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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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Die prytanen des naukrarischen rates.
den könig von Athen getreten, ungewiss in welcher ausdehnung der
judicatur; dann sind neben sie am Palladion, wol auch am Delphinion,
die epheten gestellt, die schliesslich von heliasten ersetzt werden; da
liess man an den wirklichen gerichten die phylenkönige fort und behielt
sie nur am prytaneion, wo nur noch ein scheingericht war. aber dass
die suche nach einem unbekannten mörder und die ermittelung eines
zufälligen unglücksfalls, der ein menschenleben gekostet hat, notwendiger
weise ein leeres scheingericht wäre, kann man nicht behaupten. in diesen
fällen schreitet nur vielmehr die polizei ein als der bluträcher und
der richter. dies vor Solon sehr stark praktisch eingreifende gericht der
phylenkönige ist im prytaneion: da sitzt der archon; die polizeibehörde
sind später die prytanen. so wenig klar man auch sieht: dieses gericht,
dieses amtslocal, die stellung der prytanen des Herodotos und derer des
Drakon sind wahrlich nicht unvereinbar und weisen in eine richtung.

Es lässt sich das viel anschaulicher dogmatisch darlegen als in der
form der untersuchung, durch die es gefunden ist.

Dem geschlechterstaate als ganzem entspricht das haupt des herrschenden
geschlechtes, der könig. der geschlechterstaat ist einmal in die vier adels-
stämme gegliedert worden: ihnen entsprechen die vier phylenkönige, die
neben dem könige von Athen stehen. der adel beseitigt die praerogative des
herrschenden geschlechtes, setzt neben den nicht mehr regierenden könig
den 'regierenden beamten', hat wol schon vorher den könig an das
consilium des adelsrates gebunden. die sacralen, und so weit sie sacral
sind, die richterlichen functionen bleiben dem könige, und mit ihm den
vier königen, allein es wird ihnen das consilium des rates und der
schöffen zur seite gestellt. das ist die eine reihe der entwickelung; in
ihr ist noch alles patricisch. nun drängt sich aber neben der gentili-
cischen die locale ordnung unabweislich auf. denn ein sesshaftes volk
kann auf die dauer einer localen verwaltung nicht entbehren, für das
aufbringen der steuer, für die aushebung, für die unterhaltung der
schiffe, für die frohnden. dabei dringen die plebejer ein, die an dem
allen teil haben. das tributum fordert erst die tribus, dann die tri-
buni
. gewiss sind im heerbanne der Athener auch einmal die männer
und clienten eines geschlechtes vereinigt zusammengetreten mit den
männern und clienten der übrigen geschlechter dieser bruderschaft, und

basileas -- -- tos de ephetas diagnonai. Plut. Sol. 19 epitimous einai plen osoi
ex Areioe pagou e osoi ex epheton e ek prutaneiou katadikasthentes upo ton
basileon k. t. l. darin gehört also katadikasthentes auch zu ex epheton: deshalb
steht zweimal osoi.

Die prytanen des naukrarischen rates.
den könig von Athen getreten, ungewiſs in welcher ausdehnung der
judicatur; dann sind neben sie am Palladion, wol auch am Delphinion,
die epheten gestellt, die schlieſslich von heliasten ersetzt werden; da
lieſs man an den wirklichen gerichten die phylenkönige fort und behielt
sie nur am prytaneion, wo nur noch ein scheingericht war. aber daſs
die suche nach einem unbekannten mörder und die ermittelung eines
zufälligen unglücksfalls, der ein menschenleben gekostet hat, notwendiger
weise ein leeres scheingericht wäre, kann man nicht behaupten. in diesen
fällen schreitet nur vielmehr die polizei ein als der bluträcher und
der richter. dies vor Solon sehr stark praktisch eingreifende gericht der
phylenkönige ist im prytaneion: da sitzt der archon; die polizeibehörde
sind später die prytanen. so wenig klar man auch sieht: dieses gericht,
dieses amtslocal, die stellung der prytanen des Herodotos und derer des
Drakon sind wahrlich nicht unvereinbar und weisen in eine richtung.

Es läſst sich das viel anschaulicher dogmatisch darlegen als in der
form der untersuchung, durch die es gefunden ist.

