Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

Bild:
<< vorherige Seite
Achtes Buch, zweytes Capitel.

Agathon schwieg; denn was kan derjenige sagen, der
nicht weiß was er denken soll?

Wahrhaftig, fuhr der Sophist fort, ich begreiffe nicht,
was für eine Ursache du zu haben glaubst, den rasenden
Ajax mit mir zu spielen. Wer redet von Beschuldigun-
gen? Wer klagt die schöne Danae an? Jst sie vielleicht
weniger liebenswürdig, weil du weder der erste bist
der sie gesehen, noch der erste, der sie empfindlich ge-
funden hat? Was für Launen das sind! Glaube mir,
jeder andrer als du hätte nichts weiter nöthig gehabt als
sie zu sehen, um meine Nachrichten glaubwürdig zu
finden; Jhr blosser Anblik ist ein Beweis. Aber du
forderst einen stärkern; du sollst ihn haben, Callias.
Was sagtest du, wenn ich selbst einer von denen gewe-
sen wäre, welche sich rühmen können, die schöne Danae
empfindlich gesehen zu haben? -- Du? rief Aga-
thon mit einem unglaubigen Erstaunen, welches eben
nicht schmeichelhaft für die Eitelkeit des Sophisten war.
Ja, Callias; ich; erwiederte jener; ich, wie du mich
hier siehest, zehn oder zwölf Jahre abgerechnet, um
welche ich damals geschikter seyn mochte, den Beyfall
einer schönen Dame zu erhalten. Du glanbest vielleicht
ich scherze; aber ich bin überzeugt, daß deine Göttin
selbst zu edel denkt, um dir wenn du sie mit guter Art
fragen wirst, eine Wahrheit verhalten zu wollen, von
welcher ganz Smyrna zeugen könnte.

Hier
B 4
Achtes Buch, zweytes Capitel.

Agathon ſchwieg; denn was kan derjenige ſagen, der
nicht weiß was er denken ſoll?

Wahrhaftig, fuhr der Sophiſt fort, ich begreiffe nicht,
was fuͤr eine Urſache du zu haben glaubſt, den raſenden
Ajax mit mir zu ſpielen. Wer redet von Beſchuldigun-
gen? Wer klagt die ſchoͤne Danae an? Jſt ſie vielleicht
weniger liebenswuͤrdig, weil du weder der erſte biſt
der ſie geſehen, noch der erſte, der ſie empfindlich ge-
funden hat? Was fuͤr Launen das ſind! Glaube mir,
jeder andrer als du haͤtte nichts weiter noͤthig gehabt als
ſie zu ſehen, um meine Nachrichten glaubwuͤrdig zu
finden; Jhr bloſſer Anblik iſt ein Beweis. Aber du
forderſt einen ſtaͤrkern; du ſollſt ihn haben, Callias.
Was ſagteſt du, wenn ich ſelbſt einer von denen gewe-
ſen waͤre, welche ſich ruͤhmen koͤnnen, die ſchoͤne Danae
empfindlich geſehen zu haben? — Du? rief Aga-
thon mit einem unglaubigen Erſtaunen, welches eben
nicht ſchmeichelhaft fuͤr die Eitelkeit des Sophiſten war.
Ja, Callias; ich; erwiederte jener; ich, wie du mich
hier ſieheſt, zehn oder zwoͤlf Jahre abgerechnet, um
welche ich damals geſchikter ſeyn mochte, den Beyfall
einer ſchoͤnen Dame zu erhalten. Du glanbeſt vielleicht
ich ſcherze; aber ich bin uͤberzeugt, daß deine Goͤttin
ſelbſt zu edel denkt, um dir wenn du ſie mit guter Art
fragen wirſt, eine Wahrheit verhalten zu wollen, von
welcher ganz Smyrna zeugen koͤnnte.

