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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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Perikles. Kimon.
Areopagitikos über rhythmus und musik ist. weder Plutarch noch Aristo-
teles haben diesen schluss gezogen: folglich hat der gewährsmann des
letzteren eine andere namensform gebraucht, wie denn z. b. die archonten
von 480 und 479 neben den namen Kallias und Ksanthippos die s. g.
patronymische form führen, und der erste gehört wol sicher in die
familie, welche diese beiden formen anwendet. 23) da im vierten jahr-
hundert der name des musikers Damon in dieser form durch seine
schrift sehr bekannt war, die erst später verschollen ist, so wird es
nicht zu kühn sein, den gewährsmann des Aristoteles für älter zu
halten. von bedeutung ist endlich, dass Isokrates davon weiss, dass
Perikles wie des Anaxagoras auch Damons schüler gewesen wäre tou kat
ekeinon ton khronon phronimotatou doxantos einai ton politon. auf
dem bürger liegt im gegensatze zu dem Klazomenier der ton, und der
bürger gibt doch wol politische ratschläge. 24)

Gerede von zeitgenossen ist auch in dem berichte über KimonKimon.
unverkennbar, denn seine liberalität wird mit ganz speciellen zügen ge-
schildert, denen man doch glauben schenken darf; Theopomp hatte sie
auch, aber in übler verallgemeinerung, offenbar aus derselben quelle
erzählt (Athen. 533). die beurteilung Kimons ist äusserst ungünstig,
und wie bei Perikles wird sie in tief verletzenden schlagwörtern ab-
gegeben. wenn sein vermögen "ein tyrannisches" heisst, so klingt das
gehässig, ist aber wenigstens wahr, denn sein vater war tyrann und seine
mutter eine barbarische fürstentochter; nach seinem ostrakismos lebte er
auf seinem besitze in der Chersones wie später der verbannte Alkibiades
und wie Thukydides am Pangaion. es geschieht dem Kimon schwerlich
ein unrecht, wenn man bei seinen zügen auf der Chersones und in
Thrakien dynastische interessen mit in rechnung setzt, wie später bei
Iphikrates, nur dass er seiner vaterstadt dabei genützt hat: ist er doch
auch in dem rechenschaftsprocesse frei gesprochen. dagegen sagt Aristo-

arkhaies ietrikes, peri tekhnes denke) für den schüler des Prodikos besser passt als
für den lehrer des Perikles. aber die sonderung des politikers Damonides und des
musikers Damon, seines sohnes, lässt sich, wie es scheint, mit unsern zeugnissen
auch nicht vereinen. Agariste, die frau des Alkmeonides, genomene de kai Damonos,
macht im Hermokopidenprocess eine denuntiation (Andok. 1, 16); sie ist offenbar
selbst mit den Alkmeoniden blutsverwandt, und man wird ihren ersten gatten in dem
geschlechte des Damon oder Damonides suchen. aber man kommt damit nicht weiter.
23) Kallias Kalliadou stratege Thuk. I 61, Kalliades stratege bei den Arginusen.
24) Isokr. 15, 236. es handelt sich um die redekunst der alten staatsmänner;
die bedeutung der anaxagorischen lehre für die beredsamkeit des Perikles entnimmt
Isokrates dem Phaidros des Platon.

Perikles. Kimon.
Areopagitikos über rhythmus und musik ist. weder Plutarch noch Aristo-
teles haben diesen schluſs gezogen: folglich hat der gewährsmann des
letzteren eine andere namensform gebraucht, wie denn z. b. die archonten
von 480 und 479 neben den namen Καλλίας und Ξάνϑιππος die s. g.
patronymische form führen, und der erste gehört wol sicher in die
familie, welche diese beiden formen anwendet. 23) da im vierten jahr-
hundert der name des musikers Damon in dieser form durch seine
schrift sehr bekannt war, die erst später verschollen ist, so wird es
nicht zu kühn sein, den gewährsmann des Aristoteles für älter zu
halten. von bedeutung ist endlich, daſs Isokrates davon weiſs, daſs
Perikles wie des Anaxagoras auch Damons schüler gewesen wäre τοῦ κατ̕
ἐκεῖνον τὸν χϱόνον φϱονιμωτάτου δόξαντος εἶναι τῶν πολιτῶν. auf
dem bürger liegt im gegensatze zu dem Klazomenier der ton, und der
bürger gibt doch wol politische ratschläge. 24)

Gerede von zeitgenossen ist auch in dem berichte über KimonKimon.
unverkennbar, denn seine liberalität wird mit ganz speciellen zügen ge-
schildert, denen man doch glauben schenken darf; Theopomp hatte sie
auch, aber in übler verallgemeinerung, offenbar aus derselben quelle
erzählt (Athen. 533). die beurteilung Kimons ist äuſserst ungünstig,
und wie bei Perikles wird sie in tief verletzenden schlagwörtern ab-
gegeben. wenn sein vermögen “ein tyrannisches” heiſst, so klingt das
gehässig, ist aber wenigstens wahr, denn sein vater war tyrann und seine
mutter eine barbarische fürstentochter; nach seinem ostrakismos lebte er
auf seinem besitze in der Chersones wie später der verbannte Alkibiades
und wie Thukydides am Pangaion. es geschieht dem Kimon schwerlich
ein unrecht, wenn man bei seinen zügen auf der Chersones und in
Thrakien dynastische interessen mit in rechnung setzt, wie später bei
Iphikrates, nur daſs er seiner vaterstadt dabei genützt hat: ist er doch
auch in dem rechenschaftsprocesse frei gesprochen. dagegen sagt Aristo-

