Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Blätter aus Jean Pauls eigenem Ehrenkranz zu¬
sichert. Von Ersterem hier und da in seinen
Schriften und namentlich an zwei Stellen, den¬
selben, die ich ihrer naiven Offenheit und Wahr¬
heit wegen anzuführen mich veranlaßt fühle.

In einer Kritik des berühmten Menzel¬
schen Werkes über die neuere deutsche Literatur,
befindlich in den Cottaischen Annalen, deren Her¬
ausgeber Heine eine Zeitlang war, wirft er Men¬
zel die unanständige Geringschätzung vor, mit wel¬
cher dieser über den König der Schriftsteller, Goe¬
the
, aburtheilt und ihm nur, statt des Genies,
lächerlicherweise ein Talent zur Schriftstellerei ein¬
räumt, bei welcher Gelegenheit Heine so witzig
als beiläufig ausruft: Menzel muß wenigstens ein¬
gestehen, daß Goethe mitunter das Talent hat,
ein Genie zu sein. Allein bei der Rechtfertigung
Goethe's unterläßt er selbst nicht, diesem einen
Vorwurf darüber zu machen, daß er in seinen
alten Tagen ganz und gar die Titanenflegeljahre
seiner Jugend, den rauhen Götz, den schwülen
Werther, die stachlichten Xenien vergesse, die jun¬
gen Schriftsteller von Talent nicht anerkennen
wolle, und dagegen die liebe geistige Mittelmäßig¬
keit seiner Nachbeter und Schüler mit vornehmer
Protektion beehre. Der Goethe käme ihm vor,
wie ein Räuberhauptmann, der sich vom Hand¬

Blaͤtter aus Jean Pauls eigenem Ehrenkranz zu¬
ſichert. Von Erſterem hier und da in ſeinen
Schriften und namentlich an zwei Stellen, den¬
ſelben, die ich ihrer naiven Offenheit und Wahr¬
heit wegen anzufuͤhren mich veranlaßt fuͤhle.

