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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

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steller sind von dieser sichern Höhe herabgestiegen,
sie machen einen Theil des Publikums aus, sie
stoßen sich mit der Menge herum, sie ereifern
sich, freuen sich, lieben und zürnen, wie jeder
Andere, sie schwimmen mitten im Strom der
Welt und wenn sie sich durch etwas von den Ue¬
brigen unterscheiden, so ist es, daß sie die Vor¬
schwimmer sind, und sei es nur trocken und ele¬
gant auf dem Rücken eines Delphins, wie Heine,
oder naß und bespritzt, wie Börne, den Ge¬
staden der Zukunft entgegeneilen, welche die Zeit
für "ihre hesperischen Gärten glücklicher Inseln"
ansieht.

Behaglichkeit ist in solcher Lage und bei sol¬
chem Streben nicht wohl denkbar, die Schriftstel¬
lerei ist kein Spiel schöner Geister, kein unschul¬
diges Ergötzen, keine leichte Beschäftigung der
Phantasie mehr, sondern der Geist der Zeit, der
unsichtbar über allen Köpfen waltet, ergreift des
Schriftstellers Hand und schreibt im Buch des
Lebens mit dem ehernen Griffel der Geschichte,
die Dichter und ästhetischen Prosaisten stehen nicht
mehr, wie vormals, allein im Dienst der Musen,
sondern auch im Dienst des Vaterlandes und allen
mächtigen Zeitbestrebungen sind sie Verbündete.
Ja, sie finden sich nicht selten im Streit mit
jenem schönen Dienst, dem ihre Vorgänger hul¬

ſteller ſind von dieſer ſichern Hoͤhe herabgeſtiegen,
ſie machen einen Theil des Publikums aus, ſie
ſtoßen ſich mit der Menge herum, ſie ereifern
ſich, freuen ſich, lieben und zuͤrnen, wie jeder
Andere, ſie ſchwimmen mitten im Strom der
Welt und wenn ſie ſich durch etwas von den Ue¬
brigen unterſcheiden, ſo iſt es, daß ſie die Vor¬
ſchwimmer ſind, und ſei es nur trocken und ele¬
gant auf dem Ruͤcken eines Delphins, wie Heine,
oder naß und beſpritzt, wie Boͤrne, den Ge¬
ſtaden der Zukunft entgegeneilen, welche die Zeit
fuͤr „ihre hesperiſchen Gaͤrten gluͤcklicher Inſeln“
anſieht.

Behaglichkeit iſt in ſolcher Lage und bei ſol¬
chem Streben nicht wohl denkbar, die Schriftſtel¬
lerei iſt kein Spiel ſchoͤner Geiſter, kein unſchul¬
diges Ergoͤtzen, keine leichte Beſchaͤftigung der
Phantaſie mehr, ſondern der Geiſt der Zeit, der
unſichtbar uͤber allen Koͤpfen waltet, ergreift des
Schriftſtellers Hand und ſchreibt im Buch des
Lebens mit dem ehernen Griffel der Geſchichte,
die Dichter und aͤſthetiſchen Proſaiſten ſtehen nicht
mehr, wie vormals, allein im Dienſt der Muſen,
ſondern auch im Dienſt des Vaterlandes und allen
maͤchtigen Zeitbeſtrebungen ſind ſie Verbuͤndete.
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[298/0312] ſteller ſind von dieſer ſichern Hoͤhe herabgeſtiegen, ſie machen einen Theil des Publikums aus, ſie ſtoßen ſich mit der Menge herum, ſie ereifern ſich, freuen ſich, lieben und zuͤrnen, wie jeder Andere, ſie ſchwimmen mitten im Strom der Welt und wenn ſie ſich durch etwas von den Ue¬ brigen unterſcheiden, ſo iſt es, daß ſie die Vor¬ ſchwimmer ſind, und ſei es nur trocken und ele¬ gant auf dem Ruͤcken eines Delphins, wie Heine, oder naß und beſpritzt, wie Boͤrne, den Ge¬ ſtaden der Zukunft entgegeneilen, welche die Zeit fuͤr „ihre hesperiſchen Gaͤrten gluͤcklicher Inſeln“ anſieht. Behaglichkeit iſt in ſolcher Lage und bei ſol¬ chem Streben nicht wohl denkbar, die Schriftſtel¬ lerei iſt kein Spiel ſchoͤner Geiſter, kein unſchul¬ diges Ergoͤtzen, keine leichte Beſchaͤftigung der Phantaſie mehr, ſondern der Geiſt der Zeit, der unſichtbar uͤber allen Koͤpfen waltet, ergreift des Schriftſtellers Hand und ſchreibt im Buch des Lebens mit dem ehernen Griffel der Geſchichte, die Dichter und aͤſthetiſchen Proſaiſten ſtehen nicht mehr, wie vormals, allein im Dienſt der Muſen, ſondern auch im Dienſt des Vaterlandes und allen maͤchtigen Zeitbeſtrebungen ſind ſie Verbuͤndete. Ja, ſie finden ſich nicht ſelten im Streit mit jenem ſchoͤnen Dienſt, dem ihre Vorgaͤnger hul¬

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Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/312>, abgerufen am 29.03.2024.