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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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Gerichtswesen.
sie ungleich lieber lesen und die insignien der einzelnen beamten
lieber beschrieben hören als die leisten, auf denen die richtertäfelchen
bei der losung aufgesteckt wurden, oder die unförmlichen bronzenen
kreisel (so etwa sieht solch ein ding aus), mit denen die heliasten über
Timarchos und Demosthenes abgestimmt haben. Aristoteles der schrift-
steller hat somit auch hier wie in allen erhaltenen schriften bewiesen, dass
er auf gleichförmigkeit des stiles und der composition kein gewicht legte,
vielleicht wenig gefühl dafür hatte; wobei es ganz gleichgiltig ist, ob er
irgend einen studenten des peripatos auf den markt und in die heliaia
geschickt hat, um diese beschreibung für ihn anzufertigen: das werden
wir nie herausbringen, und er hat die verantwortung selbst übernommen.
Aristoteles der politiker aber hat bewiesen, dass er in der überschätzung
der richterlichen tätigkeit, die für ihn zum wesen der bürgerlichen frei-
heit eines jeden individuums gehört 32), sich über die vorurteile der zeit-
genossen kaum erhob. Platon würde keines von beiden getan haben.

Nachdem wir so das kleine oder unbedeutende beiwerk beseitigt
haben, bleibt als ein zusammenhängendes und woldisponirtes ganzes die
abhandlung über die beamten und ihre pflichten übrig 43--61.

32) G 1, 1275a 23 definirt den bürger to metekhein kriseos kai arkhes. daran
schliesst sich die definition der arkhe, die hier so weit gegriffen werden soll, dass sie
die tätigkeit des geschworenen und des teilnehmers an der volksversammlung mit
einbegreift. also hat man geschlossen, dass oben kriseos kai unächt wäre. dass dem
nicht so sein kann, zeigt das peripatetische compendium dieser lehre bei Stobaeus ecl. II
150 Wachsm., denn da steht nicht das blosse arkhes, sondern politikes arkhes,
formal logisch nicht gut, weil eben der polites definirt werden soll, aber dem sinne
nach gut, denn nicht jede arkhe macht den bürger (arkhousi gar kai thiason kai
koinonion kai sumposion), sondern nur eine die über bürgern steht. das hat
Aristoteles damit bezeichnen wollen, dass die krisis mit der arkhe verbunden sein
muss, die autoritative entscheidung, wobei nicht viel darauf ankommt, ob es pro-
anakrinein oder autotele krinein ist: mit jenem geht die egemonia dikasteriou
zusammen. die poetische rede würde ungleich bezeichnender kratos kai arkhe
gesagt haben. genauer drückt er sich H 1326b 14 aus, arkhontos d epitaxis kai
krisis ergon. -- es leuchtet ein, dass seine definition des bürgers auf staatswesen, in
denen krisis kai arkhe einem höheren stande vorbehalten ist, also z. b. auf das alte
Athen des geschlechterstaates nicht mehr passt, noch auch für das Rom, das der
plebs noch keine aedilen und tribunen zugestanden hat. den polites macht das
metekhein poleos, der anteil an einem ideellen gute; dem sclaven haben die götter
anagken amphiptolin auferlegt (Aisch. Choeph. 75), der hat keine eigene polis mehr:
aber die clientel, aus der auch die plebs erwachsen ist (in dem sinne wie ich Herm. 22
236 diese dinge erläutert habe) verleiht für die verlorne polis durch die woltat des
patrons einen anteil an der stadt e paroikei. im natürlichen verhältnis verleiht die
geburt dem menschen so seine götter wie seinen staat: beides hängt ja zusammen.

Gerichtswesen.
sie ungleich lieber lesen und die insignien der einzelnen beamten
lieber beschrieben hören als die leisten, auf denen die richtertäfelchen
bei der losung aufgesteckt wurden, oder die unförmlichen bronzenen
kreisel (so etwa sieht solch ein ding aus), mit denen die heliasten über
Timarchos und Demosthenes abgestimmt haben. Aristoteles der schrift-
steller hat somit auch hier wie in allen erhaltenen schriften bewiesen, daſs
er auf gleichförmigkeit des stiles und der composition kein gewicht legte,
vielleicht wenig gefühl dafür hatte; wobei es ganz gleichgiltig ist, ob er
irgend einen studenten des peripatos auf den markt und in die heliaia
geschickt hat, um diese beschreibung für ihn anzufertigen: das werden
wir nie herausbringen, und er hat die verantwortung selbst übernommen.
Aristoteles der politiker aber hat bewiesen, daſs er in der überschätzung
der richterlichen tätigkeit, die für ihn zum wesen der bürgerlichen frei-
heit eines jeden individuums gehört 32), sich über die vorurteile der zeit-
genossen kaum erhob. Platon würde keines von beiden getan haben.

Nachdem wir so das kleine oder unbedeutende beiwerk beseitigt
haben, bleibt als ein zusammenhängendes und woldisponirtes ganzes die
abhandlung über die beamten und ihre pflichten übrig 43—61.

