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Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Tuchjacke mit dichten, kleinen Knöpfen und der Soldatenmütze mit blankem Schirm und rother Einfassung sah er schmuck genug aus, und Kristups, der auf des Sohnes Rechnung mittrank, schlug ihm auf die Schulter und meinte, nun sehe man doch, daß er noch ein guter Littauer sei. Beim Nachhausefahren -- natürlich ging's Carriere über die Landstraße hin -- brach der Wagen an der Brücke ein Rad. Urte kam ihnen fluchend entgegen; sie war erbos't darüber, daß sie nicht auch zum Margritsch (Freitrunk) aufgefordert war.

So liederlich dachte Ansas es nun allerdings nicht weiter zu treiben: Herr Geelhaar selbst, der ihn aus der Ferne beobachtete, mußte ihm nach einiger Zeit das Zeugniß geben, daß er redlich bestrebt sei, die ganz verkommene Wirthschaft in Gang zu bringen. Aber es fehlte überall am Nothwendigsten, und das Resultat der ersten Ernte war deßhalb dürftig genug. Er hatte kaum so viel gewonnen, um den Winter überstehen zu können und die Saat zu erübrigen. Die beiden Ausgedinger sollten an seinem Tisch mitessen, aber ihre sonstigen Forderungen zurückhalten.

Sein Vater ließ sich dazu bestimmen, nahm's nun aber mit dem Eigenthum seines Sohnes nicht genau. Mit der alten Urte war gar nicht zu reden. Sie verlangte stürmisch ihr Getreide, ihren Flachs, ihr halbes Schwein, ihre Gänse, ihren Honig und was ihr sonst gebührte, knüpfte, als Ansas ihr Gegenvorstellungen machte, ihre Verschreibungen in ein rothbuntes Tuch,

Tuchjacke mit dichten, kleinen Knöpfen und der Soldatenmütze mit blankem Schirm und rother Einfassung sah er schmuck genug aus, und Kristups, der auf des Sohnes Rechnung mittrank, schlug ihm auf die Schulter und meinte, nun sehe man doch, daß er noch ein guter Littauer sei. Beim Nachhausefahren — natürlich ging's Carriere über die Landstraße hin — brach der Wagen an der Brücke ein Rad. Urte kam ihnen fluchend entgegen; sie war erbos't darüber, daß sie nicht auch zum Margritsch (Freitrunk) aufgefordert war.

So liederlich dachte Ansas es nun allerdings nicht weiter zu treiben: Herr Geelhaar selbst, der ihn aus der Ferne beobachtete, mußte ihm nach einiger Zeit das Zeugniß geben, daß er redlich bestrebt sei, die ganz verkommene Wirthschaft in Gang zu bringen. Aber es fehlte überall am Nothwendigsten, und das Resultat der ersten Ernte war deßhalb dürftig genug. Er hatte kaum so viel gewonnen, um den Winter überstehen zu können und die Saat zu erübrigen. Die beiden Ausgedinger sollten an seinem Tisch mitessen, aber ihre sonstigen Forderungen zurückhalten.

Sein Vater ließ sich dazu bestimmen, nahm's nun aber mit dem Eigenthum seines Sohnes nicht genau. Mit der alten Urte war gar nicht zu reden. Sie verlangte stürmisch ihr Getreide, ihren Flachs, ihr halbes Schwein, ihre Gänse, ihren Honig und was ihr sonst gebührte, knüpfte, als Ansas ihr Gegenvorstellungen machte, ihre Verschreibungen in ein rothbuntes Tuch,

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:07:21Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/24>, abgerufen am 29.03.2024.