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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

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dem Mantel der Armuth und Demuth verbarg.
Julian versammelte die bisherigen Götter der
Welt zu einer "heiligen Allianz" gegen den neuen
Gott und sprach den Bann über ihn aus. Er
ließ seine Trabanten das Kreuz umstoßen, seine
Philosophen das Kreuz lächerlich machen und ein
zeitgemäßeres Heidenthum fabriziren; aber um¬
sonst. Die Götter sahen aus todten Augen, die
Speere zerbrachen wie Glas und die Philosophie
sah sich genöthigt, ihre Ohnmacht und Unfrucht¬
barkeit zu bekennen. Die neue Weltanschauung
behielt den Sieg.

Drum soll die Hoffnung größer sein, als die
Furcht, denn unsere Zeit gleicht der Zeit des
Julian.

Sie gleicht ihr -- bis auf einen Zug --
denn nichts wiederholt sich vollkommen in der
Weltgeschichte. Erkläre ich, was ich meine. Ueber
das neue Leben, das Julian zu verdrängen, zu
vernichten trachtete, war schon damals und gleich
vom Ursprung an, die Formel der Bedeutung aus¬
gesprochen, Einer hatte es offenbart, Zwölf hatten
es der Welt verkündigt und Tausende und Millio¬
nen schwuren auf das Wort, das Mensch geworden
war. Welche Lippe hat aber das Wort ausgespro¬
chen, worin sich der neue Geist inkarniren will,
wo ist der Messias, wo sind die Apostel, wo sind

dem Mantel der Armuth und Demuth verbarg.
Julian verſammelte die bisherigen Goͤtter der
Welt zu einer „heiligen Allianz“ gegen den neuen
Gott und ſprach den Bann uͤber ihn aus. Er
ließ ſeine Trabanten das Kreuz umſtoßen, ſeine
Philoſophen das Kreuz laͤcherlich machen und ein
zeitgemaͤßeres Heidenthum fabriziren; aber um¬
ſonſt. Die Goͤtter ſahen aus todten Augen, die
Speere zerbrachen wie Glas und die Philoſophie
ſah ſich genoͤthigt, ihre Ohnmacht und Unfrucht¬
barkeit zu bekennen. Die neue Weltanſchauung
behielt den Sieg.

Drum ſoll die Hoffnung groͤßer ſein, als die
Furcht, denn unſere Zeit gleicht der Zeit des
Julian.

Sie gleicht ihr — bis auf einen Zug —
denn nichts wiederholt ſich vollkommen in der
Weltgeſchichte. Erklaͤre ich, was ich meine. Ueber
das neue Leben, das Julian zu verdraͤngen, zu
vernichten trachtete, war ſchon damals und gleich
vom Urſprung an, die Formel der Bedeutung aus¬
geſprochen, Einer hatte es offenbart, Zwoͤlf hatten
es der Welt verkuͤndigt und Tauſende und Millio¬
nen ſchwuren auf das Wort, das Menſch geworden
war. Welche Lippe hat aber das Wort ausgeſpro¬
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[118/0132] dem Mantel der Armuth und Demuth verbarg. Julian verſammelte die bisherigen Goͤtter der Welt zu einer „heiligen Allianz“ gegen den neuen Gott und ſprach den Bann uͤber ihn aus. Er ließ ſeine Trabanten das Kreuz umſtoßen, ſeine Philoſophen das Kreuz laͤcherlich machen und ein zeitgemaͤßeres Heidenthum fabriziren; aber um¬ ſonſt. Die Goͤtter ſahen aus todten Augen, die Speere zerbrachen wie Glas und die Philoſophie ſah ſich genoͤthigt, ihre Ohnmacht und Unfrucht¬ barkeit zu bekennen. Die neue Weltanſchauung behielt den Sieg. Drum ſoll die Hoffnung groͤßer ſein, als die Furcht, denn unſere Zeit gleicht der Zeit des Julian. Sie gleicht ihr — bis auf einen Zug — denn nichts wiederholt ſich vollkommen in der Weltgeſchichte. Erklaͤre ich, was ich meine. Ueber das neue Leben, das Julian zu verdraͤngen, zu vernichten trachtete, war ſchon damals und gleich vom Urſprung an, die Formel der Bedeutung aus¬ geſprochen, Einer hatte es offenbart, Zwoͤlf hatten es der Welt verkuͤndigt und Tauſende und Millio¬ nen ſchwuren auf das Wort, das Menſch geworden war. Welche Lippe hat aber das Wort ausgeſpro¬ chen, worin ſich der neue Geiſt inkarniren will, wo iſt der Meſſias, wo ſind die Apoſtel, wo ſind

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Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/132>, abgerufen am 20.04.2024.