In einer Kritik des beruͤhmten Menzel¬
ſchen Werkes uͤber die neuere deutſche Literatur,
befindlich in den Cottaiſchen Annalen, deren Her¬
ausgeber Heine eine Zeitlang war, wirft er Men¬
zel die unanſtaͤndige Geringſchaͤtzung vor, mit wel¬
cher dieſer uͤber den Koͤnig der Schriftſteller, Goe¬
the
, aburtheilt und ihm nur, ſtatt des Genies,
laͤcherlicherweiſe ein Talent zur Schriftſtellerei ein¬
raͤumt, bei welcher Gelegenheit Heine ſo witzig
als beilaͤufig ausruft: Menzel muß wenigſtens ein¬
geſtehen, daß Goethe mitunter das Talent hat,
ein Genie zu ſein. Allein bei der Rechtfertigung
Goethe's unterlaͤßt er ſelbſt nicht, dieſem einen
Vorwurf daruͤber zu machen, daß er in ſeinen
alten Tagen ganz und gar die Titanenflegeljahre
ſeiner Jugend, den rauhen Goͤtz, den ſchwuͤlen
Werther, die ſtachlichten Xenien vergeſſe, die jun¬
gen Schriftſteller von Talent nicht anerkennen
wolle, und dagegen die liebe geiſtige Mittelmaͤßig¬
keit ſeiner Nachbeter und Schuͤler mit vornehmer
Protektion beehre. Der Goethe kaͤme ihm vor,
wie ein Raͤuberhauptmann, der ſich vom Hand¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0310" n="296"/>
Bla&#x0364;tter aus Jean Pauls eigenem Ehrenkranz zu¬<lb/>
&#x017F;ichert. Von Er&#x017F;terem hier und da in &#x017F;einen<lb/>
Schriften und namentlich an zwei Stellen, den¬<lb/>
&#x017F;elben, die ich ihrer naiven Offenheit und Wahr¬<lb/>
heit wegen anzufu&#x0364;hren mich veranlaßt fu&#x0364;hle.</p><lb/>
        <p>In einer Kritik des beru&#x0364;hmten <hi rendition="#g">Menzel¬</hi><lb/>
&#x017F;chen Werkes u&#x0364;ber die neuere deut&#x017F;che Literatur,<lb/>
befindlich in den Cottai&#x017F;chen Annalen, deren Her¬<lb/>
ausgeber Heine eine Zeitlang war, wirft er Men¬<lb/>
zel die unan&#x017F;ta&#x0364;ndige Gering&#x017F;cha&#x0364;tzung vor, mit wel¬<lb/>
cher die&#x017F;er u&#x0364;ber den Ko&#x0364;nig der Schrift&#x017F;teller, <hi rendition="#g">Goe¬<lb/>
the</hi>, aburtheilt und ihm nur, &#x017F;tatt des Genies,<lb/>
la&#x0364;cherlicherwei&#x017F;e ein Talent zur Schrift&#x017F;tellerei ein¬<lb/>
ra&#x0364;umt, bei welcher Gelegenheit Heine &#x017F;o witzig<lb/>
als beila&#x0364;ufig ausruft: Menzel muß wenig&#x017F;tens ein¬<lb/>
ge&#x017F;tehen, daß Goethe mitunter das Talent hat,<lb/>
ein Genie zu &#x017F;ein. Allein bei der Rechtfertigung<lb/>
Goethe's unterla&#x0364;ßt er &#x017F;elb&#x017F;t nicht, die&#x017F;em einen<lb/>
Vorwurf daru&#x0364;ber zu machen, daß er in &#x017F;einen<lb/>
alten Tagen ganz und gar die Titanenflegeljahre<lb/>
&#x017F;einer Jugend, den rauhen Go&#x0364;tz, den &#x017F;chwu&#x0364;len<lb/>
Werther, die &#x017F;tachlichten Xenien verge&#x017F;&#x017F;e, die jun¬<lb/>
gen Schrift&#x017F;teller von Talent nicht anerkennen<lb/>
wolle, und dagegen die liebe gei&#x017F;tige Mittelma&#x0364;ßig¬<lb/>
keit &#x017F;einer Nachbeter und Schu&#x0364;ler mit vornehmer<lb/>
Protektion beehre. Der Goethe ka&#x0364;me ihm vor,<lb/>
wie ein Ra&#x0364;uberhauptmann, der &#x017F;ich vom Hand¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[296/0310] Blaͤtter aus Jean Pauls eigenem Ehrenkranz zu¬ ſichert. Von Erſterem hier und da in ſeinen Schriften und namentlich an zwei Stellen, den¬ ſelben, die ich ihrer naiven Offenheit und Wahr¬ heit wegen anzufuͤhren mich veranlaßt fuͤhle. In einer Kritik des beruͤhmten Menzel¬ ſchen Werkes uͤber die neuere deutſche Literatur, befindlich in den Cottaiſchen Annalen, deren Her¬ ausgeber Heine eine Zeitlang war, wirft er Men¬ zel die unanſtaͤndige Geringſchaͤtzung vor, mit wel¬ cher dieſer uͤber den Koͤnig der Schriftſteller, Goe¬ the, aburtheilt und ihm nur, ſtatt des Genies, laͤcherlicherweiſe ein Talent zur Schriftſtellerei ein¬ raͤumt, bei welcher Gelegenheit Heine ſo witzig als beilaͤufig ausruft: Menzel muß wenigſtens ein¬ geſtehen, daß Goethe mitunter das Talent hat, ein Genie zu ſein. Allein bei der Rechtfertigung Goethe's unterlaͤßt er ſelbſt nicht, dieſem einen Vorwurf daruͤber zu machen, daß er in ſeinen alten Tagen ganz und gar die Titanenflegeljahre ſeiner Jugend, den rauhen Goͤtz, den ſchwuͤlen Werther, die ſtachlichten Xenien vergeſſe, die jun¬ gen Schriftſteller von Talent nicht anerkennen wolle, und dagegen die liebe geiſtige Mittelmaͤßig¬ keit ſeiner Nachbeter und Schuͤler mit vornehmer Protektion beehre. Der Goethe kaͤme ihm vor, wie ein Raͤuberhauptmann, der ſich vom Hand¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/310
Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/310>, abgerufen am 24.04.2024.