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Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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mittellos und lange auf ein mäßiges Salär angewiesen, hatte seine Beharrlichkeit und Bedürfnißlosigkeit es doch zu Ersparnissen gebracht, die er früchtebringend zu verwerthen wußte, indem er mit den Littauern, deren Sprache ihm geläufig war, kleine Geschäfte machte. Er spielte auch in der Lotterie und gewann nach und nach ein Paar hundert Thaler, die er dann sofort in seiner Weise "auf die hohe Kante legte," nicht um sie liegen, sondern um sie rollen zu lassen. Als er vierzig Jahre alt geworden war, konnte er sich im Lande umsehen, ob es etwas selbstständig zu erwerben gebe. Eine Pacht war nicht nach seinem Sinn. Warum für Andere arbeiten? meinte er; lieber für sich selbst klein anfangen, sich eine Weile "durchquälen" und am Ende "glatt abschließen". Damals standen gerade in Wanagischken zwei verfallene Bauernhöfe zum Verkauf. Der Erwerb wäre für keinen Andern einladend gewesen, aber der Inspector Friedrich Geelhaar calculirte: er ist dafür auch billig, und ich behalte noch ein Stück Geld in der Tasche. Wer ihm abrieth, sich in die littauische Wirthschaft zu wagen, dem lachte er ins Gesicht. Nur erst den Fuß Hineinsetzen, sagte er, mit dem Aufräumen werd' ich schon fertig werden. Er hatte so seine Redensarten, der kleine breitschultrige Mann, aber es war auch meist etwas dahinter.

Zehn Jahre lang wohnte er in seinem littauischen Bauernhause; freilich sah es bald nur noch von außen wie ein littauisches Bauernhaus aus. Als er heirathete,

mittellos und lange auf ein mäßiges Salär angewiesen, hatte seine Beharrlichkeit und Bedürfnißlosigkeit es doch zu Ersparnissen gebracht, die er früchtebringend zu verwerthen wußte, indem er mit den Littauern, deren Sprache ihm geläufig war, kleine Geschäfte machte. Er spielte auch in der Lotterie und gewann nach und nach ein Paar hundert Thaler, die er dann sofort in seiner Weise „auf die hohe Kante legte,“ nicht um sie liegen, sondern um sie rollen zu lassen. Als er vierzig Jahre alt geworden war, konnte er sich im Lande umsehen, ob es etwas selbstständig zu erwerben gebe. Eine Pacht war nicht nach seinem Sinn. Warum für Andere arbeiten? meinte er; lieber für sich selbst klein anfangen, sich eine Weile „durchquälen“ und am Ende „glatt abschließen“. Damals standen gerade in Wanagischken zwei verfallene Bauernhöfe zum Verkauf. Der Erwerb wäre für keinen Andern einladend gewesen, aber der Inspector Friedrich Geelhaar calculirte: er ist dafür auch billig, und ich behalte noch ein Stück Geld in der Tasche. Wer ihm abrieth, sich in die littauische Wirthschaft zu wagen, dem lachte er ins Gesicht. Nur erst den Fuß Hineinsetzen, sagte er, mit dem Aufräumen werd' ich schon fertig werden. Er hatte so seine Redensarten, der kleine breitschultrige Mann, aber es war auch meist etwas dahinter.

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Zitationshilfe: Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/9>, abgerufen am 28.03.2024.