Dem geschlechterstaate als ganzem entspricht das haupt des herrschenden
geschlechtes, der könig. der geschlechterstaat ist einmal in die vier adels-
stämme gegliedert worden: ihnen entsprechen die vier phylenkönige, die
neben dem könige von Athen stehen. der adel beseitigt die praerogative des
herrschenden geschlechtes, setzt neben den nicht mehr regierenden könig
den ‘regierenden beamten’, hat wol schon vorher den könig an das
consilium des adelsrates gebunden. die sacralen, und so weit sie sacral
sind, die richterlichen functionen bleiben dem könige, und mit ihm den
vier königen, allein es wird ihnen das consilium des rates und der
schöffen zur seite gestellt. das ist die eine reihe der entwickelung; in
ihr ist noch alles patricisch. nun drängt sich aber neben der gentili-
cischen die locale ordnung unabweislich auf. denn ein seſshaftes volk
kann auf die dauer einer localen verwaltung nicht entbehren, für das
aufbringen der steuer, für die aushebung, für die unterhaltung der
schiffe, für die frohnden. dabei dringen die plebejer ein, die an dem
allen teil haben. das tributum fordert erst die tribus, dann die tri-
buni
. gewiſs sind im heerbanne der Athener auch einmal die männer
und clienten eines geschlechtes vereinigt zusammengetreten mit den
männern und clienten der übrigen geschlechter dieser bruderschaft, und

βασιλέας — — τὸς δὲ ἐφέτας διαγνὄναι. Plut. Sol. 19 ἐπιτίμους εἶναι πλὴν ὅσοι
ἐξ Ἀϱείοε πάγου ἢ ὅσοι ἐξ ἐφετῶν ἢ ἐκ πϱυτανείου καταδικασϑέντες ὑπὸ τῶν
βασιλέων κ. τ. λ. darin gehört also καταδικασϑέντες auch zu ἐξ ἐφετῶν: deshalb
steht zweimal ὅσοι.
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[95/0109] Die prytanen des naukrarischen rates. den könig von Athen getreten, ungewiſs in welcher ausdehnung der judicatur; dann sind neben sie am Palladion, wol auch am Delphinion, die epheten gestellt, die schlieſslich von heliasten ersetzt werden; da lieſs man an den wirklichen gerichten die phylenkönige fort und behielt sie nur am prytaneion, wo nur noch ein scheingericht war. aber daſs die suche nach einem unbekannten mörder und die ermittelung eines zufälligen unglücksfalls, der ein menschenleben gekostet hat, notwendiger weise ein leeres scheingericht wäre, kann man nicht behaupten. in diesen fällen schreitet nur vielmehr die polizei ein als der bluträcher und der richter. dies vor Solon sehr stark praktisch eingreifende gericht der phylenkönige ist im prytaneion: da sitzt der archon; die polizeibehörde sind später die prytanen. so wenig klar man auch sieht: dieses gericht, dieses amtslocal, die stellung der prytanen des Herodotos und derer des Drakon sind wahrlich nicht unvereinbar und weisen in eine richtung. Es läſst sich das viel anschaulicher dogmatisch darlegen als in der form der untersuchung, durch die es gefunden ist. Dem geschlechterstaate als ganzem entspricht das haupt des herrschenden geschlechtes, der könig. der geschlechterstaat ist einmal in die vier adels- stämme gegliedert worden: ihnen entsprechen die vier phylenkönige, die neben dem könige von Athen stehen. der adel beseitigt die praerogative des herrschenden geschlechtes, setzt neben den nicht mehr regierenden könig den ‘regierenden beamten’, hat wol schon vorher den könig an das consilium des adelsrates gebunden. die sacralen, und so weit sie sacral sind, die richterlichen functionen bleiben dem könige, und mit ihm den vier königen, allein es wird ihnen das consilium des rates und der schöffen zur seite gestellt. das ist die eine reihe der entwickelung; in ihr ist noch alles patricisch. nun drängt sich aber neben der gentili- cischen die locale ordnung unabweislich auf. denn ein seſshaftes volk kann auf die dauer einer localen verwaltung nicht entbehren, für das aufbringen der steuer, für die aushebung, für die unterhaltung der schiffe, für die frohnden. dabei dringen die plebejer ein, die an dem allen teil haben. das tributum fordert erst die tribus, dann die tri- buni. gewiſs sind im heerbanne der Athener auch einmal die männer und clienten eines geschlechtes vereinigt zusammengetreten mit den männern und clienten der übrigen geschlechter dieser bruderschaft, und 30) 30) βασιλέας — — τὸς δὲ ἐφέτας διαγνὄναι. Plut. Sol. 19 ἐπιτίμους εἶναι πλὴν ὅσοι ἐξ Ἀϱείοε πάγου ἢ ὅσοι ἐξ ἐφετῶν ἢ ἐκ πϱυτανείου καταδικασϑέντες ὑπὸ τῶν βασιλέων κ. τ. λ. darin gehört also καταδικασϑέντες auch zu ἐξ ἐφετῶν: deshalb steht zweimal ὅσοι.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/109>, abgerufen am 29.03.2024.