ἀϱχαίης ἰητϱικῆς, πεϱὶ τέχνης denke) für den schüler des Prodikos besser paſst als
für den lehrer des Perikles. aber die sonderung des politikers Damonides und des
musikers Damon, seines sohnes, läſst sich, wie es scheint, mit unsern zeugnissen
auch nicht vereinen. Agariste, die frau des Alkmeonides, γενομένη δὲ καὶ Δάμωνος,
macht im Hermokopidenprocess eine denuntiation (Andok. 1, 16); sie ist offenbar
selbst mit den Alkmeoniden blutsverwandt, und man wird ihren ersten gatten in dem
geschlechte des Damon oder Damonides suchen. aber man kommt damit nicht weiter.
23) Καλλίας Καλλιάδου stratege Thuk. I 61, Kalliades stratege bei den Arginusen.
24) Isokr. 15, 236. es handelt sich um die redekunst der alten staatsmänner;
die bedeutung der anaxagorischen lehre für die beredsamkeit des Perikles entnimmt
Isokrates dem Phaidros des Platon.
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[135/0149] Perikles. Kimon. Areopagitikos über rhythmus und musik ist. weder Plutarch noch Aristo- teles haben diesen schluſs gezogen: folglich hat der gewährsmann des letzteren eine andere namensform gebraucht, wie denn z. b. die archonten von 480 und 479 neben den namen Καλλίας und Ξάνϑιππος die s. g. patronymische form führen, und der erste gehört wol sicher in die familie, welche diese beiden formen anwendet. 23) da im vierten jahr- hundert der name des musikers Damon in dieser form durch seine schrift sehr bekannt war, die erst später verschollen ist, so wird es nicht zu kühn sein, den gewährsmann des Aristoteles für älter zu halten. von bedeutung ist endlich, daſs Isokrates davon weiſs, daſs Perikles wie des Anaxagoras auch Damons schüler gewesen wäre τοῦ κατ̕ ἐκεῖνον τὸν χϱόνον φϱονιμωτάτου δόξαντος εἶναι τῶν πολιτῶν. auf dem bürger liegt im gegensatze zu dem Klazomenier der ton, und der bürger gibt doch wol politische ratschläge. 24) Gerede von zeitgenossen ist auch in dem berichte über Kimon unverkennbar, denn seine liberalität wird mit ganz speciellen zügen ge- schildert, denen man doch glauben schenken darf; Theopomp hatte sie auch, aber in übler verallgemeinerung, offenbar aus derselben quelle erzählt (Athen. 533). die beurteilung Kimons ist äuſserst ungünstig, und wie bei Perikles wird sie in tief verletzenden schlagwörtern ab- gegeben. wenn sein vermögen “ein tyrannisches” heiſst, so klingt das gehässig, ist aber wenigstens wahr, denn sein vater war tyrann und seine mutter eine barbarische fürstentochter; nach seinem ostrakismos lebte er auf seinem besitze in der Chersones wie später der verbannte Alkibiades und wie Thukydides am Pangaion. es geschieht dem Kimon schwerlich ein unrecht, wenn man bei seinen zügen auf der Chersones und in Thrakien dynastische interessen mit in rechnung setzt, wie später bei Iphikrates, nur daſs er seiner vaterstadt dabei genützt hat: ist er doch auch in dem rechenschaftsprocesse frei gesprochen. dagegen sagt Aristo- 22) Kimon. 23) Καλλίας Καλλιάδου stratege Thuk. I 61, Kalliades stratege bei den Arginusen. 24) Isokr. 15, 236. es handelt sich um die redekunst der alten staatsmänner; die bedeutung der anaxagorischen lehre für die beredsamkeit des Perikles entnimmt Isokrates dem Phaidros des Platon. 22) ἀϱχαίης ἰητϱικῆς, πεϱὶ τέχνης denke) für den schüler des Prodikos besser paſst als für den lehrer des Perikles. aber die sonderung des politikers Damonides und des musikers Damon, seines sohnes, läſst sich, wie es scheint, mit unsern zeugnissen auch nicht vereinen. Agariste, die frau des Alkmeonides, γενομένη δὲ καὶ Δάμωνος, macht im Hermokopidenprocess eine denuntiation (Andok. 1, 16); sie ist offenbar selbst mit den Alkmeoniden blutsverwandt, und man wird ihren ersten gatten in dem geschlechte des Damon oder Damonides suchen. aber man kommt damit nicht weiter.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/149>, abgerufen am 28.03.2024.