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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

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ist ihm das dunkle, das schnelle, wenn's hoch
kommt, das wohlberuderte, dunkle Schiff. Aber
wohl dient ihm das Schiffen, die Abfahrt, das
Anlanden eines Schiffes zu ausführlichen Gemäl¬
den, woraus der Maler jedesmal ein Halbdutzend
verfertigen müßte, wollte er sie ganz auf die Lein¬
wand bringen. Mit gleicher Kunst behandelt er
die menschlichen Schönheiten. Nireus war schön,
Achilles noch schöner, Helena besaß göttliche
Schönheit; das ist Alles. Nirgends läßt er sich
auf umständliche Schilderungen ein. Im Vorbei¬
gehen erfahren wir, daß sie weiße Arme hatte.
Welchen Luxus würde ein schlechterer Dichter, als
Homer mit Helena's Schönheiten getrieben haben.
Aber würde er uns auch, gleich Homer, durch
einen einzigen Zug, die Schönheit der Helena
als die höchstdenkbare, fühlbar gemacht haben?
Helena tritt ins Thor, wo die Greise Versamm¬
lung halten; da flüstert Einer dem Andern zu:

ou nemesis Troas kai euknemidas Akhaious
toie d'amphi gunaiki polun khronon algea pa¬
skhein

ainos athanatesi thees eis opa eioiken,

welche Worte im Munde von Gräubärten, die
Blut und Thränen und erschlagene Söhne nicht
achten, um eines so göttlichen Weibes wegen.

14 *

iſt ihm das dunkle, das ſchnelle, wenn's hoch
kommt, das wohlberuderte, dunkle Schiff. Aber
wohl dient ihm das Schiffen, die Abfahrt, das
Anlanden eines Schiffes zu ausfuͤhrlichen Gemaͤl¬
den, woraus der Maler jedesmal ein Halbdutzend
verfertigen muͤßte, wollte er ſie ganz auf die Lein¬
wand bringen. Mit gleicher Kunſt behandelt er
die menſchlichen Schoͤnheiten. Nireus war ſchoͤn,
Achilles noch ſchoͤner, Helena beſaß goͤttliche
Schoͤnheit; das iſt Alles. Nirgends laͤßt er ſich
auf umſtaͤndliche Schilderungen ein. Im Vorbei¬
gehen erfahren wir, daß ſie weiße Arme hatte.
Welchen Luxus wuͤrde ein ſchlechterer Dichter, als
Homer mit Helena's Schoͤnheiten getrieben haben.
Aber wuͤrde er uns auch, gleich Homer, durch
einen einzigen Zug, die Schoͤnheit der Helena
als die hoͤchſtdenkbare, fuͤhlbar gemacht haben?
Helena tritt ins Thor, wo die Greiſe Verſamm¬
lung halten; da fluͤſtert Einer dem Andern zu:

οὐ νεμεσις Τρωας και ἐϋκνημιδας Ἀχαιους
τοιη δ᾽ἀμφι γυναικι πολυν χρονον ἀλγεα πα¬
σχειν

αἰνως ἀϑανατησι ϑεης εἰς ὠπα εἰοικεν,

welche Worte im Munde von Graͤubaͤrten, die
Blut und Thraͤnen und erſchlagene Soͤhne nicht
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14 *
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[211/0225] iſt ihm das dunkle, das ſchnelle, wenn's hoch kommt, das wohlberuderte, dunkle Schiff. Aber wohl dient ihm das Schiffen, die Abfahrt, das Anlanden eines Schiffes zu ausfuͤhrlichen Gemaͤl¬ den, woraus der Maler jedesmal ein Halbdutzend verfertigen muͤßte, wollte er ſie ganz auf die Lein¬ wand bringen. Mit gleicher Kunſt behandelt er die menſchlichen Schoͤnheiten. Nireus war ſchoͤn, Achilles noch ſchoͤner, Helena beſaß goͤttliche Schoͤnheit; das iſt Alles. Nirgends laͤßt er ſich auf umſtaͤndliche Schilderungen ein. Im Vorbei¬ gehen erfahren wir, daß ſie weiße Arme hatte. Welchen Luxus wuͤrde ein ſchlechterer Dichter, als Homer mit Helena's Schoͤnheiten getrieben haben. Aber wuͤrde er uns auch, gleich Homer, durch einen einzigen Zug, die Schoͤnheit der Helena als die hoͤchſtdenkbare, fuͤhlbar gemacht haben? Helena tritt ins Thor, wo die Greiſe Verſamm¬ lung halten; da fluͤſtert Einer dem Andern zu: οὐ νεμεσις Τρωας και ἐϋκνημιδας Ἀχαιους τοιη δ᾽ἀμφι γυναικι πολυν χρονον ἀλγεα πα¬ σχειν αἰνως ἀϑανατησι ϑεης εἰς ὠπα εἰοικεν, welche Worte im Munde von Graͤubaͤrten, die Blut und Thraͤnen und erſchlagene Soͤhne nicht achten, um eines ſo goͤttlichen Weibes wegen. 14 *

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Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/225>, abgerufen am 23.04.2024.