dritte. die vier classen bestanden auch zu Drakons zeit: das sagt Aristo- teles ausdrücklich; daſs Drakon sie geschaffen hätte, sagt er nicht, muſs es aber geglaubt haben, da die Atthis sie Solon zuschrieb. was er von Drakons verfassung mitteilt, führt sie jedoch nicht als etwas neues ein. mit ihren solonischen namen erscheinen sie darin einmal, bei der ab- stufung von ordnungsstrafen. dagegen werden bei der qualification der beamten zwar drei classen unterschieden, aber sie führen nicht die solo- nischen namen, und es werden andere auf das vermögen, nicht auf das einkommen, begründete sätze angegeben. zwar die unterste stufe ist im grunde dieselbe. hier ist die eigne equipirung ausdrücklich verlangt; die solonischen hopliten sind die zeugiten tatsächlich, und seinem be- griffe nach bedeutet das wort den besitzer eines gespanns. einem solchen traut man zu einmal 200 scheffel zu ernten, andererseits sich harnisch schild und helm halten zu können. da ist also die ausgleichung von ζευγίτης mit ὅπλα παϱεχόμενος in demselben drakontischen staats- wesen ganz unbedenklich. schwierig wird es erst bei den beiden oberen classen, für die bestimmte ziffern angegeben werden, und zwar zunächst, weil eine dieser ziffern verdorben ist. der überlieferung nach ist für archonten und schatzmeister eine οὐσία ἐλευϑέϱα von 10, für strategen und hipparchen eine solche von 100 minen gefordert. da ist schon das verhältnis 1 : 10 schlechtweg unglaublich; ferner aber gehört es sich, daſs die archonten und schatzmeister den höheren census nachweisen, denn die letzteren haben es dem buchstaben des gesetzes nach immer tun müssen, und für die archonten müssen wir es auch erwarten, während der feldherr nie an das vermögen gebunden sein kann, so lange er wirklich für den krieg bestimmt ist, und tatsächlich auch ein census für die militärischen chargen, so viel wir wissen, nie bestanden hat. 7) nur ein reitpferd muſs der officier haben, und in der adelszeit, die die cavallerie für vornehmer hält, gehört der sport der ἱπποτϱοφία dazu, um solche stellung ausfüllen zu können: es versteht sich im grunde von selbst, daſs die ἵππαϱχοι aus den ἱππῆς genommen werden, und was auch die Atthis und Aristoteles sagen mögen, die etymologie ist zuverlässiger, und sie lehrt, daſs die zweite steuerclasse ursprünglich 7) Er ist auch nie geplant, am wenigsten von den 400, die ja vielmehr gerade 10 στϱατηγοί mit ziemlich unumschränkter gewalt einsetzten, zu denen ein gänzlich verschuldeter mensch wie Phrynichos gehörte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/93
Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/93>, abgerufen am 25.04.2024.