32) Γ 1, 1275a 23 definirt den bürger τῷ μετέχειν κϱίσεως καὶ ἀϱχῆς. daran
schlieſst sich die definition der ἀϱχή, die hier so weit gegriffen werden soll, daſs sie
die tätigkeit des geschworenen und des teilnehmers an der volksversammlung mit
einbegreift. also hat man geschlossen, daſs oben κϱίσεως καὶ unächt wäre. daſs dem
nicht so sein kann, zeigt das peripatetische compendium dieser lehre bei Stobaeus ecl. II
150 Wachsm., denn da steht nicht das bloſse ἀϱχῆς, sondern πολιτικῆς ἀϱχῆς,
formal logisch nicht gut, weil eben der πολίτης definirt werden soll, aber dem sinne
nach gut, denn nicht jede ἀϱχή macht den bürger (ἄϱχουσι γὰϱ καὶ ϑιάσων καὶ
κοινωνιῶν καὶ συμποσίων), sondern nur eine die über bürgern steht. das hat
Aristoteles damit bezeichnen wollen, daſs die κϱίσις mit der ἀϱχή verbunden sein
muſs, die autoritative entscheidung, wobei nicht viel darauf ankommt, ob es πϱο-
ανακϱίνειν oder αὐτοτελῆ κϱίνειν ist: mit jenem geht die ἡγεμονία δικαστηϱίου
zusammen. die poetische rede würde ungleich bezeichnender κϱάτος καὶ ἀϱχή
gesagt haben. genauer drückt er sich H 1326b 14 aus, ἄϱχοντος δ̕ ἐπίταξις καὶ
κϱίσις ἔϱγον. — es leuchtet ein, daſs seine definition des bürgers auf staatswesen, in
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Athen des geschlechterstaates nicht mehr paſst, noch auch für das Rom, das der
plebs noch keine aedilen und tribunen zugestanden hat. den πολίτης macht das
μετέχειν πόλεως, der anteil an einem ideellen gute; dem sclaven haben die götter
ἀνάγκην ἀμφίπτολιν auferlegt (Aisch. Choeph. 75), der hat keine eigene πόλις mehr:
aber die clientel, aus der auch die plebs erwachsen ist (in dem sinne wie ich Herm. 22
236 diese dinge erläutert habe) verleiht für die verlorne πόλις durch die woltat des
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[205/0219] Gerichtswesen. sie ungleich lieber lesen und die insignien der einzelnen beamten lieber beschrieben hören als die leisten, auf denen die richtertäfelchen bei der losung aufgesteckt wurden, oder die unförmlichen bronzenen kreisel (so etwa sieht solch ein ding aus), mit denen die heliasten über Timarchos und Demosthenes abgestimmt haben. Aristoteles der schrift- steller hat somit auch hier wie in allen erhaltenen schriften bewiesen, daſs er auf gleichförmigkeit des stiles und der composition kein gewicht legte, vielleicht wenig gefühl dafür hatte; wobei es ganz gleichgiltig ist, ob er irgend einen studenten des peripatos auf den markt und in die heliaia geschickt hat, um diese beschreibung für ihn anzufertigen: das werden wir nie herausbringen, und er hat die verantwortung selbst übernommen. Aristoteles der politiker aber hat bewiesen, daſs er in der überschätzung der richterlichen tätigkeit, die für ihn zum wesen der bürgerlichen frei- heit eines jeden individuums gehört 32), sich über die vorurteile der zeit- genossen kaum erhob. Platon würde keines von beiden getan haben. Nachdem wir so das kleine oder unbedeutende beiwerk beseitigt haben, bleibt als ein zusammenhängendes und woldisponirtes ganzes die abhandlung über die beamten und ihre pflichten übrig 43—61. 32) Γ 1, 1275a 23 definirt den bürger τῷ μετέχειν κϱίσεως καὶ ἀϱχῆς. daran schlieſst sich die definition der ἀϱχή, die hier so weit gegriffen werden soll, daſs sie die tätigkeit des geschworenen und des teilnehmers an der volksversammlung mit einbegreift. also hat man geschlossen, daſs oben κϱίσεως καὶ unächt wäre. daſs dem nicht so sein kann, zeigt das peripatetische compendium dieser lehre bei Stobaeus ecl. II 150 Wachsm., denn da steht nicht das bloſse ἀϱχῆς, sondern πολιτικῆς ἀϱχῆς, formal logisch nicht gut, weil eben der πολίτης definirt werden soll, aber dem sinne nach gut, denn nicht jede ἀϱχή macht den bürger (ἄϱχουσι γὰϱ καὶ ϑιάσων καὶ κοινωνιῶν καὶ συμποσίων), sondern nur eine die über bürgern steht. das hat Aristoteles damit bezeichnen wollen, daſs die κϱίσις mit der ἀϱχή verbunden sein muſs, die autoritative entscheidung, wobei nicht viel darauf ankommt, ob es πϱο- ανακϱίνειν oder αὐτοτελῆ κϱίνειν ist: mit jenem geht die ἡγεμονία δικαστηϱίου zusammen. die poetische rede würde ungleich bezeichnender κϱάτος καὶ ἀϱχή gesagt haben. genauer drückt er sich H 1326b 14 aus, ἄϱχοντος δ̕ ἐπίταξις καὶ κϱίσις ἔϱγον. — es leuchtet ein, daſs seine definition des bürgers auf staatswesen, in denen κϱίσις καὶ ἀϱχή einem höheren stande vorbehalten ist, also z. b. auf das alte Athen des geschlechterstaates nicht mehr paſst, noch auch für das Rom, das der plebs noch keine aedilen und tribunen zugestanden hat. den πολίτης macht das μετέχειν πόλεως, der anteil an einem ideellen gute; dem sclaven haben die götter ἀνάγκην ἀμφίπτολιν auferlegt (Aisch. Choeph. 75), der hat keine eigene πόλις mehr: aber die clientel, aus der auch die plebs erwachsen ist (in dem sinne wie ich Herm. 22 236 diese dinge erläutert habe) verleiht für die verlorne πόλις durch die woltat des patrons einen anteil an der stadt ᾗ παϱοικεῖ. im natürlichen verhältnis verleiht die geburt dem menschen so seine götter wie seinen staat: beides hängt ja zusammen.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/219>, abgerufen am 20.04.2024.