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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

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wandt haben und denen es besser wie Tausenden
geglückt ist, einen Fichte, Schleiermacher, Schiller,
Goethe, welchen, selbst Goethe nicht ausgeschlos¬
sen, möchte man der Jugend als reines Muster
empfehlen. Fichte's Periodengeflechte sind mehr
dornigt als blumigt, Schleiermacher spinnt fast
unsichtbare Gewebe und in dem Werk, was man
für das Meisterstück seines Sprachskelets ausgibt,
in den Monologen, schreibt er Jamben, statt
Prosa; Schiller überbietet sich in einer glänzenden,
aber nur zu oft undeutschen und hohlklingenden
Paradesprache, und Goethe, der weit entfernt
von diesem Fehler ist, hat in seinen Prosaroma¬
nen eine solche Menge glatter, höfischer Wendun¬
gen bei der Hand, daß man oft nicht weiß, wie
man mit ihm daran ist. Der Stil ist der Mensch
selber, sagt Büffon; und Jean Paul: wie jedes
Volk sich in seiner Sprache, so malt jeder Autor
sich in seinem Stil. Kräftigen, reinen und schö¬
nen Stil wird kein Schriftsteller in unkräftiger,
unreiner und unschöner Zeit erwerben, füge ich
hinzu, denn der Schriftsteller ist im höhern Grad
als ein Anderer, oder vielleicht nur sichtbarer, ein
Kind seiner Zeit. --

Doch dieses sind Gedanken, die wir später
noch weiter auszuführen haben; für jetzt und zu¬

wandt haben und denen es beſſer wie Tauſenden
gegluͤckt iſt, einen Fichte, Schleiermacher, Schiller,
Goethe, welchen, ſelbſt Goethe nicht ausgeſchloſ¬
ſen, moͤchte man der Jugend als reines Muſter
empfehlen. Fichte's Periodengeflechte ſind mehr
dornigt als blumigt, Schleiermacher ſpinnt faſt
unſichtbare Gewebe und in dem Werk, was man
fuͤr das Meiſterſtuͤck ſeines Sprachſkelets ausgibt,
in den Monologen, ſchreibt er Jamben, ſtatt
Proſa; Schiller uͤberbietet ſich in einer glaͤnzenden,
aber nur zu oft undeutſchen und hohlklingenden
Paradeſprache, und Goethe, der weit entfernt
von dieſem Fehler iſt, hat in ſeinen Proſaroma¬
nen eine ſolche Menge glatter, hoͤfiſcher Wendun¬
gen bei der Hand, daß man oft nicht weiß, wie
man mit ihm daran iſt. Der Stil iſt der Menſch
ſelber, ſagt Buͤffon; und Jean Paul: wie jedes
Volk ſich in ſeiner Sprache, ſo malt jeder Autor
ſich in ſeinem Stil. Kraͤftigen, reinen und ſchoͤ¬
nen Stil wird kein Schriftſteller in unkraͤftiger,
unreiner und unſchoͤner Zeit erwerben, fuͤge ich
hinzu, denn der Schriftſteller iſt im hoͤhern Grad
als ein Anderer, oder vielleicht nur ſichtbarer, ein
Kind ſeiner Zeit. —

Doch dieſes ſind Gedanken, die wir ſpaͤter
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[229/0243] wandt haben und denen es beſſer wie Tauſenden gegluͤckt iſt, einen Fichte, Schleiermacher, Schiller, Goethe, welchen, ſelbſt Goethe nicht ausgeſchloſ¬ ſen, moͤchte man der Jugend als reines Muſter empfehlen. Fichte's Periodengeflechte ſind mehr dornigt als blumigt, Schleiermacher ſpinnt faſt unſichtbare Gewebe und in dem Werk, was man fuͤr das Meiſterſtuͤck ſeines Sprachſkelets ausgibt, in den Monologen, ſchreibt er Jamben, ſtatt Proſa; Schiller uͤberbietet ſich in einer glaͤnzenden, aber nur zu oft undeutſchen und hohlklingenden Paradeſprache, und Goethe, der weit entfernt von dieſem Fehler iſt, hat in ſeinen Proſaroma¬ nen eine ſolche Menge glatter, hoͤfiſcher Wendun¬ gen bei der Hand, daß man oft nicht weiß, wie man mit ihm daran iſt. Der Stil iſt der Menſch ſelber, ſagt Buͤffon; und Jean Paul: wie jedes Volk ſich in ſeiner Sprache, ſo malt jeder Autor ſich in ſeinem Stil. Kraͤftigen, reinen und ſchoͤ¬ nen Stil wird kein Schriftſteller in unkraͤftiger, unreiner und unſchoͤner Zeit erwerben, fuͤge ich hinzu, denn der Schriftſteller iſt im hoͤhern Grad als ein Anderer, oder vielleicht nur ſichtbarer, ein Kind ſeiner Zeit. — Doch dieſes ſind Gedanken, die wir ſpaͤter noch weiter auszufuͤhren haben; fuͤr jetzt und zu¬

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Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/243>, abgerufen am 28.03.2024.