Hier
B 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0025" n="23"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Achtes Buch, zweytes Capitel.</hi> </fw><lb/>
            <p>Agathon &#x017F;chwieg; denn was kan derjenige &#x017F;agen, der<lb/>
nicht weiß was er denken &#x017F;oll?</p><lb/>
            <p>Wahrhaftig, fuhr der Sophi&#x017F;t fort, ich begreiffe nicht,<lb/>
was fu&#x0364;r eine Ur&#x017F;ache du zu haben glaub&#x017F;t, den ra&#x017F;enden<lb/>
Ajax mit mir zu &#x017F;pielen. Wer redet von Be&#x017F;chuldigun-<lb/>
gen? Wer klagt die &#x017F;cho&#x0364;ne Danae an? J&#x017F;t &#x017F;ie vielleicht<lb/>
weniger liebenswu&#x0364;rdig, weil du weder der er&#x017F;te bi&#x017F;t<lb/>
der &#x017F;ie ge&#x017F;ehen, noch der er&#x017F;te, der &#x017F;ie empfindlich ge-<lb/>
funden hat? Was fu&#x0364;r Launen das &#x017F;ind! Glaube mir,<lb/>
jeder andrer als du ha&#x0364;tte nichts weiter no&#x0364;thig gehabt als<lb/>
&#x017F;ie zu &#x017F;ehen, um meine Nachrichten glaubwu&#x0364;rdig zu<lb/>
finden; Jhr blo&#x017F;&#x017F;er Anblik i&#x017F;t ein Beweis. Aber du<lb/>
forder&#x017F;t einen &#x017F;ta&#x0364;rkern; du &#x017F;oll&#x017F;t ihn haben, Callias.<lb/>
Was &#x017F;agte&#x017F;t du, wenn ich &#x017F;elb&#x017F;t einer von denen gewe-<lb/>
&#x017F;en wa&#x0364;re, welche &#x017F;ich ru&#x0364;hmen ko&#x0364;nnen, die &#x017F;cho&#x0364;ne Danae<lb/>
empfindlich ge&#x017F;ehen zu haben? &#x2014; Du? rief Aga-<lb/>
thon mit einem unglaubigen Er&#x017F;taunen, welches eben<lb/>
nicht &#x017F;chmeichelhaft fu&#x0364;r die Eitelkeit des Sophi&#x017F;ten war.<lb/>
Ja, Callias; ich; erwiederte jener; ich, wie du mich<lb/>
hier &#x017F;iehe&#x017F;t, zehn oder zwo&#x0364;lf Jahre abgerechnet, um<lb/>
welche ich damals ge&#x017F;chikter &#x017F;eyn mochte, den Beyfall<lb/>
einer &#x017F;cho&#x0364;nen Dame zu erhalten. Du glanbe&#x017F;t vielleicht<lb/>
ich &#x017F;cherze; aber ich bin u&#x0364;berzeugt, daß deine Go&#x0364;ttin<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t zu edel denkt, um dir wenn du &#x017F;ie mit guter Art<lb/>
fragen wir&#x017F;t, eine Wahrheit verhalten zu wollen, von<lb/>
welcher ganz Smyrna zeugen ko&#x0364;nnte.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">B 4</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Hier</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0025] Achtes Buch, zweytes Capitel. Agathon ſchwieg; denn was kan derjenige ſagen, der nicht weiß was er denken ſoll? Wahrhaftig, fuhr der Sophiſt fort, ich begreiffe nicht, was fuͤr eine Urſache du zu haben glaubſt, den raſenden Ajax mit mir zu ſpielen. Wer redet von Beſchuldigun- gen? Wer klagt die ſchoͤne Danae an? Jſt ſie vielleicht weniger liebenswuͤrdig, weil du weder der erſte biſt der ſie geſehen, noch der erſte, der ſie empfindlich ge- funden hat? Was fuͤr Launen das ſind! Glaube mir, jeder andrer als du haͤtte nichts weiter noͤthig gehabt als ſie zu ſehen, um meine Nachrichten glaubwuͤrdig zu finden; Jhr bloſſer Anblik iſt ein Beweis. Aber du forderſt einen ſtaͤrkern; du ſollſt ihn haben, Callias. Was ſagteſt du, wenn ich ſelbſt einer von denen gewe- ſen waͤre, welche ſich ruͤhmen koͤnnen, die ſchoͤne Danae empfindlich geſehen zu haben? — Du? rief Aga- thon mit einem unglaubigen Erſtaunen, welches eben nicht ſchmeichelhaft fuͤr die Eitelkeit des Sophiſten war. Ja, Callias; ich; erwiederte jener; ich, wie du mich hier ſieheſt, zehn oder zwoͤlf Jahre abgerechnet, um welche ich damals geſchikter ſeyn mochte, den Beyfall einer ſchoͤnen Dame zu erhalten. Du glanbeſt vielleicht ich ſcherze; aber ich bin uͤberzeugt, daß deine Goͤttin ſelbſt zu edel denkt, um dir wenn du ſie mit guter Art fragen wirſt, eine Wahrheit verhalten zu wollen, von welcher ganz Smyrna zeugen koͤnnte. Hier B 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/25
Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/25>, abgerufen am 28.03.2024.