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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

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warm macht und mit der man, um mich dieses
Ausdrucks zu bedienen, keinen Hund hinterm Ofen
hervorlockt. Ja es gibt eine Moral der verschie¬
denen Alter, der verschiedenen Stände, Talente,
Stellungen, Charaktere, es gibt eine Moral der
verschiedenen Zeitalter und Weltanschauungen, eben
so, wie es in den genannten Rücksichten eine ver¬
schiedene Theorie der Kunst und Poesie gibt. Daß
man nicht von spanischer, französischer, deutscher
Moral in ihren Schulen spricht, ist kein Grund,
um die sprechende Thatsache zu läugnen. Ein
Gemälde vom spanischen Maler Morillo, ein Ge¬
mälde vom französischen Maler David, ein ande¬
res von unserm Albrecht Dürer, jedes derselben
kann nicht entschiedener die charakteristischen Züge
der Nationalität an sich tragen, als die sittliche
Persönlichkeit seines Malers selbst, angeschaut vom
feinen und geübten Auge des Menschenkenners und
nicht vom todten des Gelehrten, das sich eben so
wenig auf die Individualität der Kunst, als auf
die der Moral versteht.

Diese Andeutungen stehen leicht weiter auszufüh¬
ren und mit andern zu befestigen, allein, ich hoffe, sie
werden genügen, um die Ansicht vom Zusammenhange
des Aesthetischen und Moralischen und von der Moral
als einer Kunst unter den Künsten zu rechtfertigen

warm macht und mit der man, um mich dieſes
Ausdrucks zu bedienen, keinen Hund hinterm Ofen
hervorlockt. Ja es gibt eine Moral der verſchie¬
denen Alter, der verſchiedenen Staͤnde, Talente,
Stellungen, Charaktere, es gibt eine Moral der
verſchiedenen Zeitalter und Weltanſchauungen, eben
ſo, wie es in den genannten Ruͤckſichten eine ver¬
ſchiedene Theorie der Kunſt und Poeſie gibt. Daß
man nicht von ſpaniſcher, franzoͤſiſcher, deutſcher
Moral in ihren Schulen ſpricht, iſt kein Grund,
um die ſprechende Thatſache zu laͤugnen. Ein
Gemaͤlde vom ſpaniſchen Maler Morillo, ein Ge¬
maͤlde vom franzoͤſiſchen Maler David, ein ande¬
res von unſerm Albrecht Duͤrer, jedes derſelben
kann nicht entſchiedener die charakteriſtiſchen Zuͤge
der Nationalitaͤt an ſich tragen, als die ſittliche
Perſoͤnlichkeit ſeines Malers ſelbſt, angeſchaut vom
feinen und geuͤbten Auge des Menſchenkenners und
nicht vom todten des Gelehrten, das ſich eben ſo
wenig auf die Individualitaͤt der Kunſt, als auf
die der Moral verſteht.

Dieſe Andeutungen ſtehen leicht weiter auszufuͤh¬
ren und mit andern zu befeſtigen, allein, ich hoffe, ſie
werden genuͤgen, um die Anſicht vom Zuſammenhange
des Aeſthetiſchen und Moraliſchen und von der Moral
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[184/0198] warm macht und mit der man, um mich dieſes Ausdrucks zu bedienen, keinen Hund hinterm Ofen hervorlockt. Ja es gibt eine Moral der verſchie¬ denen Alter, der verſchiedenen Staͤnde, Talente, Stellungen, Charaktere, es gibt eine Moral der verſchiedenen Zeitalter und Weltanſchauungen, eben ſo, wie es in den genannten Ruͤckſichten eine ver¬ ſchiedene Theorie der Kunſt und Poeſie gibt. Daß man nicht von ſpaniſcher, franzoͤſiſcher, deutſcher Moral in ihren Schulen ſpricht, iſt kein Grund, um die ſprechende Thatſache zu laͤugnen. Ein Gemaͤlde vom ſpaniſchen Maler Morillo, ein Ge¬ maͤlde vom franzoͤſiſchen Maler David, ein ande¬ res von unſerm Albrecht Duͤrer, jedes derſelben kann nicht entſchiedener die charakteriſtiſchen Zuͤge der Nationalitaͤt an ſich tragen, als die ſittliche Perſoͤnlichkeit ſeines Malers ſelbſt, angeſchaut vom feinen und geuͤbten Auge des Menſchenkenners und nicht vom todten des Gelehrten, das ſich eben ſo wenig auf die Individualitaͤt der Kunſt, als auf die der Moral verſteht. Dieſe Andeutungen ſtehen leicht weiter auszufuͤh¬ ren und mit andern zu befeſtigen, allein, ich hoffe, ſie werden genuͤgen, um die Anſicht vom Zuſammenhange des Aeſthetiſchen und Moraliſchen und von der Moral als einer Kunſt unter den Kuͤnſten zu rechtfertigen

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Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/198>, abgerufen am 29.03.2024.